Erwerb der Staatsbürgerschaft wird für gut
 Integrierte erleichtert

 

erstellt am
05. 07. 13
14.00 MEZ

Verwaltungsgerichtsbarkeitsanpassung Inneres, Zivildienstreform, Betretungsverbot, Verdienstzeichen, Eindämmung von Schusswaffen
Wien (pk) - An der Spitze der zum Innenministerium ressortierenden Materien stand am 04.07. im Nationalratsplenum die Novelle zum Staatsbürgerschaftsgesetz. Sie soll gut integrierten MigrantInnen einen rascheren Zugang zur österreichische Staatsbürgerschaft ermöglichen.

Staatsbürgerschaft: Einbürgerung bereits nach sechs Jahren möglich
Mit der Novelle zum Staatsbürgerschaftsgesetz wird gut integrierten Fremden ein rascherer Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft eröffnet. So kann bei hervorragenden Deutschkenntnissen bzw. bei besonderem zivilgesellschaftlichem Engagement eine Einbürgerung künftig bereits nach sechs Jahren erfolgen. Außerdem werden eheliche und uneheliche Kinder im Staatsbürgerschaftsrecht gleichgestellt, die Einbürgerung von Adoptivkindern erleichtert, die Bestimmungen über den nachzuweisenden gesicherten Lebensunterhalt adaptiert und verschiedene Härtefallregelungen verankert. Die Novelle wurde mit Mehrheit beschlossen.

Mit in Verhandlung standen eine Reihe von Anträgen der Opposition, die alle abgelehnt wurden. So fordern die Grünen in Anträgen ( 150/A und 786/A), österreichischen StaatsbürgerInnen, die zwischen 1938 und 1945 vor dem NS-Regime flüchten mussten und nach ihrer Flucht die Staatsbürgerschaft anderer Länder angenommen haben, die österreichische Staatsbürgerschaft automatisch wieder zu verleihen. Auch deren Hinterbliebene sollten einen erleichterten Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft haben. Weitere Forderungen der Grünen betrafen die Verankerung des Geburtslandprinzips im Staatsbürgerschaftsgesetz und die Einzelfallprüfung bei unverschuldeter Notlage des Staatsbürgerschaftswerbers betreffend den Nachweis des gesicherten Unterhalts. Ein weiter Entschließungsantrag sprach sich für eine gesetzliche Lösung für Personen, die fälschlicher Weise im guten Glauben aufwuchsen, ÖsterreicherInnen zu sein, aus. Ein Antrag zielte darauf ab, Menschen, die ihr ganzes Leben in Österreich verbracht haben und ohne eigenes Verschulden staatenlos geworden sind, die österreichische Staatsbürgerschaft zu gewähren.

Die FPÖ trat dafür ein, Südtirolern und Südtirolerinnen mit österreichischen Vorfahren den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft durch einfache Anzeige zu ermöglichen.

Abgeordneter Harald VILIMSKY (F) übte Kritik an der Vorlage und meldete schwere Bedenken gegen die raschere und einfachere Einbürgerung an. Die Staatsbürgerschaft sei ein hohes Gut und dürfe nicht leichtfertig an Personen mit Integrationsdefiziten vergeben werden, war für ihn klar. Vilimsky erinnerte dabei insbesondere an die Demonstration von österreichisch-türkischen Erdogan-Anhängern in Wien, aber auch an die zahlreichen islamistischen Kämpfer mit österreichischem Pass und meinte, Österreicher müsse man mit dem Kopf und dem Herz sein und nicht nur dann, wenn es um das Sozialsystem geht. Wer mit Österreich nichts am Hut hat, sollte nicht eingebürgert werden, war Vilimsky überzeugt, der der Regierung vorwarf, mit der Novelle ein falsches Signal zu setzen.

Abgeordneter Günter KÖßL (V) sprach hingegen von einem wichtigen Schritt in Richtung Integration und hob in diesem Zusammenhang die Anreize der Novelle – ausgezeichnete Deutschkenntnisse und ehrenamtliches Engagement – für die raschere Einbürgerung hervor. Wichtig waren für Kößl auch die Erleichterungen für Behinderte, für Stiefkinder von Österreichern sowie für Minderjährige. An Vilimsky appellierte er, nicht Einzelfälle herauszugreifen, sondern das Gesamtbild zu sehen.

Abgeordnete Alev KORUN (G) lehnte die Novelle ab und knüpfte ihre Kritik vor allem an den vom Gesetz geforderten ausreichenden Lebensunterhalt. Sie zog den Schluss, nicht Integration, sondern das Geld entscheide über die Einbürgerung. Viele Menschen würden dadurch trotz einer Beschäftigung an der Einkommenshürde scheitern, gab sie zu bedenken. Als willkürlich bezeichnete Korun auch das Erfordernis eines zehn Jahre langen ununterbrochenen legalen Aufenthalts in Österreich. Ein einziger Tag ohne Aufenthaltstitel reiche schon, um die Einbürgerung scheitern zu lassen, erinnerte sie. Nach Meinung der Rednerin sollten jene Menschen, die fünf Jahre lang legal in Österreich leben, die Möglichkeit der Einbürgerung erhalten.

Abgeordnete Angela LUEGER (S) begrüßte die Erleichterungen für Kinder und Jugendliche, aber auch die Anreize der Sprachkenntnisse und des sozialen Engagements für eine raschere Einbürgerung. Positiv bewertete sie auch die Regelung betreffend die Putativösterreicher und die Ausnahmen vom Nachweis des gesicherten Lebensunterhalts. Die Staatsbürgerschaftsbestimmungen müssten permanent weiterentwickelt werden, mit dem vorliegenden Gesetz sei man aber auf einem guten Weg, resümierte Lueger.

Abgeordneter Peter WESTENTHALER (B) meinte, er nehme Staatssekretär Kurz das Engagement in Sachen Integrationspolitik ab. Viele Initiativen von Kurz seien vernünftig, allerdings lasse der Erfolg noch zu wünschen übrig. Das hätten nicht zuletzt die Demonstrationen in Österreich für den türkischen Regierungschef gezeigt. Es gebe immer noch Menschen, die in den neunziger-Jahren nach Österreich gekommen und nach wie vor nicht integriert sind.

Westenthaler sieht auch nicht ein, warum die Wartefrist für die Verleihung der Staatsbürgerschaft unter bestimmten Voraussetzungen auf sechs Jahre verkürzt werden soll. Zumindest die allgemeinen Voraussetzungen für den Erwerb der Staatsbürgerschaft – Unbescholtenheit, gesicherter Lebensunterhalt, gute Deutschkenntnisse, bejahende Einstellung zur Republik und kein Naheverhältnis zu extremistischen Gruppen – blieben aber erhalten, zeigte er sich erfreut. Wünschen würde sich Westenthaler die Möglichkeit, Staatsbürgerschaften wieder abzuerkennen.

Abgeordneter Wolfgang GERSTL (V) hielt fest, das was vorliege, sei "die gute Mitte". Die Staatsbürgerschaft werde in Österreich erst dann verliehen, wenn der Integrationsprozess vollzogen sei, betonte er. Das geschehe entweder wie bisher nach zehn Jahren, oder sei, bei besonderen Verdiensten, künftig auch schon nach sechs Jahren möglich.

Enttäuscht äußerte sich Gerstl über die Forderung von Abgeordnetem Peter Pilz, die Verleihung der Staatsbürgerschaft von der Gesinnung des Werbers abhängig zu machen. Man dürfe bestimmte Grundrechte nicht an eine gewünschte Gesinnung knüpfen, mahnte er.

Abgeordneter Christoph HAGEN (T) kündigte die Zustimmung zum Gesetz durch seine Fraktion an. Diese sei zwar nicht das "Nonplusultra", aber ein Schritt in die richtige Richtung. Konkret begrüßte Hagen etwa das verkürzte Verleihungsverfahren für Adoptivkinder und die Verbesserung für PutativösterreicherInnen. Vernünftig ist für ihn auch, Fremden, die sich besonders in die Gesellschaft einbringen, die Staatsbürgerschaft vorzeitig zu gewähren.

Nicht mit allen Punkten zeigte sich Hagen allerdings zufrieden. So schloss er sich der Forderung von Abgeordnetem Westenthaler an, eine Aberkennungsmöglichkeit einzuführen. Im Fokus hat er dabei etwa österreichische Dschihadisten in Syrien. Auch das Anliegen der FPÖ, SüdtirolerInnen eine österreichisch-italienische Doppelstaatsbürgerschaft zu gewähren, unterstützte er.

Staatssekretär Sebastian KURZ bekräftigte, die österreichische Staatsbürgerschaft sei ein hohes Gut. Mit dem neuen Gesetz werde kein leichtfertiger Ausverkauf der österreichischen Staatsbürgerschaft geschaffen, versicherte er. Die österreichischen Bestimmungen blieben im internationalen Vergleich restriktiv. Statt ausschließlich an die Aufenthaltsdauer in Österreich anzuknüpfen, schaffe man aber ein Anreizsystem. Kurz wies außerdem auf die vorgesehene Gleichstellung von unehelichen mit ehelichen Kindern, Verbesserungen für Menschen mit Behinderungen und Verbesserungen für PutativösterreicherInnen hin.

Nach Meinung von Abgeordnetem Harald STEFAN (F) geht Österreich im Bereich der Staatsbürgerschaft einen völlig falschen Weg. Man mache die Staatsbürgerschaft zu einem "Geschenkartikel", kritisierte er. Er kenne genug Menschen, die die österreichische Staatsbürgerschaft haben, aber nicht einmal die deutsche Sprache beherrschen. Mit der verkürzten Wartezeit öffne man findigen Personen neue Tore und verringere den Wert der Staatsbürgerschaft weiter.

Stefan kann sich durchaus eine fünfzehnjährige Wartefrist auf die Staatsbürgerschaft vorstellen, wie er erklärte. Seiner Ansicht nach soll eine Staatsbürgerschaft außerdem nur an jene vergeben werden, die sich zu ähnlichen Werten bekennen, mit dem Gemeinwesen identifizieren und bereit sind, Sitten und Gebräuche zu übernehmen.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) machte sich für einen erleichterten Zugang von Nachkommen österreichischer NS-Vertriebener zur österreichischen Staatsbürgerschaft stark. Ihre Eltern hätten die Staatsbürgerschaft 1938 unfreiwillig verloren und sie nach 1945 oft deshalb nicht zurückerhalten, weil sie nach ihrer Flucht zu ihrem Schutz eine neue Staatsbürgerschaft angenommen haben, skizzierte er.

Abgeordneter Werner NEUBAUER (F) warb für einen Antrag der FPÖ, der die Zuerkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft an SüdtirolerInnen mit österreichischen Wurzeln zum Ziel hat. Seiner Meinung nach würde nichts dagegen sprechen, der betroffenen Personengruppe eine italienisch-österreichische Doppelstaatsbürgerschaft zu gewähren. Alle deutschsprachigen Parteien in Südtirol seien dafür, zudem würde dadurch die Autonomie Südtirols gestärkt. Neubauer glaubt auch nicht, dass man mit einem solchen Schritt Italien verstimmen würde.

Abgeordneter Harald WALSER (G) warf der FPÖ Scheinheiligkeit vor. Während die Freiheitlichen keine Probleme damit hätten, wenn österreichische Auswanderer nach 50 Jahren in der Fremde Umzüge mit Tiroler Fahnen machten, würden sie umgekehrt MigrantInnen in Österreich keine doppelte Identität zugestehen, beklagte er. Die Grünen würden ihm zufolge Doppelstaatsbürgerschaften generell begrüßen: nicht nur eine bestimmte Gruppe wie die SüdtirolerInnen, sondern alle Menschen, die zwischen zwei Kulturen leben und mit ihrer alten Heimat weiter verbunden sind, sollten Anspruch darauf haben. In Richtung Staatssekretär Kurz sprach sich Walser für eine Abschaffung des Staatsbürgerschaftstests aus und kritisierte, es sei in sieben Jahren nicht gelungen, diesen frei von Fehlern zu machen.

Die Änderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes wurde vom Nationalrat mit Stimmenmehrheit verabschiedet. Ebenfalls mehrheitlich nahmen die Abgeordneten die ablehnenden Berichte des Innenausschusses über die Anträge der Grünen und der FPÖ an.

 

 

 

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