Abzug österreichischer Soldaten vom Golan

 

erstellt am
10. 06. 13
14.00 MEZ

In den Morgenstunden des 06.06. kam es zu folgeschweren Zwischenfällen im Einsatzgebiet der UNDOF-Mission auf den Golan-Höhen, in deren Zuge der Grenzposten Quneitra in der demilitarisierten Zone vorübergehend von syrischen Rebellen eingenommen und nach heftigen Kämpfen vorerst von Einheiten der syrischen Armee zurückerobert wurde. Dabei kam es zu heftigen Gefechten zwischen syrischen Rebellen und Regierungstruppen, wobei auch die österreichischen Blauhelme unter Beschuss kamen.

Ausschlaggebend war die vorübergehende Schließung des sogenannten Bravo-Gates, das die wesentliche Verbindungslinie für die Versorgung des Kontingents darstellt. Dies zeigte, dass die syrische Regierung nicht mehr in der Lage ist, die Unterstützung der UN zu gewährleisten. Zusätzlich war der heutige Kampf um Quneitra ein gezieltes Zusammenwirken verschiedener Rebellengruppen, was eine neue Qualität der Kampfführung im Einsatzraum der Österreicher darstellte.

Im Verteidigungsministerium fand umgehend eine weitere eingehende Lagebesprechung mit dem Generalstab und Vertretern des Außenministeriums statt. Bundeskanzler Werner Faymann sowie Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger erklärten in einer gemeinsamen Pressekonferenz, in der Folge habe sie Verteidigungsminister Gerald Klug darüber informiert, dass nach Rücksprache mit den Verantwortlichen seines Ressorts die Teilnahme des österreichischen Bundesheeres an der UNDOF-Mission aus militärischen Gründen nicht mehr aufrechterhalten werden könne. "Die Beobachtungen des Verteidigungsministeriums haben in den vergangenen Wochen eine nachhaltige Verschlechterung der Lage im Raum festgestellt."

"Die Freiheit der Bewegung im Raum ist de facto nicht mehr gegeben. Eine unkontrollierte und unmittelbare Gefährdung der österreichischen Soldaten ist auf ein inakzeptables Maß angestiegen. Die Entwicklung der heutigen Morgenstunden hat gezeigt, dass ein weiteres Zuwarten nicht mehr vertretbar ist. Eine gesicherte Bewegung und Versorgung unserer Soldaten am Golan kann nicht mehr gewährleistet werden. Damit ist de facto nicht nur der regelmäßige Nachschub für die Mission unmöglich, sondern auch die für kommende Woche geplante große Rotation", erklärten Bundeskanzler Werner Faymann sowie Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger. Vizekanzler Spindelegger hat bereits mit dem UN-Generalsekretär Ban Ki-moon gesprochen und ihn persönlich über die Entscheidung der Bundesregierung informiert. Das Verteidigungsministerium ist bereits mit der Abteilung für Friedenseinsätze der UNO (Department of Peacekeeping Operations, DPKO) im Kontakt, um die Voraussetzungen für einen geordneten Rückzug der österreichischen Blauhelme zu schaffen.

"Die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten steht an oberster Stelle, daher ist dieser Schritt notwendig", sagten Bundeskanzler Faymann und Vizekanzler Spindelegger.

     

"Ich bin mir unserer Verantwortung gegenüber unseren internationalen Partnern, den Vereinten Nationen und Israel bewusst. Aber genauso bin ich für die Sicherheit meiner Soldaten verantwortlich, daher habe ich den Abzug empfohlen", sagte Verteidigungsminister Bundesminister Gerald Klug.

Das Bundesheer wird sich geordnet innerhalb von zwei bis vier Wochen von den Golanhöhen zurückziehen. Damit haben die anderen Truppenstellernationen, die UN und Israel, Zeit, um sich auf die geänderten Rahmenbedingungen einzustellen. Die Situation im Einsatzraum wird laufend beobachtet. Sollte es zu einer weiteren Verschlechterung der Sicherheitslage kommen, kann dieser Vorgang noch beschleunigt werden. "Im Vordergrund steht hier, dass wir alle Soldaten gesund nach Hause bringen", so Bundesminister Klug.  

 

 

In einem Interview in der Ö1-Radiosendung "Im Journal zu Gast" äusserte Vizekanzler und Aussenminister Michael Spindelegger am 08.06. Zweifel daran, dass die UNO-Mission "in dieser eskalierten Lage" überhaupt weitergeführt werden könne, wie das die UNO in einer Sondersitzung des Sicherheitsrats in New York beschlossen habe. Die Regierung würde zugunsten der Sicherheit unserer Soldaten das Ende der Mission aber in Kauf nehmen, denn die Lage am Golan sei nach den aktuellen Kampfhandlungen nicht mehr einschätzbar gewesen. Österreich habe trotz aller bisherigen Probleme seine Aufgabe wahrgenommen, aber jetzt, wo gewisse Gruppen in Syrien die UNO nicht mehr respektierten, sei die Entscheidung notwendig und richtig gewesen.

Schon spätestens mit dem EU-Beschluß, das Waffenembargo zu beenden, habe sich abgezeichnet, dass ein Verbleib der österreichischen Truppe wohl sehr schwierig werden würde, jetzt könne, so Spindelegger, niemand wirklich über die Entscheidung in Wien überrascht sein.

 

 

FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache erklärte, "die österreichischen UN-Truppen am Golan werden nicht abgezogen, weil es dort jetzt gefährlicher geworden ist, sondern weil das von der EU verhängte Waffenembargo ausgelaufen ist". In Wahrheit sei es England und Frankreich wichtiger, "ihre Waffen in den nahen Osten liefern zu können als dort eine gut funktionierende UN-Mission aufrecht zu erhalten", so Strache.

Österreich habe im Vorfeld der Verhandlungen immer wieder betont, dass man die eigenen Truppen zurückziehen werde falls das Embargo fallen sollte, erinnerte Strache. Nun sei das Embargo gefallen und Österreich ziehe seine Linie durch, so Strache. Es bestehe daher auch keinerlei Anlass für den österreichischen Außenminister als "Büßer" aufzutreten und sich bei allen und jedem für den österreichischen Abzug zu entschuldigen, wie er das derzeit tue, kritisierte Strache die unwürdige Vorstellung Spindeleggers.

Vielmehr sei es für die internationale Staatengemeinschaft beschämend, dass sie mit ihrem Beharren auf Waffenlieferungen in das Kriegsgenbiet, die letzte europäisch besetzte UN-Mission am Golan beendet habe, betonte Strache. "Unter dem aktuellen Peacekeeping-Mandat der UNO war ein weiterer Verbleib der österreichischen Soldaten am Golan daher auch nicht mehr länger vertretbar", sagte Strache, der den österreichischen Soldaten für ihren fast 40-jahrigen UN-Einsatz dankte.

   

BZÖ-Chef Klubobmann Josef Bucher sagte, "offensichtlich ist die Gefährdung der österreichischen UNO-Soldaten zu groß geworden und daher ist der Abzug vom Golan der einzig richtige Schritt. Diese Mission ist zwar von immenser Bedeutung, jedoch geht die Sicherheit und Gesundheit unserer Blauhelme vor. Österreich hat inmitten von Kampfeinsätzen zwischen syrischen Rebellen und Regierungstruppen nichts verloren."

 

 

Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Alev Korun, erklärte, die Eskalation auf dem Golan sein nicht unerwartet gewesen. "Die Entscheidung der Regierung, die österreichischen Blauhelme zurückzuziehen, scheint nun festzustehen. Trotzdem oder gerade deshalb trägt Österreich internationale Verantwortung für den Fortbestand der UNDOF-Mission am Golan. Wenn wir außenpolitisch weiter ernst genommen werden wollen, ist eine enge Zusammenarbeit mit der UNO notwendig. Eine zusätzliche Instabilisierung der Region, indem die Konfliktparteien Syrien und Israel einander ohne Pufferzone gegenüberstehen, kann keine Regierung dieser Welt wünschen."
"Selbstverständlich ist die Sicherheit der Blauhelme zu gewährleisten. Gleichzeitig ist es aber auch notwendig, kein Vakuum auf dem Golan entstehen zu lassen. Daher ist eine Abstimmung mit der UNO beim angekündigten Rückzug unbedingt notwendig. Und die Bundesregierung muss alles in ihrer Macht Stehende auf diplomatischer Ebene tun, damit der Krieg in Syrien beendet wird, denn je länger dieser andauert, desto größer ist auch die Gefahr eines Übergreifens auf Israel, den Libanon und andere Nachbarstaaten", schließt Korun.

   

Team Stronach Klubobmann Robert Lugar meinte, "der Abzug unserer Truppen vom Golan ist ein logischer und vernünftiger Entschluss von Klug", erklärt. Es habe einfach keinen Sinn, das Leben unserer Blauhelme aufs Spiel zu setzen - "für eine Friedensmission, die angesichts des innersyrischen Konflikts nicht aufrecht erhalten werden kann."

 

 

 

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