Unendlich ist ungefähr zwei

 

erstellt am
12. 08. 13
14.00 MEZ

Wien (tu) - An der TU Wien wird untersucht, wie die Relativitätstheorie aussieht, wenn man unendlich viele Raumdimensionen annimmt. Erstaunlicherweise ergeben sich daraus Resultate einer 2D-Stringtheorie. Diese Entdeckung soll nun helfen, Schwarze Löcher besser zu verstehen. Immanuel Kant hätte sich gewundert. Er betrachtete den dreidimensionalen Raum als etwas a priori Vorgegebenes, als feststehende Voraussetzung für die Erkennbarkeit der Dinge. Doch in der modernen Physik ist längst der Raum selbst zum Forschungsobjekt geworden – und wie viele Dimensionen er hat, ist alles andere als klar.

Um Schwarze Löcher zu untersuchen rechnet Daniel Grumiller von der TU Wien mit unendlich vielen Raumdimensionen – und stößt dabei auf eine erstaunliche Verbindung zwischen Relativitätstheorie und Stringtheorie. Für seine bisherigen Forschungen erhielt er nun den Förderungspreis für Wissenschaft der Stadt Wien.

Das Wichtigste zuerst – kleine Störungen später
Um in der Physik möglichst exakte Ergebnisse zu bekommen, geht man oft von einem einfachen Fall aus und fügt dann kleinere zusätzliche Störungen mit ins Modell ein: Die Bewegung der Erde um die Sonne lässt sich grob berechnen, indem man zuerst alle anderen Himmelskörper ignoriert, danach fügt man die Störungen durch die großen Planeten hinzu. In der Teilchenphysik berechnet man die Wechselwirkung von wenigen Teilchen und bezieht erst dann weitere Teilchen-Interaktionen als kleine Störung mit ein.

Statt der Anzahl von Himmelskörpern oder Teilchen-Interaktionen kann man auch die Anzahl der Raumdimensionen als Störungs-Größe annehmen. Dort funktioniert das allerdings umgekehrt: Man geht nicht von einer möglichst kleinen Anzahl aus sondern nimmt zunächst unendlich viele Raumdimensionen an, und von diesem Extremfall ausgehend kann man sich dann mathematisch wieder einem realistischeren Fall (etwa mit unseren wohlbekannten drei Raumdimensionen) annähern.

Stringtheorie als Ergebnis der Relativitätstheorie
Gemeinsam mit Kollegen aus Spanien untersuchte Daniel Grumiller die Physik Schwarzer Löcher und verwendete dabei den Trick einer unendlichen Dimensionsanzahl. Allerdings hielt die unendlich-dimensionale Relativitätstheorie eine Überraschung bereit: „Wenn wir damit den Raum in der Nähe eines Schwarzen Loches beschreiben, dann ergibt sich aus den Gleichungen plötzlich eine zweidimensionale Stringtheorie – obwohl wir nirgendwo Strings in unsere Rechnungen eingefügt haben“, erklärt Grumiller.

Dieser Zusammenhang erinnert die sogenannte „AdS-CFT-Korrespondenz“: Diese 1997 aufgestellte Vermutung besagt, dass sich ganz unterschiedliche Theorien (Quanten-Gravitationstheorien und Quantenfeldtheorien) in
bestimmten Grenzfällen aufeinander abbilden lassen – vorausgesetzt man nimmt jeweils die passende Anzahl von Raumdimensionen an. Warum es solche Querverbindungen zwischen scheinbar ganz unterschiedlichen Bereichen der Physik gibt, ist bis heute nicht ganz verstanden.

Ein neuer Rechentrick für Schwarze Löcher
Dass die unendlichdimensionale Relativitätstheorie gerade auf eine zweidimensionale Stringtheorie führt, ist für Daniel Grumiller ganz besonders erfreulich: Seine Forschungsgruppe an der TU Wien beschäftigt sich nämlich schon seit vielen Jahren mit zweidimensionalen Quanten-Gravitationstheorien. „Unsere bereits bestehenden Ergebnisse aus der zweidimensionalen Stringtheorie können wir nun aufgrund dieses neuentdeckten Zusammenhangs verwenden, um Aussagen über Schwarze Löcher abzuleiten“, ist Grumiller zuversichtlich.

Solche zweidimensionalen Theorien sind besonders dort interessant, wo der Raum als kugelsymmetrisch angenommen werden kann – etwa rund um ein nichtrotierendes Schwarzes Loch. Um diese physikalische Situation zu beschreiben, benötigt man nur zwei Dimensionen: Den räumlichen Abstand vom Zentrum des Schwarzen Lochs und die Zeit.

Förderungspreis der Stadt Wien
Für seine bisherigen Forschungen im Grenzgebiet zwischen Gravitations- und Quantentheorien erhielt Daniel Grumiller den Förderungspreis für Wissenschaft der Stadt Wien. Er wird einmal jährlich an Personen vergeben, die bereits ein hervorragendes Gesamtwerk vorweisen können, das 40. Lebensjahr allerdings noch nicht vollendet haben.

 

 

 

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