Wichtiger Schutzmechanismus vor Arthrose entdeckt

 

erstellt am
06. 08. 13
14.00 MEZ

Graz (med-uni) - Es ist schon länger bekannt, dass Arthrose Patienten vermehrt Sphingosin-1-Phosphat (S1P), ein Signalmolekül mit vielfältigen intra- wie extrazellulären Funktionen, in ihrer Gelenksflüssigkeit haben. Was das für den Gelenksknorpel bedeutet, war bisher aber völlig unklar. Wissenschafter der Med Uni Graz konnten nun zeigen, dass S1P der knorpelschädigenden Wirkung von entzündungsfördernden Botenstoffen entgegenwirkt. Das funktioniert allerdings nur dann, wenn die Knorpelzellen auch den "richtigen" Rezeptor für S1P haben. Knorpelzellen die diesen Rezeptor nicht besitzen, sind für die knorpelschützende Wirkung von S1P nicht empfänglich.

Arthrose - Zwei Drittel der über 65 Jährigen leiden an der Gelenkserkrankung
Die Arthrose ist die weltweit häufigste Gelenkserkrankung und führt zu deutlichen Behinderungen, zB. am Knie und am Hüftgelenk, wobei grundsätzliche alle Gelenke von arthrotischen Veränderungen betroffen sein können. Beschwerden auf Grund von Abnutzungserscheinungen von Gelenken sind eine der häufigsten Ursachen für einen Arztbesuch. Die medikamentöse Therapie der Arthrose ist derzeit noch recht unspezifisch und besteht in erster Linie aus der Verabreichung von schmerzlindernden und entzündungshemmenden Arzneimitteln. Voraussetzung für die Entwicklung neuer Medikamente, die ganz gezielt in die an der Arthrose beteiligten Prozesse eingreifen und die Knorpelzerstörung stoppen können, ist eine genaue Kenntnis der Vorgänge, die dem Krankheitsbild zugrunde liegen. Ein zentrales Element sind dabei chronische Reizungen, die im Gelenk zur Freisetzung verschiedenster knorpelschädigender Entzündungsfaktoren führen. Der bekannteste dieser Botenstoffe ist Interleukin-1, IL-1. Dieser und andere entzündungsfördernde Botenstoffe lösen in den Knorpelzellen eine Reihe von Vorgängen aus, die unter anderem die Ausschüttung von Stickstoffmonoxid (NO) zur Folge haben. NO ist ein wichtiger körpereigener Botenstoff, der vor allem für seine gefäßerweiternde Wirkung bekannt ist. Im Gelenk ist ein Übermaß an NO aber von Nachteil, da Sauerstoffradikale zunehmen und langfristig das Knorpelgewebe schädigen.

Vermehrte Bildung von S1P in entzündeten Gelenken
Die internistischen Rheumatologen und Orthopäden der Med Uni Graz gingen nun der Frage nach, wie das Lipidmolekül S1P diese Regelkreisläufe beeinflusst. S1P ist ein Hormon, das an vielen physiologischen Vorgängen beteiligt ist und auch in der Gelenksflüssigkeit von gesunden Gelenken zu finden ist. Interessant ist die Substanz deshalb, weil sie in entzündeten oder chronisch gereizten Gelenken vermehrt gebildet wird und bestimmte Vorgänge innerhalb der Knorpelzellen beeinflussen kann. Als Untersuchungsmaterial diente den Forschern Knorpelgewebe von Patienten, die wegen fortgeschrittener Arthrose des Kniegelenks eine Gelenksprothese erhielten. "Wir hatten dabei die Möglichkeit, Knorpelzellen aus gesunden und erkrankten Arealen des selben Gelenks zu vergleichen", berichtet Dr. Martin Stradner, Klinische Abteilung für Rheumatologie und Immunologie, derzeit Erwin-Schrödinger-Stipendiat an der University of California, San Diego. "Ein überraschender Nebenaspekt war, dass sich die Knorpelzellen aus erkranktem Knorpel auch in der Zellkultur deutlich von gesundem Knorpel unterschieden."

S1P als körpereigener Schutzmechanismus vor Arthrose
In der im renommierten Journal "Arthritis & Rheumatism" veröffentlichen Studie konnten einige für das Verständnis der Arthroseentstehung grundlegende Fragen geklärt werden. Das wichtigste Ergebnis: S1P ist in der Lage, dem Teufelskreis der knorpelschädigenden Entzündungsfaktoren entgegenzuwirken und die durch Interleukin-1 induzierte Bildung von knorpelabbauenden Stoffen zu hemmen. "Wir konnten zeigen, dass S1P die Aktivierung eines kritischen IL-1 Signalweges verhindert", erläutert Dr. Stradner. Allerdings reagierten die kultivierten Knorpelzellen recht unterschiedlich auf den Zusatz von S1P. Verantwortlich dafür waren verschiedene S1P-Rezeptor-Subtypen. "Menschliche Knorpelzellen können vier verschiedene Typen von S1P-Rezeptoren besitzen. Am wichtigsten sind Typ 1 und Typ 2", so der Rheumatologe. "Typ 2-Rezeptoren verhindern das Ausstoßen von knorpelschädigendem NO, Typ 1-Rezeptoren tun das nicht. Wie stark Knorpelzellen auf S1P reagieren, hängt also davon ab, ob sie mehr Typ 1- oder Typ 2-Rezeptoren haben."

Interessant sind diese Ergebnisse auch deshalb, weil es mit Fingolimod bereits einen S1P-Aktivator gibt, der klinisch zum Einsatz kommt. Das Medikament wirkt immunsuppressiv und ist für die Multiple Sklerose zugelassen. Eine spannende Frage, die es noch in Folgestudien zu klären gilt ist, wie die S1P-Menge im Gelenk reguliert wird. Hier könnte sich innerhalb weniger Jahre ein weiterer Behandlungsansatz der Arthrose ergeben.

 

 

 

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