Nein zum "Größenwahn auf Rädern"

 

erstellt am
19. 09. 13
15.00 MEZ

Gemeinsame Initiative gegen Gigaliner
Wien (bmvit) - Am 17.09. hat der Verkehrsausschuss des Europäischen Parlaments zum ersten Mal den Kommissionsvorschlag zur grenzüberschreitenden Zulassung von Gigalinern diskutiert. In dem Hearing hat sich gezeigt: Viele Experten warnen vor hohen Kosten, die die Allgemeinheit zu tragen haben würde, nur Frächterorganisationen und Fahrzeugherstellen sind für die Megatrucks. Verkehrsministerin Doris Bures und der EU-Abgeordnete der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) Jörg Leichtfried setzen sich auf allen Ebenen gegen die Zulassung der Riesen-Lastkraftwagen (Lkw) ein.

In einer Pressekonferenz am 19.09. betonte Verkehrsministerin Doris Bures, "dass Gigaliner in absolutem Widerspruch zu den europäischen und österreichischen Zielen einer nachhaltigen Verkehrspolitik stehen". Sie verweist auf das aktuelle Weißbuch Verkehr der Europäischen Union (EU). Hier hat sich die Kommission noch auf das Ziel verpflichtet, bis 2030 auf Strecken, die länger als 300 Kilometer (km) sind, 30 Prozent des Straßengüterverkehrs auf die umweltfreundliche Schiene zu verlagern. Bures: "Mir geht es um umweltfreundlichen Verkehr, und damit um Umweltschutz, Klimaschutz, Schutz der Bevölkerung vor Lärm, Stau und Abgasen und um Verkehrssicherheit. Das heißt, Vorrang für die umweltfreundliche Bahn - Nein zum Größenwahn auf Rädern!"

Jörg Leichtfried, SPÖ-EU-Abgeordneter und Chefverhandler im Europäischen Parlament für die Richtlinie, sagte: "Es wird deutlich, dass mit diesem Richtlinienvorschlag nur wirtschaftliche Interessen verfolgt werden und sich die Kommission dem Druck der Lobbyisten beugt. Weder für die Umwelt noch für die Bürgerinnen und Bürger, die hohe Folgekosten zu tragen hätten, bringt der Einsatz der Monster-Lkws Vorteile."

Bisher sind die Riesen-Lkws (Länge von über 25 Metern und einem Gewicht bis zu 60 Tonnen) nur in Teilen Skandinaviens und den Niederlanden zugelassen sowie zu Testzwecken auch in einigen Bundesländern Deutschlands. Geht es nach dem Willen der EU Kommission, so sollen künftig überlange Lkws auch Grenzen passieren dürfen.

Der Vorschlag der Kommission, die Gigaliner über Grenzen fahren zu lassen, wird und wurde von Österreich bisher konsequent abgelehnt und vehement bekämpft. Dass nun ausgerechnet der österreichische EU-Kommissar Hahn (Österreichische Volkspartei (ÖVP)) für die Zulassung von Riesen-Lkws lobbyiert und das mit Umweltschutz, Verkehrssicherheit und Energieeffizienz argumentiert, ist für Verkehrsministerin Bures völlig unverständlich.

Wörtlich schreibt Hahn in seinem Brief an den Bundesrat: "Das Hauptziel der vorgeschlagenen Änderung besteht darin, die Energieeffizienz zu steigern, die Treibhausgasemissionen zu senken und die Sicherheit im Personen- und Güterverkehr auf der Straße zu erhöhen." Dazu Bures: "Alle unsere Studienergebnisse zeigen das Gegenteil: Gigaliner bedeuten weniger Verkehrssicherheit, enorme Kosten für die Infrastruktur und Rückverlagerung vom Schwerverkehr auf die Straße", so Bures. Sie erneuert ihre Aufforderung an die ÖVP, sich zu den klaren Zielsetzungen der österreichischen und europäischen Verkehrspolitik zu bekennen.

"Die Kommission beruft sich auf innerstaatliche Einzelversuche, die sich nicht auf andere Länder umlegen lassen. Sie hat es aber nicht für nötig gehalten, eine Folgenabschätzung für den grenzüberschreitenden Verkehr von Gigalinern durchzuführen. Dieser Punkt wird auch von vielen EU-Parlamentariern anderer Parteien kritisiert", erklärt Leichtfried. Denn zahlreiche Studien belegen, dass die negativen Auswirkungen überwiegen.

Im Hearing im Europäischen Parlament wurde am Beispiel Schweden gezeigt, wie stark und unmittelbar die Auswirkung auf den Schienengüterverkehr ist. Schweden hat seit 1970 längere und schwerere Lkws zugelassen, mit zunächst 24 Meter (m) Länge und 51 Tonnen (t) Höchstgewicht. In den frühen 90ern wurde das Höchstgewicht auf 56 t und dann auf 60 t erhöht, 1996 die maximale Länge auf 25,25 m ausgeweitet. Unmittelbare Folge: Binnen weniger Jahre verlor die Bahn mehr als zehn Prozent ihrer Transportleistung, der Schwerverkehr auf der Straßen nahm um mehr als zehn Prozent zu.

Voller Einsatz gegen grenzüberschreitende Zulassung
Verkehrsministerin Doris Bures setzt sich seit Beginn ihrer Amtszeit in den EU-Ministerräten, in bilateralen Treffen mit europäischen VerkehrsministerInnen, im Rahmen der Alpenministerinnen- und - ministerkonferenz und im direkten Kontakt mit der Kommission gegen EU-weite Zulassung der Megatrucks ein.

Heuer hat sie sich persönlich an die irische und die lettische EU-Präsidentschaft gewandt, mit dem Ersuchen, den Vorschlag der Kommission zurückzustellen. So viel steht jetzt schon fest: Das Dossier wird von litauischer Präsidentschaft nicht mehr behandelt, so wie es im ersten Halbjahr auch die irische Präsidentschaft nicht auf die Tagesordnung genommen hat. Ein Schreiben an die griechische Präsidentschaft, die mit Jahreswechsel übernimmt, ist bereits in Vorbereitung.

Und Österreich bemüht sich um Bündnispartner in der EU. Denn auch Polen, Slowenien, Tschechien, Slowakei und Ungarn stehen dem Vorschlag der Kommission sehr kritisch gegenüber. Das Ziel der Verkehrsministerin: Sie will alles tun, um eine Sperrminorität im Verkehrsministerrat zu erreichen, sollte es zu einer Abstimmung über den Richtlinienvorschlag der Kommission kommen.

Die Studien zu den Auswirkungen von Gigalinern auf Infrastruktur, Verkehrssicherheit und Schienengüterverkehr werden derzeit aktualisiert, und zwar im Hinblick auf die aktuelle Fragestellung, dass für Gigalinern im grenzüberschreitenden Einsatz das Gewichtslimit bei 40 Tonnen bleibt und die Länge bis zu 25,25 Meter ausgeweitet wird. Die Studien sind noch nicht endgültig fertig, aber erste Ergebnisse zeigen: Auch bei einer reinen Anhebung der Abmessung und gleichbleibendem Gewicht sind die Auswirkungen auf Verkehrssicherheit, Infrastrukturkosten und Bahngüterverkehr negativ. Sobald die Endergebnisse vorliegen, wird die Verkehrsministerin die Studien wieder dem Europäischen Parlament und der Kommission zur Verfügung stellen.

Leichtfried schlägt umfangreiche Änderungen vor
In einem ersten Berichtsentwurf (Arbeitspapier) hat Jörg Leichtfried bereits umfangreiche Änderungen am Kommissionstext vorgeschlagen. Neben einer klaren Ablehnung des grenzüberschreitenden Einsatzes von Megatrucks fordert der Berichterstatter unter anderem verpflichtende neue Sicherheitsmaßnahmen für alle Lkws. Skeptisch steht er mittlerweile auch den von der Kommission vorgeschlagenen aerodynamischen Fahrzeuganpassungen gegenüber. Diese seien nämlich bereits in EU-Rechtsvorschriften zur Typengenehmigung geregelt.

"Es entsteht der Eindruck, dass die Kommission mit ihrem überhasteten Vorschlag vom eigentlichen Kernanliegen - nämlich dem grenzüberschreitenden Einsatz von Gigalinern - ablenken will", so Leichtfried. Der vollständige Berichtsentwurf wird am 5. November im Europäischen Parlament vorgestellt, die Abstimmung im Verkehrsausschuss ist für den Februar 2014 geplant.

Auswirkung der Gigaliner auf Infrastruktur, Verkehrssicherheit und Kombinierten Verkehr

  • Milliardenkosten für Straßeninfrastruktur: 5,4 Milliarden Euro würden in Österreichs Autobahnen und Schnellstraßen investiert werden müssen, um sie für die 60 Tonnen schweren und 25 Meter langen Megatrucks aufzurüsten. Brücken und Tunnel, die in Österreich einen überproportional hohen Anteil von 15 Prozent des hochrangigen Straßennetzes ausmachen, müssten speziell verstärkt beziehungsweise adaptiert werden, zum Beispiel im Hinblick auf Tragfähigkeit, Tunnelsicherheit und Brandschutz. Dazu kommen Rückhaltesysteme und Pannenbuchten die nicht für die überschweren und überlangen Lkws ausgelegt sind.
  • Riesen-Lkws als Sicherheitsrisiko für andere Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer: Das Unfallrisiko nimmt zu, die Schwere von Unfällen und damit der Verletzungen steigt. Das Risiko für Pkw-Fahrer, bei einem Unfall mit einem 60-Tonnen-Lkw getötet zu werden, ist viermal so hoch wie bei einer Kollision mit einem 40-Tonner. Das Überholen dauert für Pkw-Lenkerinnen und -Lenker länger und wird gefährlicher.
  • Existenzielle Gefährdung für die Güterbahnen in ganz Europa: Der kombinierte Verkehr würde bei EU-weiter Zulassung von Gigalinern rund 75 Prozent seines Volumens verlieren - eine wirtschaftliche Bedrohung für jede europäische Güterbahn.

 

 

 

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