Ein aussagekräftiges Bild

 

erstellt am
22. 01. 14
11.30 MEZa

Erzdiözese Wien veröffentlicht Ergebnisse der Eingaben zur Familiensynode: Große Diskrepanz zwischen katholischer Lehre und Auffassung vieler Gläubigen.
Wien (pew) - Viele Menschen haben in der Erzdiözese Wien das Angebot angenommen, persönlich, in den Gemeinden, in diversen Gruppen und Familienrunden die Fragebögen zur Vorbereitung auf die Weltbischofssynode zum Thema Ehe und Familie zu diskutieren und zu beantworten.

Dazu gab es in der Erzdiözese Wien die Möglichkeit den Originalfragebogen online, per Email, per Fax zu beantworten. Über 8.ooo Personen haben sich im November und Dezember mit dem Originalfragebogen auseinandergesetzt. Darüber hinaus hat die Katholische Jugend Wien den Originalfragebogen für ihre Zielgruppe adaptiert. 1.127 vorwiegend junge Menschen haben davon Gebrauch gemacht. Viele Katholiken der Erzdiözese haben auch andere Bearbeitungen des Fragebogens ausgefüllt.

Die Erzdiözese Wien hat gemäß dem Wunsch des Vatikans auch die Möglichkeit geboten, sich als Pfarrgemeinde, Pfarrgemeinderat Familienrunde, Ordensgemeinschaft oder Bewegung am Prozess zu beteiligen. 72 solcher Gruppen haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und uns ihre Ergebnisse zugesendet. Diese „Gruppenfragenbögen“ wurden von einem Team der Erzdiözese, bestehend unter anderem aus Experten der theologischen Fakultät der Universität Wien, der Kirchlich-Pädagogischen Hochschule und dem Bereich der Ehe- und Familienpastoral der Kategorialen Seelsorge der Erzdiözese Wien qualitativ analysiert und von Diakon Mag. Karl Langer, dem Leiter der Abteilung Generationen in der Erzdiözese Wien, zusammengefasst. Zudem haben die Expertengruppen auch eigene inhaltliche Stellungnahmen abgegeben.

Die Ergebnisse im Einzelnen
Die Rückmeldungen sind äußerst vielfältig. Allgemein lassen sich folgende Aussagen treffen:

  • Das Thema Ehe und Familie ist den Antwortenden ein großes Anliegen.
  • Die Diskrepanz zwischen der offiziellen Lehre und den Ansichten vieler Gläubigen ist groß.
  • Das Ideal einer lebenslangen Verbindung in Treue wird von den allermeisten Menschen hochgehalten. Zugleich wird aber auch akzeptiert, dass das Scheitern faktisch immer wieder vorkommt; für diesen Fall wünschen sich viele ein differenziertes Eingehen auf den Einzelfall.
  • Es wird aber in anderen Bereichen (z.B. Empfängnisregelung, Ausschluss von den Sakramenten für wiederverheiratete Geschiedene und in geringerem Ausmaß homosexuelle Partnerschaften) die Lehre selbst von vielen als unzeitgemäß und weltfremd betrachtet. Hier wünscht sich ein wesentlicher Teil der Antwortenden eine Weiterentwicklung der kirchlichen Lehre, die auch als hilfreich erfahren wird und so auch neues Interesse wecken könnte.
  • Die kirchlichen Dokumente sind vielen sprachlich und argumentativ kaum verständlich. Insbesondere das Naturrechtsparadigma scheint heute nicht mehr vermittelbar. Hier werden neue Formen des Denkens und der Vermittlung gefordert. Expertenstellungnahmen schlagen hier z.B. den verstärkten Ansatz bei der Person und ihrer Würde vor.
  • Die Frage nach dem Glaubensleben in den Familien wird sehr differenziert beantwortet: Das Gebetsleben in den Familien wird durchwegs als ermutigend kommentiert; wenige berichten aber über passende neue Formen („die in der Komplexität des heutigen Lebens und der aktuellen Kultur Bestand haben“, Fragentext) des Familiengebets. Überwiegend sehen die Antwortenden, dass in den Familien der Glaube heute vor allem durch Vorbilder(authentisches Lebenszeugnis und Engagement) weitergegeben wird – aber verbunden mit dem Gefühl der Überforderung.
  • Pfarrgemeinden, Ehe- und Familienrunden, Eheseminare, Bewegungen und die eigenen Familie werden durchwegs als Orte gelebter Familienspiritualität erfahren.
  • Mehr Unterstützung von Paaren wird eingefordert.
  • Wiederverheiratete Geschiedene sind pastoral allgegenwärtige Realität. Das Thema nimmt in den Antworten, verbunden mit dem Wunsch nach alternativem kirchlichem Umgang, breiten Raum ein. Eine verstärkte Praxis der Ehe-Annullierung wird überwiegend nicht als Lösungsmöglichkeit gesehen.
  • Die Hauptaussage der Lehre von Humanae Vitae wird nach Auffassung vieler Antwortender auf das Verbot jeglicher künstlichen Verhütung reduziert. Das Verbot selbst sei durchwegs bekannt, die theologische Begründung aber kaum. Mehr als die Hälfte der Antworten geben explizit an, dass ihnen die unterschiedliche moralische Bewertung von „künstlicher“ und „natürlicher“ Empfängnisregelung nicht einsichtig ist und abgelehnt wird. Es zeigt sich breites Bedauern, dass die Kirche oft auf dieses Thema reduziert wird
  • Abtreibung wird durchwegs nicht als Verhütungsmethode gewertet und explizit abgelehnt.
  • Eine für Nachkommenschaft offene Mentalität könne nach der Mehrheit der Antworten durch finanzielle und steuerliche Anreize geschaffen werden. Wichtig seien aber auch verschiedene mentale Anreize wie Vorbildwirkung, Mutmachen, Sorgen ernstnehmen, stärkere Wertschätzung der Mutter- und Vaterrolle bzw. der Familien mit Kindern.


„Ich nehme Schmerz und Hoffnung wahr“

Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn: „Es bewegt mich sehr, dass so viele Menschen geantwortet haben, auch wenn oft vehemente Kritik an der Kirche geübt wird. In der Ernsthaftigkeit der Antworten zeigt sich eine Verbindung von kritischem Geist und tiefer Sorge für die Zukunft der Familien und der von familiären Problemen betroffenen Menschen. Ich nehme den Schmerz und die Hoffnung vieler wahr, denen die Lehre der Kirche zu Ehe und Familie nicht als Licht auf dem Lebensweg, sondern als dunkel und lebensfeindlich begegnet.“

Besonders berührt sei er, so der Erzbischof, auch von den vielen persönlichen Lebenszeugnissen und den Bekenntnissen zu den Werten der unauflöslichen Ehe und der familiären Verantwortung. Viele Menschen hätten die Möglichkeit des Fragebogens genutzt, um über ihr Ringen, über ihre Schicksalsschläge und ihre Freude als Eheleute und Eltern zu schreiben, „und über ihre oft leidensvolle Treue zur Kirche“.

Schönborn: „Ich höre hier auch den Ruf nach mehr Begleitung, Ermutigung, Unterstützung durch die Kirche. Sie wird oft, um ein Wort von Papst Franziskus zu gebrauchen, als Ort erlebt, an dem die Gnade nicht gefördert, sondern kontrolliert wird. Als Zollstation - und nicht als Vaterhaus, wo Platz ist für jeden mit seinem mühevollen Leben.“ (Evangelii Gaudium, 47)

Die nunmehr vorliegenden Auswertungen, Expertenmeinungen, aber auch eine Dokumentation aller Eingaben werde er, Schönborn „gewissenhaft und ohne Abstriche“ dem päpstlichen Synodenrat zur Vorbereitung der Bischofssynode übergeben: „Es ist ein aussagekräftiges Bild der Sorgen, Hoffnungen und des Glaubens, die für sehr viele Gläubige unserer Diözese kennzeichnend sind.“

Schönborn: „Ich bedanke mich bei allen, die ihre Erfahrungen und Überzeugungen für diesen Gesprächsprozess zur Verfügung gestellt haben. Ich werde alle Antworten, die Zusammenfassungen und die Stellungnahmen 1:1 nach Rom weitergeben.“ Zunächst stehe bei der vorbereitenden Bischofssynode 2014 der ehrliche Blick auf die Situationen in der ganzen Weltkirche auf dem Programm und die Frage, wie sich darin das Wirken des Heiligen Geistes erkennen lässt. In diesen Prozess des Hinschauens werden auch die österreichischen Stellungnahmen einfließen. Inhaltliche Orientierungen erwartet Schönborn erst bei der ordentlichen Bischofssynode 2015: „Wir werden auf die Frage antworten müssen, wie im 21. Jahrhundert Ehe und Familie gut gelebt werden können sowohl im Hören auf das Evangelium als auch auf das, was wir in unseren Beziehungen konkret erfahren und erhoffen."

 

 

 

Informationen: http://www.erzdioezese-wien.at

 

 

 

 

 

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