Benes-Dekrete: Österreich setzt auf
 Dialog mit Tschechien

 

erstellt am
27. 09. 13
15.00 MEZ

Spindelegger will Aufarbeitung bilateral begleiten
Wien (pk) - Österreich will die Problematik der Benes-Dekrete weiterhin bilateral behandeln und setzt dabei vor allem auch auf eine Intensivierung des historischen Dialogs mit Tschechien. In einem Bericht an das Parlament tritt Außenminister Michael Spindelegger in diesem Sinn für eine partnerschaftliche Herangehensweise ein und betont, diese sei am besten geeignet, günstige Rahmenbedingungen für eine sachliche Aufarbeitung der Vergangenheit unter angemessener Berücksichtigung der legitimen Interessen der Vertriebenen zu schaffen.

Viele Bestimmungen problematisch und völkerrechtlich inakzeptabel
Das Papier, das in Entsprechung einer Entschließung des Nationalrats über die Bemühungen der letzten zehn Jahre in den bilateralen Beziehungen mit Tschechien und der Slowakei in der Frage der Aufarbeitung der Benes-Dekrete informiert, schickt zunächst voraus, dass aus österreichischer Sicht eine Reihe von Regelungen der die deutschsprachige Volksgruppe betreffenden Dekrete höchst problematisch sind. Viele Bestimmungen seien zudem auch im Lichte heute allgemein anerkannter völkerrechtlicher und menschenrechtlicher Standards nach wie vor inakzeptabel. Österreich habe Tschechien und die Slowakei stets auf die problematischen Aspekte der Dekrete hingewiesen und die Frage der Weitergeltung auch in den EU-Beitrittsverhandlungen der beiden Staaten zur Sprache gebracht. Zwei Rechtsgutachten der Europäischen Union seien aber zum Schluss gekommen, dass die Benes-Dekrete aus Sicht des EU-Rechts kein Beitrittshindernis darstellen, da das EU-Recht keine rückwirkende Geltung habe. Österreich habe sich daraufhin vorbehalten, diese Fragen weiterhin bilateral zu behandeln.

Bilaterale Kontakte führten zu Bewegung auch auf tschechischer Seite
Die ständigen Kontakte haben nun, wie der Bericht erinnert, dazu geführt, dass sich tschechische Politiker vermehrt kritisch zur Vertreibung und den dabei begangenen Verbrechen geäußert haben, so zuletzt etwa Ministerpräsident Necas. Österreich habe aber gleichzeitig immer wieder betont, dass eine effektive Vergangenheitsbewältigung durch die tschechische Gesellschaft selbst erfolgen müsse. Tatsächlich seien in letzter Zeit in der tschechischen Öffentlichkeit Diskussionen möglich geworden, die noch vor einigen Jahren undenkbar waren.

Österreich für partnerschaftliche Aufarbeitung der Vergangenheit
Der Bericht spricht in diesem Zusammenhang auch die österreichischen Erfahrungen mit der Vergangenheitsbewältigung an und betont, eine klare Vorstellung über historische Vorgänge würde eine politische Behandlung der Folgen dieser Ereignisse stark erleichtern. Für eine zukunftsorientierte Partnerschaft sei es zudem auch notwendig, über das Gedenken hinaus gerade auch jene Ereignisse zu beleuchten, in deren Interpretation die Länder nicht unbedingt übereinstimmen. Wie Außenminister Spindelegger in dem Bericht unterstreicht, wird sich Österreich auch weiterhin partnerschaftlich in die Fortführung der konstruktiven und zeitgemäßen Aufarbeitung der schwierigen und kontroversen Kapitel der über weite Strecken gemeinsamen Geschichte einbringen, dies auch, um zu verhindern, dass die Schatten der Vergangenheit nicht mehr in die Gegenwart hineinreichen. Als Beitrag zu einer partnerschaftlichen Herangehensweise bei der Aufarbeitung der Problematik der Benes-Dekrete wertet der Bericht auch die Arbeiten der gemeinsamen Historikerkommission, die im September 2009 eingerichtet wurde. Ziel ist dabei die Erstellung eines Gemeinsamen Geschichtsbuchs, das, wie Spindelegger meint, durch entsprechende Aufarbeitung auch der Problematik der Benes-Dekrete ein weiterer, nachhaltig wirkender Schritt in der gesellschaftlichen Diskussion in Tschechien und Österreich über den richtigen Umgang mit der Vertreibung und ihrem historischen Umfeld sein kann.

Situation in der Slowakei nicht mit jener in Tschechien vergleichbar

Die Situation in der Slowakei wiederum sei mit jener in Tschechien nicht vergleichbar, gibt der Bericht zu bedenken und weist vor allem auf die zahlenmäßigen Dimensionen hin. Während im Gebiet der heutigen Tschechischen Republik 1938 rund 3 Millionen Deutschsprachige lebten, waren dies im Gebiet der heutigen Slowakei bloß 130 000. Opfer der Benes-Dekrete waren überdies primär die Angehörigen der ungarischen Volksgruppe, die allerdings nicht vertrieben wurden und in den 90er Jahren in den Genuss von Restitutionsmöglichkeiten kamen. Österreich beobachte zwar auch die Entwicklungen in der Slowakei genau, da dort aber der Diskurs vornehmlich in Bezug auf die ungarische Minderheit geführt wird, habe man hinsichtlich der Aufarbeitung der historischen Ereignisse vor allem den Dialog mit der Tschechischen Republik gesucht, heißt es im Bericht.

 

 

 

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