Tabakgesetz: Durchqueren des Raucherraums ist
 Nichtrauchern zumutbar

 

erstellt am
21. 01. 14
11.30 MEZa

Breite Mehrheit im Verfassungsausschuss für klarstellendes Bundesgesetz
Wien (pk) - Der Verwaltungsgerichtshof irrt sich, wenn er die Bestimmungen des Tabakgesetzes dahingehend auslegt, dass es LokalbesucherInnen nicht zumutbar ist, auf dem Weg zum Nichtraucherraum bzw. auf dem Weg zum WC den Raucherraum zu durchqueren. Darin sind sich SPÖ, ÖVP, die Freiheitlichen und das Team Stronach einig. Alle vier Parteien stimmten am 21.01. im Verfassungsausschuss des Nationalrats – wenn auch zum Teil "mit Bauchweh" – einem von den Koalitionsparteien beantragten Bundesgesetz zur authentischen Interpretation des §13a des Tabakgesetzes zu. Abgelehnt wurde das Gesetz lediglich von den Grünen und den NEOS, sie traten für ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie ein.

Im neuen Bundesgesetz ( 112/A) wird klargestellt, dass ein kurzer Gang durch den Raucherraum NichtraucherInnen durchaus zuzumuten ist. Schließlich sei es Intention, Wille und Ziel des Gesetzgebers bei der Beschlussfassung des Tabakgesetzes gewesen, LokalbesucherInnen vor den Auswirkungen des Passivrauchens zu schützen. Solche seien beim bloßen kurzen Durchschreiten eines Raucherbereichs aber nicht anzunehmen, heißt es in der Begründung.

Mit der gesetzlichen Klarstellung reagieren die Abgeordneten auf zwei Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs, der ihrer Meinung nach mit seiner Gesetzesinterpretation die bisherige Praxis der Verwaltungsbehörden völlig auf den Kopf gestellt hat. Viele Betriebe hätten im Vertrauen auf die Rechtslage und im Einklang mit den behördlichen Auflagen umfangreiche bauliche Investitionen durchgeführt. Nun drohten plötzlich Strafen, kritisieren sie.

Rechtstechnisch berufen sich die Abgeordneten bei ihrem Beschluss auf eine Bestimmung im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB). Nach §8 ABGB steht "nur dem Gesetzgeber die Macht zu, ein Gesetz auf eine allgemein verbindliche Art zu erklären". Eine solche verbindliche Erklärung ist grundsätzlich auf alle noch zu entscheidenden Rechtsfälle anzuwenden, außer es wird ausdrücklich anderes beschlossen. In Kraft getreten ist diese Bestimmung bereits 1812.

FPÖ, Grüne und NEOS: Rechtsunsicherheit für Wirte bleibt
Im Rahmen der Diskussion kritisierten nicht nur die Grünen und die NEOS die Vorgangsweise der Regierung, sondern auch die FPÖ. Die Abgeordneten Philipp Schrangl, Gernot Darmann und Harald Stefan glauben, dass die heute vorgenommene Gesetzesreparatur nicht lang halten und schon bald ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie kommen wird. Die Rechtssicherheit für die Unternehmen steige mit dem heutigen Beschluss nicht, sind sie überzeugt, stimmten dem Gesetz aber schließlich doch "mit Bauchweh" zu.

Schrangl, Darmann und Stefan traten vehement dafür ein, die Frage im Gesundheitsausschuss des Nationalrats gemeinsam mit Gesundheitsminister Alois Stöger zu diskutieren. Ein Antrag der FPÖ, den Verfassungsausschuss zur Vorberatung des Gesetzentwurfs für unzuständig zu erklären, wurde allerdings nur von den Grünen und den NEOS mitunterstützt und blieb damit in der Minderheit.

Weitere Rechtsunsicherheit für die betroffenen Unternehmen befürchtet auch Abgeordnete Angelika Mlinar (N). Sie verwies auf aktuelle Erhebungen, denen zufolge 86 % der Gastronomen, die Lokalgästen Raucher- und Nichtraucherraum anbieten, gegen die Auflagen des Tabakgesetzes verstoßen. Dafür seien die unklaren gesetzlichen Bestimmungen verantwortlich. Mlinar sprach sich für ein allgemeines Rauchverbot in der Gastronomie aus, ein von ihr eingebrachter Gesetzesantrag fand bei der Abstimmung jedoch keine Mehrheit.

Als einzige Partei unterstützten die Grünen den Vorstoß der NEOS. Die einzige Möglichkeit, das Tabakgesetz zu sanieren, sei ein lückenloser Nichtraucherschutz, hielt Abgeordnete Eva Mückstein fest. Es sei notwendig, NichtraucherInnen Rauchfreiheit zu garantieren, schließlich sei Passivrauchen laut WHO ein großes Gesundheitsrisiko.

Die Grünen wandten sich aber nicht nur aus inhaltlichen, sondern auch aus formalen Gründen gegen das vorliegende Bundesgesetz. Fünf Jahre nach der Beschlussfassung eine Erläuterung zum Tabakgesetz vorzulegen, die gegen den Wortlaut des Gesetzes verstoße, fördere nicht die Rechtssicherheit, sondern verstärke die Rechtsunsicherheit, argumentierten Mückstein und ihr Fraktionskollege Albert Steinhauser. Abgeordneter Steinhauser vertrat zudem die Auffassung, dass der Gesetzgeber Entscheidungen der Höchstgerichte zu akzeptieren habe, die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes seien nachvollziehbar. Wolle man eine inhaltliche Änderung des "verpfuschten" Tabakgesetzes, müsse man das Tabakgesetz selbst ändern.

Verteidigt wurde die Vorgehensweise von den beiden Verfassungssprechern der Koalitionsparteien Peter Wittmann (S) und Wolfgang Gerstl (V). Zweck des vorliegenden Bundesgesetzes sei nicht die Reparatur des Tabakgesetzes, sondern dessen authentische Interpretation, daher sei auch der Verfassungsausschuss zuständig, hielt Ausschussvorsitzender Wittmann fest. Diese authentische Interpretation sei notwendig, um Rechtssicherheit für diejenigen zu schaffen, die im Vertrauen auf das Gesetz Investitionen vorgenommen haben. Die Verlässlichkeit des Staates müsse gegeben sein.

Nach Auffassung von Abgeordnetem Gerstl hat der Verwaltungsgerichtshof mit den beiden Entscheidungen seine Kompetenz überschritten und als Gesetzgebungsorgan agiert. Die Abgeordneten müssten daher als Hüter der Verfassung reagieren und würden nun nochmals ausdrücklich festhalten, was der Gesetzgeber 2008 gewollt habe. Jeder Bürger müsse sich auf Gesetze verlassen können, bekräftigte Gerstl. Das sei im Sinne des Vertrauensgrundsatzes und der Rechtssicherheit unumgänglich.

Was die hohe Zahl an Verstößen gegen die Auflagen des Tabakgesetzes betrifft, sagte Gerstl, er sei dafür, dass die Behörden nicht wegschauen. Gesundheitsminister Stöger habe dafür zu sorgen, dass die Bestimmungen des Gesetzes vollzogen würden.

 

 

 

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