Endlich volle Bewegungsfreiheit in virtuellen Welten

 

erstellt am
24. 09. 13
15.00 MEZ

Wie kann man sich im Laufschritt durch computergenerierte 3D-Welten bewegen uns trotzdem am selben Platz bleiben? Ein Team der TU Wien löst dieses Problem nun mit ihrem „Virtualizer“.
Wien (tu) - 3D-Brillen, die je nach Blickrichtung das passende Bild anzeigen und so ein realistisches Raumempfinden in einer Computerwelt ermöglichen, sind bereits im Handel erhältlich. Doch wie man sich dann zu Fuß durch diese virtuellen Welten hindurchbewegen kann, ohne irgendwann an die sehr realen Wände des eigenen Wohnzimmers zu stoßen, war bisher ein ungelöstes Problem. Einem Forschungsteam der TU Wien gelang es nun, einen „Virtualizer“ zu bauen, der ein beinahe natürliches Gehen durch computergenerierte Welten ermöglicht. Fixiert in einem Gurt lässt man die Füße über eine reibungsarme Oberfläche gleiten. Sensoren registrieren die Bewegung und geben die Daten an den Computer weiter. Schon 2014 soll das Gerät auf den Markt kommen.

Youtube-Video: http://www.youtube.com/embed/xNj2raXBeV0?rel=0

Digitalisierte Beinbewegungen

Bisher gab es unterschiedliche Ideen, die Bewegungen eines Menschen für den Computer aufzuzeichnen, um einen Gang durch virtuelle Welten zu simulieren. Man kann Marker am Körper verwenden, die von Kameras registriert werden – so funktioniert auch Motion Capture für Trickfilme. Allerdings benötigt man dafür teures Equipment und ist auf einen Raum überschaubarer Größe beschränkt. Prototypen, bei denen man sich auf Rollen oder auf Fließbändern bewegt, lieferten keine wirklich zufriedenstellenden Ergebnisse.

Der Trick: Gleiten über glatten Boden
Tuncay Cakmak, ein Student an der TU Wien hatte eine viel bessere Idee: Wenn man die Füße bei jedem Schritt über eine glatte, reibungsarme Oberfläche gleiten lässt, sind sehr natürliche Gehbewegungen möglich ohne sich jemals vom Platz zu bewegen. Er entwickelte gemeinsam mit einigen weiteren Studierenden und dem Virtual-Reality-Experten Hannes Kaufmann (Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme, TU Wien) den „Virtualizer“.

Im Metallgestell des Virtualizers wird man mit einem Gurt festgehalten. Über diesen Gurt werden beliebige Körperdrehungen registriert. Im glatten Boden sind Sensoren integriert, die jeden Schritt elektronisch aufzeichnen. „Ein bisschen Übung ist notwendig, bis man sich auf die geringe Reibung am Boden eingestellt hat“, meint Tuncay Cakmak, „doch bald schafft man es, auf sehr natürliche Weise am Stand über die glatte Sensoroberfläche zu laufen.“

Laufen, sehen, ducken, springen
Am Kopf trägt man dabei eine handelsübliche 3D-Brille, von der die Blickrichtung des Kopfes jederzeit registriert wird. Sie ist von den Beinbewegungen völlig unabhängig – daher kann man mit dem Virtualizer im Gegensatz zu anderen Geräten gleichzeitig in eine Richtung laufen und in eine andere Richtung schauen.

Wenn man sich bloß mit Keyboard oder Joystick durch die 3D-Welten bewegt, führt das zu einer Diskrepanz zwischen der visuellen Information über die 3D-Brille und dem eigenen Körperempfinden. Damit kommt das Gehirn nicht gut zurecht. „Vielen Leuten wird dann übel, ähnlich wie bei Seekrankheit“, weiß Hannes Kaufmann. Im Virtualizer hingegen bewegt man sich tatsächlich, Motorik und visuelle Empfindung passen daher zueinander. Man bewegt sich mit dem eigenen Körper durch eine virtuelle Welt, fühlt sich dadurch präsenter und kann Distanzen und Größen besser einschätzen. Ganz nebenbei hat die Bewegung auch noch einen sportlichen Trainingseffekt.

Ein weiterer Vorteil des Virtualizers ist die Höhenverstellbarkeit des Gurtes: Wenn man in die Knie geht oder springt bewegt sich der Gurt nach unten oder oben mit, und die Bewegung wird an den Computer weitergegeben. Für Action-Spiele bieten sich so ganz neue Möglichkeiten. „Unser System unterscheidet nicht bloß zwischen aufrecht oder geduckt – die aktuelle Höhe des Gurtes kann als kontinuierlicher Parameter registriert werden“, erklärt Cakmak.

Mit dem Computer wird der Virtualizer über einen gewöhnlichen USB-Anschluss verbunden, seine Daten können dann direkt von Virtual-Reality-Programmen verarbeitet und interpretiert werden. Für das kontinuierliche Ducken und Springen gibt es allerdings noch gar keine wirklich passenden Programme – hier muss die Softwareentwicklung erst der Hardwareentwicklung der TU Wien nachziehen.

Keine akademische Bastelei, sondern markttaugliche Entwicklung
Der Prototyp an der TU Wien ist bereits fast ausgereift – einige kleine Verbesserungen sind noch geplant. Bei der Gamescom, einer großen Gaming-Messe in Köln, sorgte der Virtualizer bereits für großes Aufsehen. „Einige große Firmen haben bereits Interesse angemeldet – uns ist allerdings wichtig, dass die technologische Entwicklung noch in unserer Hand bleibt“, sagt Tuncay Cakmak.

Bereits 2014 möchte das Team den Virtualizer auf den Markt bringen. Wie teuer das Gerät sein wird, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. „In erster Linie muss die Qualität stimmen, aber wir wollen es natürlich möglichst preisgünstig anbieten“, sagt Cakmak. „Unser Produkt soll Virtual Reality endlich raus aus den Versuchslabors und rein in die Wohnzimmer der Gamer bringen.“

Besichtigen Sie den Virtualizer
Auf der „Game City“ im Wiener Rathaus vom 27. bis 29. September wird der Virtualizer zu sehen sein.

 

 

 

Informationen: http://www.game-city.at/

 

 

 

 

 

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