Alpbacher Perspektiven 2013

 

erstellt am
21. 08. 13
14.00 MEZ

Hochhauser: „Wenn den Lehrlingen alle Wege des Bildungssystems offen stehen, profitieren auch unsere Betriebe“
Alpbach/Wien (pwk) - In einer Welt des globalen Wettbewerbs und schnellen technologischen Fortschritts ist es unerlässlich, Arbeitskräfte bestmöglich auszubilden. Einige europäische Länder haben höhere berufsbildende Systeme entwickelt, die Fachkräften eine „hochschulische Ausbildung“, die auf höhere berufliche Positionen vorbereitet, ermöglichen. In Österreich wird das große Potential dieser Systeme, die das traditionelle Hochschulwesen ergänzen, noch nicht ausgenützt. Im Rahmen der Alpbacher Perspektiven 2013 wurde im Arbeitskreis „Höhere Berufsbildung in Europa: Wie kommen wir voran?“ diskutiert, ob bestehende Modelle nach Österreich übertragen werden könnten, um unser Bildungssystem flexibler zu machen.

„Dank der bedarfsnahen und praxisorientierten dualen Ausbildung verfügen Österreichs Unternehmen über hervorragend ausgebildete Fachkräfte. Die heimischen Betriebe sind Ausbildungsweltmeister und unser Land hat nicht zuletzt aufgrund dieses positiven Standortfaktors die Wirtschaftskrise besser überstanden als andere Länder“, betonte WKÖ-Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser.

Wegen der demografischen Entwicklung und des Trends zu höherer Bildung sei aber zu befürchten, dass sich die Zahl der Lehrlinge in Zukunft signifikant verringert und Österreichs Wirtschaft ein Fachkräftemangel droht. „Die Zahl der Lehranfänger droht in den nächsten Jahren von derzeit fast 40.000 auf 24.000 abzusinken. Der Wirtschaftsstandort ist dadurch ernsthaft in Gefahr. Daher muss die Berufsbildung in Österreich weiterhin attraktiv bleiben und gestärkt werden. Es bedarf auch einer Weiterentwicklung im hochschulischen Bildungssektor, wie es das Konzept ‚Berufsakademie’ der Wirtschaftskammer vorsieht“, so Hochhauser.

Ziel der Berufsakademie ist, beruflich Qualifizierten und LehrabsolventInnen die Durchlässigkeit zu Weiterbildung auf Hochschulebene zu ermöglichen. Das Studium soll vier Semester dauern und berufsbegleitend angeboten werden. Durch die Kooperation einer Fachhochschule der Wirtschaft mit den WIFIs soll für Lehrabsolventen flächendeckend die Chance geschaffen werden, direkt vor Ort ohne lange Anfahrtswege studieren zu können. Befragungen und Studien haben ergeben, dass ein Potential von jährlich 5.000 bis 6.000 Studierenden besteht. „Das Studium an der Berufsakademie soll privat finanziert werden und den Staat nicht belasten“, skizzierte die WKÖ-Generalsekretärin die Vorteile: „Bereits 2014 soll der erste Lehrgang der Berufsakademie starten, langfristig verfolgen wir weiterhin die Forderung eines weiterführenden Bachelor- und Masterstudiums.“

„Österreich hat traditionell ein wenig durchlässiges Bildungssystem, in dem die abgebende und nicht die aufnehmende Institution entscheidet, welcher Bildungsweg dem Studierenden offen steht“, betonte Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle. Hier sei eine Bewusstseinsänderung nötig, ein Kulturwandel sei bereits im Gange, aber noch nicht weit gediehen. Weiters sprach sich auch Töchterle dafür aus, das Image der Lehre „werthaltiger“ zu machen. „Allerdings schafft ein Fünftel der Lehrlinge den Lehrabschluss nicht, weil die Grundkompetenzen fehlen. Um dieses Fünftel müssen wir uns bemühen, damit sie die nötigen Fähigkeiten im Schreiben, Lesen und Rechnen erreichen“, zeigte sich der Wissenschaftsminister besorgt, aber auch zuversichtlich, „dass die Lehrerbildung Neu hier einiges bewirken wird.“

Gegenüber dem Modell der Berufsakademie, wie von Hochhauser vorgeschlagen, zeigte sich Töchterle aufgeschlossen. Die Arbeitsgruppe im Ministerium, in der sowohl Hochschulvertreter als auch Sozialpartner vertreten sind, sei allerdings noch zu keinem positiven Ergebnis gekommen. Für ihn sei das Thema jedenfalls noch nicht abgehakt, bekräftigte der Wissenschaftsminister und versprach, sich in weiteren Sitzungen der Arbeitsgruppe persönlich einzubringen.

„Im österreichischen System gibt es tolle Ausbildungsmodule, wir stehen nicht schlecht da, könnten aber die Allerbesten sein. Die Voraussetzungen dafür hätten wir“, betonte SPAR AG-Vorstand Friedrich Poppmeier: „Auch für die Lehrabsolventen bei SPAR gilt: Professionelle Ausbildung ist ein wirtschaftlicher Schlüsselfaktor. Unsere Lehrlinge müssen sich weiterbilden und ein Kundenverständnis entwickeln, um im Unternehmen aufsteigen zu können.“ Der Bedarf für eine Einrichtung wie die Berufsakademie und ein Masterstudium Handelsmanagement sei, so Poppmeier, jedenfalls da. Im Sinne einer optimalen Work/Life-Balance sei es auch wünschenswert, wenn sich gut ausgebildete Mitarbeiter weiter entwickeln und die Fähigkeiten erwerben, um im Laufe ihres Arbeitslebens verschiedene Aufgaben im Unternehmen zu übernehmen.

Landmaschinentechniker Helmut Scheidl, Goldmedaillen-Gewinner bei der Berufs-Europameisterschaft 2012 und im Alter von 24 bereits mit dem Meisterbrief ausgestattet, zeigte sich begeistert von der Idee, dass Lehrabsolventen, die einen Beruf „von der Pike auf gelernt haben“, jederzeit auch akademische Wege offen stehen, um sich beruflich weiter zu entwickeln.

 

 

 

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