Das Rote Wien im Waschsalon Karl-Marx-Hof

 

erstellt am
07. 08. 13
14.00 MEZ

"… man lebt von Tag zu Tag dahin und weiß nicht, warum" Die Arbeitslosen von Marienthal – Sonderausstellung von 12. 9. 2013 bis 1. 5. 2014
Wien (gamuekl) - Wirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit, Protestbewegungen - Europa erlebt gerade ein Déjà-vu. Welche Folgen lang andauernde Arbeitslosigkeit hat, wurde erstmals vor 80 Jahren wissenschaftlich erforscht: in der Studie "Die Arbeitslosen von Marienthal".

1930 musste die Textilfabrik "Marienthal" südlich von Wien infolge der Wirtschaftskrise schließen. Aus 1.300 ArbeiterInnen wurden 1.300 Arbeitslose. 15 junge WissenschaftlerInnen machten sich - auf Anregung Otto Bauers - auf, das Phänomen der Arbeitslosigkeit zu ergründen.

Wegweisend an der Marienthal-Studie war die Kombination der angewandten Methoden, von denen viele erst im Laufe der Erhebungen entwickelt wurden. Das Forscherteam erstellte Statistiken und legte Katasterblätter an, führte Befragungen durch und notierte Lebensläufe, analysierte Schulaufsätze und Zeitverwendungsbögen.

"Viele Stunden stehen die Männer auf der Straße herum, einzeln oder in kleinen Gruppen; sie lehnen an der Hauswand, am Brückengeländer. Wenn ein Wagen durch den Ort fährt, drehen sie den Kopf ein wenig; mancher raucht eine Pfeife. Langsame Gespräche werden geführt, für die man unbegrenzt Zeit hat. Nichts muß mehr schnell geschehen, die Menschen haben verlernt, sich zu beeilen."

Die Arbeitslosen von Marienthal. Ein soziographischer Versuch, 1933
Die Studie erschien 1933 in einem Leipziger Verlag. Erst die Neuausgabe im Jahr 1960 machte sie einem größeren Leserkreis zugänglich. Und mit der englischsprachigen Ausgabe 1971 wurde "Die Arbeitslosen von Marienthal" endgültig zum Klassiker der empirischen Sozialforschung.

Auch die an der Studie beteiligten WissenschaftlerInnen - unter ihnen Paul Felix Lazarsfeld und Marie Jahoda, die als junges Ehepaar ab 1929 auch im Karl-Marx-Hof wohnten, sowie Hans Zeisel - machten großteils erst nach dem Zweiten Weltkrieg im Exil Karriere. Die meisten blieben einander zeitlebens verbunden.

"Wir haben als Wissenschaftler den Boden Marienthals betreten: wir haben ihn verlassen mit dem Wunsch, daß die tragische Chance solchen Experiments bald von unserer Zeit genommen werde."

Unter den Schlussfolgerungen der Marienthal-Studie ist jene der "müden Gemeinschaft" von besonderer Brisanz. Marie Jahoda brachte es 1981 auf den Punkt:
"Arbeitslosigkeit führt zur Resignation, nicht zur Revolution."

Es ist eine Reihe von (Sonder)Veranstaltungen geplant.

 

 

 

Informationen: http://dasrotewien-waschsalon.at

 

 

 

 

 

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