Agenten mit eigenem Kopf - die
 Sprachentrainer der Zukunft?

 

erstellt am
25. 07. 13
14.00 MEZ

Linz (jku) - Eine Sprache zu lernen und sie gut zu beherrschen - das nehmen sich viele Menschen vor. Der Weg dorthin ist aber keineswegs einfach. Wie es leicht geht, erklärt Neurowissen-schafterin Dr. Manuela Macedonia vom Institut für Wirtschaftsinformatik. Mithilfe der Computerfigur "Billie" lernen Nutzer besser und schneller als von menschlichen Lehrern.

In der heutigen Welt ist die Mehrsprachigkeit unumgänglich geworden und vielfach der Schlüssel zum Erfolg. Manuela Macedonia, die selbst mehrsprachig aufgewachsen ist, beschäftigt sich schon seit Längerem mit der optimalen Steuerung von Lernprozessen in Fremdsprachen. Gemeinsam mit dem Excellence Cluster der Universität Bielefeld hat sie kürzlich Experimente gemacht, bei welchen die Versuchspersonen Wörter einer Kunstsprache erlernen sollten. Die eine Gruppe lernte mit "Billie", einem sogenannten Sociable Agent, der am Bildschirm wie ein hübscher Teenager aussieht. Die andere Gruppe lernte mit dem Video eines Menschen. Sowohl Billie als auch der Mensch verwendeten eine Kombination aus Sprache und Gesten. Letztere sind für das Erlernen von Sprachen außerordentlich wichtig, denn sie steigern die Behaltensleistung und verzögern das Vergessen von Wörtern. Das Ergebnis ihrer Untersuchungen war, dass beide Gruppen die gleiche Lernleistung hatten. Allerdings hatten besonders gute Schüler mit dem Agent sogar besser gelernt, als mit der realen Person im Video. Die Gründe dafür sind noch nicht bekannt. "Das werden wir in naher Zukunft noch analysieren", erklärt Macedonia.

Billie ist alles andere als gewöhnlich
Sociable Agents sind Maschinen, die eine Interaktion mit dem Anwender aufbauen. Sie versorgen ihn wie in diesem Beispiel mit Input aus einer Fremdsprache und lernen aus dem Verhalten des Anwenders. Sie merken sich also, womit er Schwierigkeiten hat und was er bereits gespeichert hat. Daher eignen sich Sociable Agents als Sprachentrainer für gewisse Bereiche, wie das Vokabellernen. Macedonia geht davon aus, dass sie in der Zukunft sehr bedeutend und vielfältig einsetzbar sein werden. Aber mit Billie kann man nicht nur Vokabeln lernen. Auch andere wichtige Anwendungsbereiche, wie beispielsweise die Sprachrehabilitation nach einem Schlaganfall, werden auf diesen Trainer zugreifen können. "Jeder Aphasie-Patient ist abhängig von seinen Läsionen und seinem Alter unterschiedlich zu trainieren. Billie könnte diese Trainingsflexibiltät bieten, denn er würde - im Sinne des learning by doing - gewisse Trainingsparameter erschließen und danach den Patienten motivieren und trainieren können. Darüber hinaus hätte der Patient immer und überall, so oft er möchte seinen Therapeuten im Tablet. Billie ist kein gewöhnliches Computer-Lernprogramm, es steckt sehr viel künstliche Intelligenz in ihm", betont Macedonia.

Gehirn mit Gesten trainieren
Billie kann noch mehr: Er macht Bewegungen zu den einzelnen Worten, die deren Bedeutung illustrieren. Darin liegt der Kunstgriff dieser neuartigen Methode. Macedonia hat herausgefunden, dass Gesten die Behaltensleistung von sprachlicher Information steigern können. Das liegt daran, dass das menschliche Gehirn die Bedeutung von Wörtern in erfahrungsabhängigen, flexiblen Netzwerken kodiert. Während wir beim klassischen Lernen von Vokabeln nur wenige Hirnregionen einbinden, werden durch das Trainieren von Gesten mehr Gehirnareale und -strukturen eingebunden. Das zu erlernende Wort beschäftigt nicht nur die hauptsächlich für Sprache zuständigen Hirnregionen, sondern auch motorische und visuelle Bereiche. Auf den Begriff kann man dann durch die Ausdehnung und Komplexität der Netzwerke schneller zurückkommen und ihn abrufen. Da die unterschiedlichen Bereiche des Gedächtnisses miteinander verbunden sind, reicht es, einen Punkt dieses neuronalen Netzes zu aktivieren, damit so die Aktivität die anderen Bestandteile des Netzwerkes automatisch erreicht.

Kinder als Vorbilder
"Wenn jemand beim Lernen von Vokabeln gestikuliert, dann ähneln bei ihm die im Gehirn mit dem Wort verbundenen Muster ein wenig mehr jenen, die wir als Kinder beim Lernen unserer Muttersprache entwickelt haben", so Macedonia. Ein Kind setzt sich mit dem Gegenstand, wie zum Beispiel einem Stück Obst, mehr auseinander. Es fasst es an, spürt es und kostet es. "Die Gehirnbereiche, die durch Wahrnehmung und Interaktion mit dem Obst gleichzeitig aktiviert werden, verbinden sich in Folge zu einem umfassenden Netzwerk."
Sprachen erlernen geht auf diese Weise ganz einfach und macht viel Spaß. Die Gesten verankern die Wörter einer Fremdsprache stärker im Gedächtnis. Allerdings ist das menschliche Gehirn nicht mit einer beliebigen Bewegung zufrieden. "Je besser die Geste den Inhalt eines Wortes abbildet, desto effizienter ist sie", betont Macedonia.

Keine Lehrer mehr?
Die Wissenschafterin betont, dass die menschliche Kommunikation eine menschliche Angelegenheit ist und wird deswegen auch weiterhin die Fremdsprachen am besten von Menschen lernen werden. "Gewisse Bereiche aber, wie das Vokabel- oder Aussprachetraining, einfache Kommunikation (Touristenenglisch) oder eben Bereiche der Sprachrehabilitation, die massive Übung brauchen, können durchaus in einer nicht allzu fernen Zukunft mit intelligenten Maschinen stattfinden. Der Agent ist immer da, geduldig und freundlich. Wenn wir Fehler machen, weiß er, was jeder einzelne noch nicht weiß und motiviert uns zum Üben, wenn uns gar nicht danach wäre. Früh oder spät werden wir unsere Billie-App am Smartphone haben und Vokabeln lernen, während wir auf die Straßenbahn warten."

Macedonia ist seit dem Sommersemester 2012 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Wirtschaftsinformatik. Ihre Studien am Max-Planck-Institut für Neurowissenschaften in Leipzig zeigen, wie hilfreich der eigene Körper beim Erlernen von Fremdspachen sein kann. Eine ihrer Fachpublikationen "Body in Mind: How gestures empower foreign language learning*" sorgte für mediale Aufmerksamkeit weltweit. Die Washington Post, Globe and Mail, die größte Zeitung Kanadas, GEO und der Spiegel berichteten über Macedonias spannende Forschungsergebnisse. Der erste Fachartikel zum Thema Sociable agents als Sprachtrainer ist bereits peer reviewed und zur Publikation** akzeptiert. Die Resultate werden im Sommer auf der in Edinburgh stattfindenden 13th International Conference on Intelligent Virtual Agents und auf der 2nd Conference on Embodied Language in Oxford (GB) noch in diesem Jahr präsentiert.

* Macedonia M., Knösche, T.R.
Body in Mind: How gestures empower foreign language learning. Mind, Brain and
Education, 2011. Volume 5, Issue 3, December 2011, pages: 112-128.
**K. Bergmann & M. Macedonia
A Virtual Agent as Vocabulary Trainer: Iconic Gestures Help to Improve Learners' Memory Performance.

 

 

 

Informationen: http://www.macedonia.at

 

 

 

 

 

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