Bundesrat: Keine Aushöhlung der Mitwirkungsrechte
 bei EU-Gesetzen

 

erstellt am
04. 12. 13
10.30 MEZ

EU-Ausschuss beschließt kritische Mitteilung an EU wegen Zunahme delegierter Rechtsakte
Wien (pk) - Einmal mehr wehren sich die Bundesrätinnen und Bundesräte gegen die zunehmende Anzahl sogenannter "delegierter Rechtsakte", die der Kommission weitreichende Möglichkeiten gesetzgeberischer Art einräumen. In einem einstimmig vom EU-Ausschuss des Bundesrats beschlossenen Antrag auf Mitteilung wird zwar die grundsätzliche Sinnhaftigkeit solcher delegierter Rechtsakte im Interesse einer größeren Flexibilität nicht bestritten, die Länderkammer beobachtet jedoch mit großer Sorge die massive Häufung von Regelungen, die im Rahmen von delegierten Rechtsakten bzw. Durchführungsbefugnissen erfolgen. Dabei würden die Kompetenzen der Mitgliedsstaaten an die EU-Kommission delegiert, was aus demokratiepolitischer Sicht problematisch sei, heißt es in der Mitteilung. Die Intransparenz der Entscheidungen verhindere in manchen Fällen die Kontrolle durch die Öffentlichkeit und die nationalen Parlamente.

Grund für die neuerliche Diskussion war der Verordnungsvorschlag der Kommission ("Omnibus 3"), mit dem jene Regelungen in bestehenden Rechtsakten an den Vertrag von Lissabon angepasst werden, die der Kommission bestimmte Umsetzungsbefugnisse einräumen, um die Basisgesetze zu konkretisieren. Damit wird das bis zum Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags geltende Komitologieverfahren – ein Verfahren, das eine Mitwirkung der EU-Länder durch ExpertInnen im Rahmen von Ausschüssen sichergestellt hat – abgelöst. Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sieht nun zwei Wege vor, wie der Unionsgesetzgeber der Kommission bestimmte Befugnisse bei der Umsetzung verbindlicher EU-Gesetzgebungsakten einräumen kann: einerseits durch delegierte Rechtsakte (Art. 290 AEUV) und andererseits mittels Durchführungsbefugnissen (Art. 291 AEUV).

Unter dem Begriff der delegierten Rechtsakte versteht man eine quasi Gesetzgebung der Kommission, die auf der Basisgesetzgebung von Rat und EU-Parlament beruht und diese ergänzt oder verändert. Eine solche Ermächtigung der Kommission ist aber nur bei jenen Vorschriften möglich, die als weniger wesentlich eingestuft werden, wobei die Definition, was wesentlich und unwesentlich zu betrachten ist, unklar bleibt. Das Mitgestaltungsrecht der Mitgliedstaaten bei den delegierten Rechtsakten ist nun nicht mehr gegeben, dafür können aber Rat und Parlament in Zukunft jedem einzelnen von der Kommission erlassenen delegierten Rechtsakt widersprechen, sie können die Ermächtigung für einzelne Bereiche auch gänzlich widerrufen. An dieser Verschiebung zu Ungunsten der Mitgliedsländer stießen sich vor allem die im Ausschuss anwesenden Vertreter der Wiener und Kärntner Landesregierung.

Durchführungsrechtsakte (Art. 291 AEU) wiederum betreffen technische Vorschriften der Kommission, die die verbindlichen Rechtsakte näher ausführen, um eine einheitliche Durchführung durch die Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Damit auch hier die Kontrolle der Kommission gewährleistet ist, werden gemäß der Komitologieverordnung Ausschüsse eingesetzt, die von ExpertInnen der Mitgliedstaaten zu beschicken sind. Diese werden in die Vorbereitung und Annahme der Kommissionsakte einbezogen.

Der Verordnungsvorschlag der Kommission sieht des Weiteren vor, die Ermächtigung der Kommission in einzelnen Fällen überhaupt zu streichen. Die Diskussion in der EU über den Kommissionsvorschlag steht erst am Beginn.

Legislativverfahren dürfen nicht zu Exekutivverfahren werden
Das Problem sei, dass durch delegierte Rechtsakte versucht werde, der Kommission durch die Hintertür gesetzgeberische Kompetenzen einzuräumen, zeigte sich Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) skeptisch und unterstrich damit die Notwendigkeit der vorliegenden Mitteilung. Er werde dies auch Mitte Dezember beim Hearing mit dem Ausschuss der Regionen thematisieren, kündigte er an. Ziel sei es, über diese wichtige Frage mit der europäischen Kommission in Dialog zu treten, ergänzte Bundesrat Stefan Schennach (S/W). Den kritischen Äußerungen schlossen sich auch die BundesrätInnen Monika Mühlwerth (F/W), Cornelia Michalke (F/V) und Marco Schreuder (G/W) an. Delegierte Rechtsakte seien Blankochecks für die Kommission, meinte etwa Michalke, und Schreuder hielt fest, es sei darauf zu achten, dass Legislativverfahren solche auch bleiben und nicht zu Exekutivverfahren werden.

Der Vertreter des Außenministeriums zeigte Verständnis für die Bedenken des Bundesrats, unterstrich jedoch, man sollte sich nicht prinzipiell gegen die delegierten Rechtsakte stellen. Die ExpertInnen der Mitgliedstaaten würden zwar nicht mehr so eng einbezogen wie im Rahmen des Komitologieverfahrens, man müsse aber bedenken, dass durch den Lissabon-Vertrag nunmehr das Europäische Parlament auch in diesem Zusammenhang gestärkt worden sei.

Besonders kritisch bewerteten die Entwicklung die beiden VertreterInnen der Landesregierungen von Wien und Kärnten. Sie sahen die Interessen der Länder massiv bedroht, vor allem seien die Länder hinsichtlich ihres Vollziehungsbereichs in ca. 50 Rechtsakten betroffen. Die gesetzgeberischen Rechte der Kommission betreffen etwa die Bodenschutzrichtlinie, die Richtlinie über die Luftqualität, jene über das Management von Hochwasserrisiken, die Tierseuchenverordnung und den Pflanzenschutzbereich, Grenzwerte für Kfz, Schwellenwerte für gentechnisch veränderte Organismen, Gebührenfestsetzungen und Begriffsdefinitionen für die Sicherheit im Schiffsverkehr, gaben sie zu bedenken und erblickten darin eine überbordende Anmaßung. Dass seien keine Kleinigkeiten, die man der Kommission ohne Mitgestaltungsrecht der Mitgliedsstaaten überantworte. Die Proportionalität sei nicht mehr gegeben, hier gehe es um die demokratische Legitimität, so die warnenden Stimmen aus den Bundesländern.

 

 

 

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