Barnier: Soziale Marktwirtschaft und
 Wettbewerb Grundidee der EU

 

erstellt am
31. 01. 14
11.30 MEZ

EU-Kommissar für Binnenmarkt diskutiert mit ParlamentarierInnen über Maßnahmen zur Krisenbewältigung
Wien (pk) - "Wir müssen die BürgerInnen wieder mit Europa aussöhnen". Das könne aber nur mit Hilfe der nationalen Parlamente gelingen. Darin waren sich EU-Kommissar Michel Barnier und Zweiter Nationalratspräsident Karheinz Kopf im Rahmen eines Gesprächs mit Mitgliedern des Nationalrats und des Bundesrats am 30.01. einig. In Brüssel setze auch ein Umdenken ein, sagte Barnier, ihm sei der Dialog mit den ParlamentarierInnen immer sehr am Herzen gelegen. Gegenüber Abgeordnetem Wolfgang Katzian (S) bekräftigte er die Bedeutung der Sozialpartnerschaft und plädierte dafür, sich wieder mehr auf die Grundidee der EU zu besinnen - die Stärkung der sozialen Marktwirtschaft und der Wettbewerbsfähigkeit. Angesichts der globalen wirtschaftlichen Entwicklung müsse Europa zusammenhalten, sonst sitzen wir in einigen Jahrzehnten nicht mehr als gleichberechtigter Partner mit am Tisch, so sein Appell an die Europaskeptiker.

Ein wichtiger Aufgabenbereich bei der Krisenbewältigung
Michel Barnier bekleidet das Amt des EU-Kommissars für Binnenmarkt und Dienstleistungen seit 10. Februar 2010. In dieser Funktion kommt ihm eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Wirtschafts- und Finanzkrise zu, zumal er unter anderem nicht nur für die Vollendung des Binnenmarkts durch den Abbau von Markthindernissen verantwortlich zeichnet, sondern auch die Aufsicht über die Finanzdienstleister zu seinen Kompetenzen zählt.

In den letzten Tagen hat Barnier seinen Entwurf zur Regulierung des Bankensektors vorgelegt, wonach den größten Banken ("too big to fail-Banken") künftig der riskante Eigenhandel verboten werden soll. Darüber hinaus sollen die Aufsichtsbehörden die Abtrennung potentiell riskanter Handelsgeschäfte vom Einlagengeschäft verlangen können, wenn die Stabilität des Finanzsystems gefährdet ist. Der Vorschlag basiert auf den Empfehlungen der Expertengruppe um den finnischen Notenbankgouverneur Erkki Liikanen.

Man habe aus der Krise Konsequenzen gezogen, erläuterte Banier und verwies auf die zahlreichen Gesetzesinitiativen aus seinem Bereich zur Regulierung des Finanzmarkts, um Ordnung und Transparenz zu schaffen und die Verantwortlichkeiten einzufordern. Es gehe auch um moralisches Handeln, unterstrich der Kommissar, der sich dafür aussprach, Marktmanipulationen als Straftatbestand zu verankern.

Die SteuerzahlerInnen haben genug für die Bankenrettung gezahlt

Bei der Bankenunion stehe man in der Zielgeraden, die Banken sollen wieder robuster aufgestellt sein und im Dienst der Realwirtschaft stehen, stellte er mit Nachdruck fest. Mit der gemeinsamen Bankenaufsicht, dem europäischen Abwicklungsmechanismus, der angesichts der internationalen Verflechtungen der Banken unumgänglich ist, sowie mit der geplanten Einlagensicherung habe man seitens der Politik wieder das Heft in die Hand genommen, reagierte Barnier auf eine Frage von Werner Kogler (G). Hätten wir die Regelungen bereits vor fünf Jahren gehabt, hätten wir nur drei Banken retten müssen, warb er für die Bankenregulierung. All seine Vorschläge zielten darauf ab, den Krisen vorzubeugen, im Fall einer Krisenbewältigung aber nicht den SteuerzahlerInnen in die Taschen zu greifen. Vielmehr müssten die Banken dafür aufkommen, merkte er auf Fragen von Barbara Rosenkranz (F), Andreas Zakostelsky (V) und Kai Jan Krainer (S) an. Schließlich habe man in den letzten Jahren 13 % des BIP der EU für die Bankenrettung aufgewendet, "das reicht jetzt", so der EU-Kommissar.

Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit und Paket für die mittelständische Wirtschaft
Die EU habe die richtigen Schritte gesetzt und damit verhindert, dass die Eurozone explodiert. Der Zug sei im Gleis geblieben, nun gehe es darum, die Erholung mit entsprechenden Maßnahmen zu unterstützen. Dazu gehöre auch der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit, wofür in den nächsten Jahren 6 Mrd. € zur Verfügung gestellt werden. Ebenso werde für die mittelständische Wirtschaft ein Paket geschnürt, etwa Maßnahmen gegen Fälschungen sowie Vereinfachungen in Bezug auf das öffentliche Auftragswesen.

Mit Hilfe eines Rahmens für europäische Signaturen und das Rechnungswesen will Barnier die Digitalisierung des öffentlichen Auftragswesens fördern, zugleich sieht er dabei ein Einsparungspotenzial von rund 80 Mrd. €. Die Bedenken von Abgeordnetem Wolfgang Katzian (S) im Hinblick auf die Auswirkungen der Digitalisierung auf die ArbeitnehmerInnen nahm der Kommissar ernst und stellte unmissverständlich fest, er sei durchaus für eine schwarze Liste von Unternehmen, die die Regeln nicht einhalten. Sie sollten auch von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.

Nachdem sich Angelika Rosa Mlinar (N) für einen europäischen Steuerrahmen ausgesprochen hatte, zeigte sich der Kommissar zuversichtlich, dass man eventuell im Bereich der Unternehmenssteuern einen Schritt weiterkommen könnte. Er verwies auf die "mutigen" Vorschläge seines Kollegen Steuerkommissar Algirdas Semeta.

Michel Barnier, ein profilierter Europapolitiker
Der am 9. Jänner 1951 in Frankreich geborene Barnier begann seine politische Karriere bereits Anfang der 1970er Jahre als Abgeordneter im Departement Savoie und als Mitarbeiter im Stab verschiedener Minister. Im Alter von 27 Jahren zog er 1978 für die neogaullistische RPR in die Nationalversammlung als jüngster Abgeordneter ein. Er wurde in den Folgejahren Umwelt- Europa- und Außenminister, unter Nicolas Sarkozy übertrug man ihm 2007-2009 das Ressort für Landwirtschaft und Fischerei.

Im Gegensatz zu Teilen der Neogaullisten war Barnier immer ein vehementer Befürworter der europäischen Einigung. So machte er sich 1992 auch öffentlich für die Annahme des Maastricht-Vertrags im Rahmen des damaligen Referendums in Frankreich stark. Sein europäisches Engagement brachte ihm schließlich die Ernennung zum EU-Kommissar für Regionalpolitik und institutionelle Reformen unter Kommissionspräsident Romano Prodi in den Jahren 1999-2004. In dieser Zeit vertrat er auch die Kommission im Europäischen Konvent, der einen Verfassungsvertrag für Europa ausarbeiten sollte. Nachdem er im März 2006 zu einem der Vizepräsidenten der Europäischen Volkspartei gewählt wurde, zog er bei der Europawahl 2009 als Listenführer der UMP (Union pour un mouvement populaire) in das Europäische Parlament ein. Unter José Manuel Barroso wurde er dann im Februar 2010 zum Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen berufen.

Im Vorfeld der kommenden EU-Wahlen artikulierte Barnier öffentlich sein Interesse für die Funktion des Kommissionspräsidenten und befindet sich damit innerhalb der konservativen politischen Familie in Konkurrenz zum Luxemburger Jean Claude Juncker.

 

 

 

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