Aus Leonardo da Vinci's Händen?

 

erstellt am
17. 06. 13
14.00 MEZ

Sensationelle neue Erkenntnisse zu einem Ausstellungsobjekt in der Kunsthalle Leoben…
Leoben (stadt) - Bei der Ausstellung "Faszination Schädel - der Kult um den Kopf" ist in einer kleinen Wandvitrine ein aus Kunststein gefertigter Schädel zu sehen. Kaum jemand möchte ahnen, dass dieses knapp zehn Zentimeter große Objekt eine wahre Sensation darstellt und wohl eines der absoluten Highlights der diesjährigen Ausstellung in der Kunsthalle Leoben ist. Untersuchungen zufolge stammt der Schädel aus der Nähe von Florenz und wurde zur Zeit der Renaissance (15. Jahrhundert) hergestellt. Er überrascht durch seine Detailtreue und seine Art der Darstellung und weist Parallelen zu Leonardo da Vinci's Schädelzeichnungen auf. Die Form des Miniaturschädels mit allen Details ergab ebenfalls Entsprechungen zu Leonardo da Vinci's "Grotesken Köpfen".

Vor rund 30 Jahren wurde dieses äußerst genaue und detailreiche anatomische Modell eines Schädels vom deutschen Ehepaar Mag. Gertrude und Dr. Wilfried Rolshausen, einer Dolmetscherin und einem Arzt, im Antiquitätenhandel entdeckt und erworben. Damals ahnte wohl noch niemand, dass es sich um einen sensationellen Fund aus der Renaissance handeln könnte. Mittlerweile haben sich aber schon mehrere Kenner der Materie und Wissenschafter mit diesem Miniaturköpfchen und seiner Herkunft auseinandergesetzt und sind zur Erkenntnis gekommen, dass viele Indizien dafür sprechen, dass dieses einzigartige Objekt tatsächlich aus den Händen des Ausnahmekünstlers, Ingenieurs, Entdeckers, Kosmographen und Forschers Leonardo da Vinci (1452 - 1519) stammen muss. "Es ist eine echte Sensation und eine zusätzliche Aufwertung unserer Ausstellung: Ein kleines Köpfchen mit großem Namen; ein Exponat, das vermutlich von Leonardo da Vinci stammt - von einem Künstler, der wirklich jedem ein Begriff ist", so der Bürgermeister der Stadt Leoben, Dr. Matthias Konrad. "Es ist für uns als MuseumsCenter Leoben eine große Freude, dass die Erforschung dieses Ausstellungsstückes gerade jetzt zu einer so weitreichenden Erkenntnis geführt hat", so die Leiterin des MuseumsCenters Leoben, Mag. Susanne Leitner-Böchzelt.

Viele interessante Argumente sprechen für Leonardo da Vinci als Schöpfer dieses Exponates und wurden eingehend von den Besitzern Mag. Gertrude und Dr. Wilfried Rolshausen bzw. von Dr. Stefaan Missinne, einem jahrelangen Erforscher der Materie, ausführlich erklärt. "Leonardo ist der einzige, der in seinen Aufzeichnungen (den so genannten Codices) eine idente Zeichnung dieses anatomischen Modells vorgezeichnet hat", so Dr. Stefaan Missinne, Globensammler und Leonardo-Forscher, in seinem Bericht über die Erforschung des "Leonardo-Köpfchens". Dies belegen auch Quellen aus der Royal Collection Windsor und des Max-Planck-Institutes.

Als weiteres Indiz für die Zuschreibung an Leonardo da Vinci spricht, dass er eine formbare Masse namens "Mistioni" entwickelt hat. Der Schädel ist aus dieser Masse hergestellt. Eine Mischung aus Gips und Quarz im Verhältnis 3 zu 1, sowie einem Zusatz von Eisenpulver und dem Bindemittel Harz. Leonardo schreibt selbst darüber unter anderem in seinem Codex Atlanticus 105v: "… mit meiner Mischung mach ich dir alles, Marmor, Edelsteine, Halbedelsteine etc." Die jeweiligen Farben der "künstlichen" Materialien erzeugte er mit den jeweiligen Farbpigmenten, die er der Masse "Mistioni" beimengte. Dabei ist besonders interessant, dass diese Masse nicht gegossen wurde, sondern in weichem Zustand modelliert wurde. Erst nach dem Aushärten konnte die Masse weiter bearbeitet werden und es konnten feine Linien und Details eingeritzt werden.

Bei diesem Köpfchen sind alle Details eines natürlichen Schädels anatomisch korrekt dargestellt und nachgebildet (Nasentränenkanal, Nasenscheidewand, Schläfenbereich, Schädelnähte etc.) und es stellt einen pathologischen Befund dar, was ebenfalls für eine Zuschreibung an Leonardo spricht. Dieser war bekannt dafür, skurrile Köpfe zu zeichnen und hat sich nachweislich sehr umfassend mit der Anatomie des Menschen beschäftigt. In Florenz, Mailand und Rom betrieb Leonardo umfangreiche anatomische Studien. Er soll mehr als 30 Leichen seziert haben. Ihn interessierten dabei die menschlichen Proportionen und die anatomischen Details und Abnormitäten, wie es hier bei diesem Objekt der Fall ist: Es wird das Franceschetti-Zahlen-Syndrom oder Berry-Syndrom, eine erbliche Erkrankung, die zu Gesichtsfehlbildungen führt, dargestellt.

Ein wichtiges Argument für eine Zuschreibung an Leonardo ist auch die maßstabsgetreue Nachbildung dieses Modells, welches dem menschlichen Schädel in Verhältnis 1 zu 3 nachempfunden ist, wie es durch viele andere Arbeiten Leonardos belegt werden kann, wie zum Beispiel durch die allseits bekannten Darstellungen des "Virtuvianischen Menschen", einem Proportionsschema für den menschlichen Körper.

Auch schriftliche Quellen zum "Leonardo-Köpfchen" wurden kürzlich entdeckt: "Erst in jüngster Zeit, als die Ausstellung in Leoben eröffnete, haben wir zusätzliche bibliographische Beweise gefunden, die eindeutig für die Echtheit dieses Exponates sprechen", so Dr. Stefaan Missinne, "die Aufzeichnungen belegen, dass Leonardo im Besitz eines solchen anatomischen Modells war und stammen von SALAI, einem Schüler Leonardos. Wir können also von einem Echtheitswert von 99,9% ausgehen; das ist wie ein Zwölfer im Lotto", so der Forscher.

Das "Leonardo-Köpfchen" ist im Rahmen der Ausstellung "Faszination Schädel - der Kult um den Kopf" noch bis 1. Dezember 2013 in der Kunsthalle Leoben zu sehen. "Ein weiterer Grund, unsere Ausstellung zu besuchen", freut sich Kulturstadtrat Franz Valland, "ein Exponat von Leonardo da Vinci hat auch Leoben nicht jeden Tag zu bieten!"

 

 

 

Informationen: http://www.leoben.at

 

 

 

 

 

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