EU-Hauptausschuss diskutiert Themen des
 kommenden Europäischen Rats

 

erstellt am
19. 12. 13
10.30 MEZ

Vom Wettbewerbspakt über die Bankenunion zur EU-Verteidigungspolitik – Neuer Außenminister Kurz stellt seine Schwerpunkte vor
Wien (pk) - Zwei Tage nach seiner Angelobung stellte sich der neue Außenminister Sebastian Kurz am 18.12. im EU-Hauptausschuss den Fragen der Abgeordneten. Dabei kündigte er eine EU Kommunikationsoffensive an, um die Menschen für eine Teilhabe am europäischen Gedanken zu begeistern. Im Hinblick darauf, dass in Österreich bereits 16-jährige wahlberechtigt sind, werde man unter anderem den Fokus auf Schulprojekte legen, aber auch eng mit Europagemeinderäten zusammenarbeiten, um nahe an die BürgerInnen zu kommen. Der Kritik von FPÖ-Abgeordnetem Johannes Hübner, das komme wieder einer Schönrednerei gleich, begegnete der Minister mit der Feststellung, es sei falsch, Probleme zu negieren, aber auch, alles in Frage zu stellen. Die Initiative wurde vom ebenfalls im Ausschuss anwesenden Mitglied des Europäischen Parlaments Heinz K. Becker (V) vollinhaltlich unterstützt.

Neben Europa wolle er einen besonderen Fokus auf den Westbalkan legen, informierte Kurz, da es zu diesen Ländern nicht nur enge historische und kulturelle Verbindungen gibt, sondern Österreich auch große wirtschafts- und sicherheitspolitische Interessen in dieser Region vertrete. Seine erste Auslandsreise werde ihn daher auch nach Kroatien führen, was von Nikolaus Berlakovich (V) außerordentlich begrüßt wurde. Er wolle damit ein eindeutiges Signal für eine enge Zusammenarbeit aber auch ein proeuropäisches Signal setzen, erläuterte Kurz. Nationalratspräsidentin Barbara Prammer ergänzte, sie habe ebenfalls vor kurzem mit einer Parlamentarierdelegation das neue EU-Mitgliedsland besucht, und diese Gespräche seien sehr erfolgreich verlaufen.

Was die europäische Perspektive für den Westbalkan betrifft, so zeigte sich Kurz erfreut, dass die Beitrittsverhandlungen mit Serbien am 21. Jänner 2014 eröffnet werden. Mit Bedauern stellte er fest, dass mit den weiteren Kandidatenländern Albanien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina keine großen Fortschritte erzielt werden konnten. Die Situation in Bezug auf die Ukraine wollte der Außenminister nicht gänzlich negativ sehen. Für die Ukraine sollte beides möglich sein, meinte er, sowohl die regionale Zusammenarbeit mit Russland als auch die Annäherung an die EU. Klubobmann Andreas Schieder (S) merkte an, die EU-Außenpolitik sollte sich vor allem auch den Problemen in Syrien und dem Nahen Osten widmen. Hier reagiere die europäische Politik nicht schnell genug, weshalb zu diesem Thema weitere Diskussionen dringend geboten seien.

Zivilen Arm der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik stärken
Der Hauptausschuss fand im Vorfeld des Europäischen Rats am 19. und 20. Dezember 2013 statt. Dabei stehen, wie Bundeskanzler Werner Faymann ausführte, drei Themen im Mittelpunkt. Zunächst geht es um den Wachstums- und Beschäftigungspakt, wobei sich der Kanzler klar gegen den diskutierten Solidaritätsmechanismus aussprach, in dessen Rahmen Staaten für Strukturreformen monetär belohnt werden sollen. Es wäre zu kurz gegriffen, zu glauben, wenn man Mittel aus dem Fonds überweist, würden sich Probleme lösen, sagte er. Äußerst skeptisch in dieser Frage zeigte sich auch Bruno Rossmann von den Grünen. Wichtiges Thema werden auch weitere Schritte zur Bankenunion sein, und als dritten Schwerpunkt haben sich die Gipfelteilnehmer vorgenommen, die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) weiterzuentwickeln. Die Strategie soll neben der Cyberabwehr auch die maritime Sicherheit, die illegale Migration sowie die organisierte Kriminalität und den Terrorismus, aber auch die Verbesserung des Grenzmanagements umfassen. Außerdem will man die Herausforderungen im Bereich der Energiesicherheit aufgreifen.

Eine intensive Diskussion entwickelte sich vor allem um das Ziel der EU, die europäische Verteidigungsindustrie zu stärken und damit den Rüstungssektor als ein Mittel zur Anhebung der Beschäftigung anzusehen. Mit dem Gedanken, die Rüstungsindustrie zu einem Arbeitsmarktprojekt zu machen konnte sich insbesondere Tanja Windbüchler-Souschill (G) nicht anfreunden, weshalb sie die Pläne der EU heftig kritisierte. Waltraud Dietrich (T) und Mario Kunasek (F) sprachen in diesem Zusammenhang vor allem den Status Österreichs als neutralen Staat an und zeigten sich skeptisch, ob die neuen Maßnahmen und die verstärkte Kooperation mit der NATO verfassungsrechtlich auch gedeckt sind. Wolfgang Gerstl (V) stellte die Frage, mit welchen Mitteln die GSVP glaubwürdiger und wirksamer werden könne und hielt fest, dass es bei der Cyberabwehr um zwei Strategien gehe – um den zivilen und um den militärischen Bereich.

Demgegenüber wies SPÖ-Abgeordneter Hannes Weninger auf die lange Tradition Österreichs als Friedensstifter hin und appellierte an Außenminister Kurz, sich besonders dafür einzusetzen, die zivilen Fähigkeiten im Rahmen der GSVP auszubauen. Im Gegensatz zu militärischen Einsätzen reagiere bislang die internationale Gemeinschaft bei großen Natur- und humanitären Katastrophen viel zu zögerlich. Es gelte daher, so Weninger, völkerrechtliche Verträge auszuhandeln, wie man mit militärischen Mitteln humanitäre Einsätze bewerkstellige kann. Dem stimmte der Bundeskanzler vollinhaltlich zu. Im Bereich der zivilen Unterstützung gebe es eine Fülle von Möglichkeiten, in denen Österreich über hohe Kompetenz verfüge. Das gehe von der Sicherung über den Transport bis hin zur medizinischen Versorgung und Wasseraufbereitung. In all diesen Fälle wäre eine bessere Nutzung der militärischen Infrastruktur für humanitäre Einsätze von großer Bedeutung. Selbstverständlich werde sich Österreich an nichts beteiligen, was gegen die Neutralität ist, bekräftigte der Kanzler und fügte hinzu, die NATO habe deutlich erklärt, dass sie die eigenständige Rolle der Neutralen respektiere.

Man werde weiterhin an friedenerhaltenden Maßnahmen teilnehmen, und zwar in einem Ausmaß von rund 1.100 Personen, bestätigte auch Außenminister Sebastian Kurz. Ab 2016 sei geplant, sich an Battle-Groups zu beteiligen, und das sei verfassungsrechtlich gedeckt, sagte er.

Kritisiert wurde von den Grünen darüber hinaus auch die Tatsache, dass die österreichische Bundesregierung zwei schriftliche "non-papers" zur europäischen Sicherheitsstrategie dem Nationalrat nicht vorgelegt hat, obwohl dies verfassungsrechtlich vorgesehen wäre. Sie legten in diesem Sinne auch einen Antrag auf Ausschussfeststellung vor, der jedoch mit den Stimmen der Grünen, der NEOS und der FPÖ nicht ausreichend unterstützt wurde. Außenminister Sebastian Kurz sagte zu, dieses Dokument nachzureichen und künftig dafür Sorge zu tragen, dass alle Dokumente dem Nationalrat vorgelegt werden. Auch Nationalratspräsidentin Barbara Prammer nahm dazu Stellung und wies auf die EU-Datenbank des Parlaments hin, die weiterentwickelt werde, um den Abgeordneten die Möglichkeit zu geben, alles schnell zu finden. Sie erwarte sich von Seiten der Bundesregierung, dass diese alle Dokumente übermittelt, auch "non-papers", hielt sie fest.

Faymann: Die Krise ist noch nicht ganz vorbei
Ausführlich Stellung nahm Bundeskanzler Werner Faymann zum Wachstums- und Beschäftigungspakt. Beim Gipfel werde darüber diskutiert, wo Harmonisierungen und Angleichungen vorgenommen werden sollen, damit Europa kein wirtschaftliches Schlusslicht in der Welt wird. Faymann konnte aber insofern eine gute Nachricht verkünden, als laut vorliegenden Prognosen das Jahr 2014 eine positive Trendwende in der Eurozone bringen werde. Man gehe davon aus, dass man von den Jahren der Rezession wegkomme und ein leichtes Wachstum von 0,4% zu verzeichnen sein wird. Österreich sei immer besser dagestanden, fügte der Kanzler hinzu, Südeuropa werde knapp auf null kommen. Das alles mache klar, dass man noch lange über Krisenmechanismen reden müsse, stellte er fest. Das bedeute weiters, dass Europa gefordert ist, Mechanismen zu entwickeln, um die Finanzen in Ordnung zu halten. Die Beschlüsse werden daher um die Frage kreisen, welche Maßnahmen auf nationaler Ebene freiwillig umgesetzt werden. Alles andere würde eine Kompetenzänderung und damit eine Änderung der Verträge voraussetzen. Für Österreich bedeutet das, dass es am Parlament liegt, welche Vorschläge aufgegriffen werden. Harmonisierungen, Vereinheitlichungen und eine engere Koordination könnten nur auf Basis von Dialog, Diskussion und freiwilligen Vereinbarungen getroffen werden. Entscheidend bleibe die volle Souveränität. Für den angedachten Solidaritätsmechanismus zeigte der Kanzler wenig Sympathien und meinte, dass dieser auch nicht wirksam sein werde.

Faymann bekräftigte, dass er sich auch weiterhin mit allen seinen zur Verfügung stehenden Mitteln dafür einsetzen werde, die Jugendarbeitslosigkeit effektiv zu bekämpfen.

Eine Absage erteilte der Kanzler auch all jenen, die für eine stärkere Abkoppelung der Eurozone von den Nicht-Euroländern eintreten. Das würde für den österreichischen Standort insofern viele Nachteile bringen, da Österreich mit vielen Euroländern enge Verknüpfungen haben, erläuterte er.

Eine schrittweise Weiterentwicklung in die richtige Richtung, um wirtschaftliche Stabilität zu erlangen, ortete in diesem Zusammenhang Klubobmann Andreas Schieder (S). Europa ringe schwer, den Mangel an schneller Koordinierung zu beheben. Er begrüßte, dass die Schlussfolgerungen Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, vor allem der Jugendarbeitslosigkeit enthalten und drängte wie seine Klubkollegin Christine Muttonen neben wirtschafts- und finanzpolitischen Indikatoren auch stärker die sozialen Indikatoren miteinzubeziehen. Eine weitere Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion könne nur gemeinsam mit einer Stärkung der sozialen Dimension und durch eine entsprechende Weiterentwicklung demokratischer Instrumente erfolgen, unterstrich Muttonen und kritisierte gleichzeitig, dass man zwar in der Wirtschafts- und Währungsunion mit großen Schritten voranschreite, in Bereichen Demokratie und Soziales aber auf der Stelle trete. Mit dem Wettbewerbspakt könne man nun in der vorliegenden veränderten Form leben, positiv sei es, dass die angedachten Strafen bei Nichteinhaltung der Vereinbarung vom Tisch sind. Notwendig sei aber, innerhalb Österreichs sicherzustellen, dass das Parlament und die Sozialpartner bei Reformvorhaben eingebunden sind.

Negativ zum diskutierten Pakt äußerte sich Grünmandatar Bruno Rossmann. Dieser stelle ein Nullum dar, und werde weder etwas zum Wachstum noch zur Senkung der Jugendarbeitslosigkeit beitragen, zeigte er sich überzeugt. Rossmann stellte nicht in Abrede, dass man eine stärkere Kooperation im Wirtschaftsbereich braucht, hinter dem diskutierten Pakt stecke jedoch nichts anderes als sogenannte Strukturreformen, im Sinne von Lohn- und Pensionskürzungen sowie Kürzungen bei Mindestlöhnen, Arbeitslosengeldern, Gesundheitsausgaben und Bildung. Diese Form von Strukturreform lehne er ab, ebenso wie den Solidaritätsmechanismus. Er rief den Bundeskanzler auch dazu auf, in der Frage des Informationsaustauschs im Rahmen der EU-Zinsenrichtlinie die Blockade Österreichs aufzugeben. Darauf reagierte der Kanzler, es sei zu wenig, sich beim Kampf gegen Steuerbetrug nur auf Informationsaustausch zu konzentrieren. Vielmehr sei es notwendig, auch die bestehenden Steueroasen zu bekämpfen.

Die Grünen brachten auch einen Antrag auf Stellungnahme ein, in dem sie verlangen, die Rüstungs- und Verteidigungsausgaben ab dem Budgetjahr 2015 um 10% zu kürzen und damit 20 Milliarden € pro Jahr in den Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit fließen zu lassen. Sie halten darin ihre Ablehnung gegen den Wettbewerbspakt fest, und verlangen eine Investitionsoffensive zur Umgestaltung der Wirtschaft in Richtung nachhaltig und ressourcenschonend. Außerdem bekräftigen sie darin, ihre Auffassung, dass Österreich dem Informationsaustausch im Rahmen der EU-Zinsenrichtlinie zustimmen sollte. Der Antrag fand jedoch keine Unterstützung durch die anderen Parteien.

Kritisch äußerten sich auch die FPÖ und das Team Stronach. Abgeordnete Waltraud Dietrich (T) sprach sich gegen jede Vertragsänderung und Vertiefung innerhalb der EU aus und Abgeordneter Johannes Hübner (F) brachte einen Antrag ein, in dem er von der Regierung verlangt, nach englischem Vorbild Beschränkungen des Zugangs von EU-Ausländern zur Arbeitslosen- und Sozialhilfe in Österreich auszuarbeiten. Auch dieser Antrag fand keine Unterstützung bei den anderen Fraktionen. Außenminister Kurz betonte, die Niederlassungsfreiheit sei ein großes Gut, das man nicht in Frage stellen sollte. Die überwiegende Mehrzahl der betreffenden Personen steige sofort in den Arbeitsprozess ein, sagte er.

Bankenunion nimmt langsam Form an
Drittes großes Thema im Ausschuss war die Bankenunion. Bis März 2014 soll der Abwicklungsfond ausverhandelt sein, kündigte Faymann an. Die Bankenunion sei eine logische Konsequenz der Krise, man brauche eine gemeinsame Aufsicht, um zu verhindern, dass Schwierigkeiten von Banken ganze Volkswirtschaften an den Rand des Ruins treiben. Es sei notwendig zu prüfen, wo Schwachstellen liegen, und einen Abwicklungsmechanismus zu entwickeln, damit die SteuerzahlerInnen nicht als alleinige Zahler übrig bleiben. Diskutiert würden derzeit drei Etappen zur Bankenunion, die gemeinsame Aufsicht beginne bereits im kommenden Jahr bei der EZB. Weiters gehe es um die Kontrolle, um herauszufinden, wo es Probleme bei den Banken gibt und schließlich brauche man einen Mechanismus, der dafür sorgt, dass künftig auch die Banken Verantwortung übernehmen. Großes Thema zur Stunde sei die Frage nach den dafür erforderlichen Mitteln.

Die Nationalstaaten seien sehr schnell zu klein, um Banken in der Krise aufzufangen. Daher seien europäische Regeln dringend geboten, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, zeigte sich SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder überzeugt und trat wie der Bundeskanzler vehement für die Einführung der Finanztransaktionssteuer ein. Als ein Großprojekt, besonders was die Glaubwürdigkeit der EU betrifft, sah ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka die Bankenunion. Wesentlich sei, den SteuerzahlerInnen und SparerInnen die Hauptsorgen zu nehmen, weshalb der ab 2016 aufzubauende Fond notwendig sei. Sein Klubkollege Hermann Schultes warf ein, man müsse sicherstellen, dass sich bei der Bankenunion die Politik dann nicht gegen einzelne Länder richtet. Abgeordneter Bruno Rossmann von den Grünen sah derzeit keine großen Fortschritte bei der Bankenabwicklung und trat dafür ein, das Bail-In-Instrument nicht erst 2018 in Kraft zu setzen, sondern gemeinsam mit den Regelungen für Bankenabwicklung.

Einmal mehr negativ zur Bankenunion äußerte sich FPÖ-Abgeordneter Johannes Hübner. Das sei ein grenzüberschreitender Haftungsverband, sagte er, das Bankenpaket bringe aus seiner Sicht weder Stabilität noch eine Entlastung. Wie Waltraud Dietrich vom Team Stronach trat er für ein nationales Bankeninsolvenzrecht ein. Hübner nützte den Ausschuss auch, um seiner Skepsis gegenüber der Währungsunion Ausdruck zu verleihen. Die Rezession im Euroraum sei die längste seit Jahrzehnten.

 

 

 

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