Euphorie und Unbehagen

 

erstellt am
24. 09. 13
15.00 MEZ

Das jüdische Wien und Richard Wagner – von 25. September 2013 bis 16. März 2014 im Jüdischen Museum Wien, Palais Eskeles
Wien (rk) - Das Jüdische Museum Wien, ein Museum der Wien Holding, setzt sich anlässlich des 200. Geburtstags von Richard Wagner mit seiner widersprüchlichen Wirkungsgeschichte auseinander. Im Fokus der Ausstellung liegt Wien, das sehr früh ein Zentrum des Wagner-Kults wurde. Hier lebten viele jüdische Wagnerianer, aber auch seine schärfsten Kritiker. Ausgehend von der Leidenschaft für und wider Richard Wagner, werden sowohl der moderne Antisemitismus des 19. und frühen 20. Jahrhunderts als auch die Wirkung Wagners auf Kunst und Kultur der Wiener Jahrhundertwende und auf Adolf Hitler und das NS-Regime thematisiert. Letzten Endes geht es aber auch um die Frage nach der heutigen Wagner-Rezeption - auch und vor allem in Israel.

Wien als Zentrum des Wagner-Kults
Wien, als wichtiger Angelpunkt der Musikkultur, wurde sehr früh zum Zentrum des Wagner-Kults. Speziell in Wien waren außerordentlich viele jüdische Wagnerianer engagierte Verfechter seines Werks, aber auch seine sarkastischen Kritiker, wie Eduard Hanslick, der prominente Musikkritiker der Neuen Freien Presse, und der jüdische Feuilletonist Daniel Spitzer, lebten in Wien. Wagners Werk inspirierte nichtjüdische Künstler und Intellektuelle ebenso wie deklarierte Antisemiten und - unter naiver Ausblendung beziehungsweise Umdeutung der antisemitischen Botschaften - einflussreiche jüdische Intellektuelle wie Theodor Herzl oder Otto Weininger. Besondere Auswirkung hatte Wagners musikalisches Schaffen auf Komponisten wie Gustav Mahler, Arnold Schönberg und Alexander von Zemlinsky, die als (jüdische) Protagonisten der neuen Musik Wagners kompositorische Neuerungen in ihrem Werk reflektierten.

Wagners Musik als politisches Instrument
Ausgehend von der Liebe zum Komponisten und dessen Verehrung, die sich für seine jüdischen Anhänger letzten Endes als "Falle" herausstellen sollte, wird sowohl der moderne Antisemitismus des 19. und frühen 20. Jahrhunderts als auch die Wirkung Wagners auf Kunst und Kultur der Wiener Jahrhundertwende und - weit darüber hinaus - auf Adolf Hitler und das NS-Regime im Rahmen der Ausstellung thematisiert. Adolf Hitlers enorme Begeisterung für Wagner und sein Werk ist allgemein bekannt. Wagners Oper "Rienzi" gab Hitler nach eigenen Aussagen einen entscheidenden Impuls für seinen weiteren politischen Werdegang und ab 1933 wurden sogar die Bayreuther Festspiele "zur Sache des Führers" selbst gemacht. Wagners Werke spiegelten auf gewisse Weise die Fantasievorstellungen eines totalitären Staates wider - Hauptkontrollinstrument war die Musik. Durch die Verwendung von Leitmotiven wurde die Musik zum primären, erzählenden Medium bei Wagner, womit es ihm gelang mit künstlerisch anspruchsvoller Musik bereitere Massen zu erreichen. Richard Wagner hatte früh das versteckte politische und gesellschaftliche Potenzial in der Kunst erkannt. Das und das von Wagner propagierte Bild einer "reinen" und "gesunden" nationalen Gemeinschaft schufen einen idealen Nährboden für antisemitische Sichtweisen.

Ambivalenz in der Beziehung Wagners und den Juden
Zu Wagners Lebzeiten, als seine Musik besonders populär und viele seiner Anhänger Juden waren, war Antisemitismus eine allgegenwärtige, unausweichliche Realität für viele und nicht einmal besonders umstritten. Zahlreiche jüdische Wagnerianer glaubten jedoch an die erlösende und über all dem stehende Kraft von Kunst und Kultur - eine Hoffnung die spätestens unter dem Regime der Nationalsozialisten bitter zerstört wurde. Diese Ambivalenz in der Beziehung Wagners und den Juden ist einer der zentralen Themenbereiche der Ausstellung im Jüdischen Museum Wien.

Wagner Rezeption heute
Letzten Endes stellt das Jüdische Museum Wien auch die Frage nach der heutigen Wagner-Rezeption - vor allem in Israel. Aufführungen der Werke Wagners sind in Israel bis heute verboten, was nach wie vor zu Diskussionen führt. In Israel ist zweifellos ein Hauptgrund für das Aufführungsverbot von Opern Richard Wagners darin zu suchen, dass der Antisemitismus der Person Wagners in Verbindung mit der spezifischen Rezeption Wagners und seines Werks in der nationalsozialistischen Ideologie und im Kulturleben des Dritten Reichs zentrales Argument sind und die israelische Kulturpolitik auf die Gefühle von israelischen Schoa-Überlebenden Rücksicht nehmen möchte, allen Bemühungen prominenter Künstlerpersönlichkeiten wie Zubin Mehta oder Daniel Barenboim zum Trotz.

Zweisprachiger Katalog zur Ausstellung
Zur Ausstellung erscheint ein zweisprachiger Katalog im Metro-Verlag mit zahlreichen Abbildungen zum Preis von 29,90 Euro und ist ab sofort im Bookshop Singer im Museum Dorotheergasse oder per E-Mail unter info@jmw.at erhältlich.

Kuratorin: Andrea Winklbauer
Wissenschaftliche Beratung: Leon Botstein und Hannes Heer
Ausstellungsgestaltung: Bernhard Denkinger

 

 

 

Informationen: http://www.jmw.at

 

 

 

 

 

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