EU-Gesetzgebung: Nationalrat will
 Europäische Kommission bremsen

 

erstellt am
05. 12. 13
10.30 MEZ

Unterausschuss kritisiert zunehmende Tendenz zu "delegierten Rechtsakten"
Wien (pk) – Für die Gesetzgebung auf EU-Ebene sind grundsätzlich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und das Europäische Parlament zuständig. Um Beschlüsse zu beschleunigen, gibt es aber schon seit jeher vom regulären Gesetzgebungsprozess abweichende Verfahren. Vor allem bei der Implementierung neuer technischer Normen hat die Europäische Kommission weitreichende Befugnisse.

Dass sich vorrangig Fachexpertinnen und -experten mit komplizierten technischen Fragen auseinandersetzen, daran hat die österreichische Politik grundsätzlich auch nichts auszusetzen. Die ParlamentarierInnen stellen aber fest, dass es eine verstärkte Tendenz zu so genannten delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten gibt, und das ist ihnen ein Dorn im Auge. Sie fürchten um die Mitspracherechte der EU-Mitgliedsstaaten, wenn die Europäische Kommission zunehmend dazu übergeht, Rechtsakte mehr oder weniger im Alleingang zu erlassen. Zwar sind solche nur im Falle weniger wesentlicher Rechtsänderungen zulässig, was wesentlich bzw. weniger wesentlich ist, ist aber nirgends genau definiert.

Vor diesem Hintergrund hat sich der EU-Ausschuss des Bundesrats bereits gestern darauf verständigt, bei der Europäischen Kommission Protest gegen die Häufung delegierter Rechtsakte einzulegen, am 04.12. zog der EU-Unterausschuss des Nationalrats nach. In einer Mitteilung an die Kommission fordern die Abgeordneten die Europäische Kommission auf, die Anzahl der verwendeten delegierten Rechtsakte bzw. Durchführungsrechtsakte zu überdenken und zu reduzieren, bei der Vorbereitung von delegierten Rechtsakten Expertenausschüsse mit VertreterInnen der Mitgliedsstaaten vorzusehen und Vorschläge für eine alternative Behandlung von komplexen Themen zu finden. Gleichzeitig wurden die zuständigen Mitglieder der österreichischen Bundesregierung vom Unterausschuss verbindlich beauftragt, den von ihnen geäußerten Bedenken auf europäischer Ebene Nachdruck zu verleihen.

Der Beschluss im Unterausschuss fiel mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und NEOS. Der FPÖ und dem Team Stronach gingen die beschlossene Mitteilung und die gefasste Stellungnahme zu wenig weit, sie forderten, dem zur Diskussion stehenden Verordnungsentwurf der Europäischen Kommission eine klare Absage zu erteilen, um wenigstens die "Restsouveränität" Österreichs zu schützen.

Zweck des Verordnungsvorschlags der Kommission ("Omnibus 3") ist es, jene Regelungen in bestehenden EU-Gesetzen an den Vertrag von Lissabon anzupassen, die der Kommission bestimmte Umsetzungsbefugnisse einräumen, um Basisgesetze zu konkretisieren. Damit wird das bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon geltende Komitologieverfahren abgelöst. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sieht nun zwei Wege vor, wie der Unionsgesetzgeber der Kommission bestimmte Befugnisse bei der Umsetzung verbindlicher EU-Gesetzgebungsakten einräumen kann: delegierte Rechtsakte (Art. 290 AEUV) und Durchführungsbefugnisse (Art. 291 AEUV).

Unter delegierten Rechtsakten versteht man eine quasi Gesetzgebung der Kommission, die auf der Basisgesetzgebung von Rat und EU-Parlament beruht und diese ergänzt oder verändert. Eine solche Ermächtigung der Kommission ist nur bei jenen Vorschriften möglich, die als weniger wesentlich eingestuft werden. Das Mitgestaltungsrecht der Mitgliedstaaten bei den delegierten Rechtsakten ist nun nicht mehr wie im Komitologieverfahren gegeben, dafür können aber Rat und Parlament in Zukunft jedem einzelnen von der Kommission erlassenen delegierten Rechtsakt widersprechen, ebenso können sie die Ermächtigung für einzelne Bereiche auch gänzlich widerrufen.

Anders als die delegierten Rechtsakte betreffen Durchführungsrechtsakte technische Vorschriften der Kommission, die die verbindlichen Rechtsakte näher ausführen, um eine einheitliche Durchführung durch die Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Damit auch hier die Kontrolle der Kommission gewährleistet ist, werden gemäß der Komitologieverordnung Ausschüsse eingesetzt, die von ExpertInnen der Mitgliedstaaten zu beschicken sind. Diese werden in die Vorbereitung und Annahme der Kommissionsakte einbezogen.

Der Verordnungsvorschlag der Kommission sieht des Weiteren vor, die Ermächtigung der Kommission in einzelnen Fällen überhaupt zu streichen.

Lopatka: EU-Kommission erhält keine zusätzlichen Kompetenzen
Wie Staatssekretär Reinhard Lopatka erläuterte, werden mit dem Verordnungsentwurf keine zusätzlichen Kompetenzen an die EU-Kommission übertragen, sondern lediglich bestehende Bestimmungen an den Vertrag von Lissabon angepasst. Rechtspolitisch sei der Vorstoß in diesem Sinn zu begrüßen, meinte er, räumte jedoch gleichzeitig ein, dass gewisse Probleme offenkundig seien. Die Mitgliedsstaaten beharrten darauf, weiterhin die Möglichkeit von Einzelfallprüfungen zu haben, die Mitwirkung von ExpertInnen alleine reiche nicht in jedem Fall aus.

Generell bekräftigte Lopatka das Ziel der österreichischen Regierung, auf europäischer Ebene in einem Konvent darüber nachzudenken, wie man die Europäische Union effizienter und handlungsfähiger machen und gleichzeitig das Subsidiaritätsprinzip stärken könne.

Abgeordnete stellen Zunahme von delegierten Rechtsakten infrage
Im Rahmen der Diskussion stellte Abgeordnete Christine Muttonen (S) infrage, ob jeder delegierte Rechtsakt sinnvoll ist. Sie gab zu bedenken, dass durch die zunehmende Übertragung von Kompetenzen an die Europäische Kommission die Intransparenz steige. Auch Abgeordneter Werner Amon (V) erachtet es für notwendig, sicherzustellen, dass delegierte Rechtsakte nicht überbordend Platz greifen und dadurch nationale Rechte ausgehöhlt werden. Wenn es zu solchen Rechtsakten komme, müsse zumindest gewährleistet sein, dass die von der Europäischen Kommission beigezogenen ExpertInnen von den Mitgliedsstaaten nominiert werden.

Abgeordneter Johannes Hübner (F) sprach sich dafür aus, dem Verordnungsentwurf der Europäischen Union eine klare Absage zu erteilen, konnte sich mit einem entsprechenden Antrag auf Stellungnahme aber nicht durchsetzen. Die von den Koalitionsparteien gesetzten Initiativen sind für ihn jedenfalls nicht ausreichend. Einzige Chance, dem zunehmendem Trend zu delegierten Rechtsakten effektiv Einhalt zu gebieten, ist für ihn eine definitive Ablehnung des Verordnungsvorschlags. Hübner kritisierte, dass das Subsidiaritätsprinzip in der EU nicht gelebt wird und die Macht der EU-Kommission stetig zunehme. Delegierte Rechtsakte widersprechen seiner Meinung nach außerdem dem Prinzip der Gewaltentrennung.

Der Kritik von Hübner schloss sich auch Abgeordneter Robert Lugar (T) an. Alles, was auf mehr Zentralismus abziele, sei abzulehnen, bekräftigte er. Ziel müsse sein, weniger Europa und mehr Rechte für die Mitgliedsstaaten.

Unterstützt wurden die Initiativen der Koalition hingegen von den Grünen und den NEOS. Abgeordneter Werner Kogler (G) betonte, dass mit der Zunahme von delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtakten das alte Problem der EU, was die mangelnde Gewaltentrennung betrifft, wiederkehre. Abgeordneter Rainer Hable (N) plädierte dafür, die Europäische Union grundsätzlich neu zu ordnen und das Europäische Parlament zu einem vollwertigen Parlament zu machen. Dafür solle ein Konvent eingesetzt werden.

Zum Antrag der FPÖ merkte Hable an, es klinge klar durch, dass die FPÖ grundsätzlich skeptisch gegenüber dem europäischen Einigungsprojekt sei. Abgeordneter Amon stieß sich vor allem am Ausdruck "Restsouveränität" und bekräftigte, dass jede Kompetenzabtretung auf EU-Ebene eine souveräne Entscheidung Österreichs sei und jederzeit wieder rückgängig gemacht werden könne. Dem hielten die FPÖ-Abgeordneten Harald Vilimsky, Barbara Rosenkranz und Johannes Hübner entgegen, dass die nationalen Kompetenzen laufend eingeschränkt würden.

 

 

 

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