Kurz sicherte Serbien Unterstützung auf
 Weg der EU-Annäherung zu

 

erstellt am
27. 02. 14
11.30 MEZ

Außenminister: Auch wirtschaftspolitische und sicherheitspolitische Interessen Österreichs dabei im Vordergrund - Proteste in Bosnien deuten klar auf Notwendigkeit von Reformen hin
Pristina (Prishtina)/Belgrad (bmeia/apa) - Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat Serbien die weitere Unterstützung Österreichs auf dem Weg der EU-Annäherung versichert. "Dort wo wir können, werden wir jederzeit unterstützend tätig sein" sagte Kurz am 26.02. bei seinem Antrittsbesuch in Belgrad.

Kurz betonte, dass Österreich die EU-Annäherung Serbiens nicht nur befürworte, weil diese gut für Serbien sei, sondern auch wegen der wirtschaftspolitischen und sicherheitspolitischen Interessen Österreichs. Der Außenminister verwies vor österreichischen Journalisten in diesem Zusammenhang auf die sogenannte Balkanroute über die nach wie vor organisierte Kriminalität und illegale Migration ablaufe. In Sachen Wirtschaft ist Österreich der größte Auslandsinvestor in Serbien. Seit dem Ende des Milosevic-Regimes in Belgrad haben österreichische Firmen in Serbin 2,9 Mrd. Euro angelegt.

Kurz traf mit Staatspräsident Tomislav Nikolic und dem ersten Vizepremier Alexander Vucic zusammen. Vucic erklärte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kurz, er habe um die weitere Unterstützung Österreichs in Brüssel gebeten: Er wolle aber auch von Österreich auf "Schwierigkeiten, Fehler und Langsamkeiten" beim Integrationsprozess hingewiesen werden.

Vucic will die im Jänner begonnenen EU-Beitrittsverhandlungen bis Ende 2018 abschließen. Außenminister Kurz kommentierte dieses Ziel: "Wir können kein fixes Datum nennen". Er schätze aber "den starken Willen Serbiens" und pochte auf Reformen. "Je schneller Veränderungen in Serbien passieren, desto besser ist das für österreichische Investoren".

Die konkreten EU-Beitrittsverhandlungen sollen im Sommer starten, dann soll auch das Kosovokapitel eröffnet werden. Zusätzlich zu den Beitrittskriterien hat sich Serbien nämlich verpflichtet eine Normalisierung und ein entsprechendes Abkommen mit dem Kosovo zu unterzeichnen. Die frühere serbische Provinz Kosovo hatte sich nach Krieg und jahrelanger UNO-Verwaltung vor 6 Jahren für unabhängig erklärt. Für die EU ist die Normalisierung eine Voraussetzung für die weitere Heranführung Serbiens. Laut Beobachtern könnte Brüssel zu Jahresende auch das ebenso schwierige Justizkapitel mit Serbien eröffnen.

Kurz erklärte vor österreichischen Journalisten, dass bei einem EU-Beitritt Serbiens in Österreich keine Volksabstimmung vorgesehen sei. Er verwies auf das Regierungsprogramm, wonach dies nur nach einem Beitritt der Türkei für notwendig erachtet würde. Kurz sagte, er spüre im Fall Serbien "keinen Anspruch aus der Bevölkerung" abzustimmen. Zudem sei Serbien mit seinen 7 Millionen Einwohnern wesentlich kleiner als die Türkei mit ihren 74 Mio. Ein Beitritt Serbiens habe daher weniger große Auswirkungen auf die EU.

Kurz kündigte in Belgrad an, dass Österreich seine finanzielle Unterstützung für den gesamten West-Balkan im Rahmen der sogenannten Beitrittspartnerschaft von 1,9 Mio. Euro auf 4,0 Mio. Euro fast verdoppeln wird. Ferner kündigte der auch für Integrationsfragen zuständige Minister an, dass es künftig an der österreichischen Botschaft in Belgrad nach Vorbild der Botschaft in Ankara einen Integrations-Attaché geben wird. Dieser soll Serben betreuen die bereits eine fixe Zusage für eine Neuzuwanderung nach Österreich haben. Unter anderem sollte der Attaché den Kontakt zum österreichischen Integrationsfonds herstellen, Deutschkurse vermittlen und Werte und Gesetze in Österreich darlegen. "Wir wollen mit der Integration vom ersten Tag an beginnen" sagte Kurz. Derzeit leben in Österreich insgesamt rund 300.000 eingebürgerte Serben bzw. serbische Staatsbürger.

Thema zwischen Kurz und Vizepremier war auch Bosnien, wo die jahrelang schwebende Staatskrise jüngst in Form von Sozialprotesten eskaliert ist. Vucic nannte Bosnien "die einzige Frage die mir Angst macht". Bosnien, wo die Serben die zweitgrößte Volksgruppe stellen, sei "die schwierigste Frage auf dem Balkan". Serbien sei dem Dayton-Friedensabkommen verpflichtet und sei keine Gefährdung der Stabilität oder Territorialität Bosnien-Herzegowinas. Kurz erklärte, die Proteste in Bosnien gegen ein "schwer oder gar nicht funktionierendes System" deuteten klar auf die Notwendigkeit von Reformen hin. "Wenn wir da einen Beitrag leisten können, werden wir das tun." Er sei bezüglich Bosnien in Kontakt mit anderen EU-Außenministern.

Vucic steht mitten im Wahlkampf, am 16. März finden in Serbien vorgezogene Parlamentswahlen statt. Für Vucic und seine jetzt schon stimmenstärkste SNS (Serbische Fortschrittliche Partei) ist laut Umfragen eine absolute Mandatsmehrheit in greifbarer Nähe, sodass der ehemalige Ultranationalist und jetzige Pro-Europäer wohl das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen wird.

Außenminister Kurz nahm bei der Pressekonferenz mit Vucic auch Bezug auf die Historie: Hundert Jahre nach Ausbruch des ersten Weltkrieges, nachdem der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand von serbischen Nationalisten getötet worden war, seien Österreich und Serbien so weit "in einem geeinten Europa zusammen zu finden." Der serbische Außenminister Ivan Mrkic sprach sich dafür aus im Gedenkjahr 1914/2014 nach vorne zu blicken: Serbien will ein Mitglied der Europäischen Familie sein. Man solle an die Ereignisse von vor hundert Jahren erinnern die Gedenkveranstaltungen "sollen aber nicht politisiert werden".

Vucic betonte, dass die Beziehungen zu Österreich besser seien als je zuvor. Rund um die Unterstützung Österreichs für die Unabhängigkeit des Kosovo hatte es gravierende Irritationen zwischen Wien und Belgrad gegeben.

Ganz im Sinne des Ausbaus der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen wurde im Beisein von Kurz und Vucic am Mittwoch in Belgrad eine Serbienniederlassung des österreichischen Senats der Wirtschaft gegründet. Der Senat versteht sich als Plattform erfahrener Führungspersönlichkeiten aus Politik, Diplomatie, Wirtschaft, Medien und Kultur die "ohne monolithischen Lobbyismus" im Dialog mit Entscheidungsträgern die Wirtschaftsentwicklung fördern will. Der Präsident des Senats der Wirtschaft Österreich der Ex-ÖVP Vizekanzler und Leiter des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa (IdN) Erhard Busek sieht die neue Niederlassung als "Businessbridge" zwischen Wirtschaftstreibenden in Österreich und Serbien.

Mit den Beitrittsverhandlungen sind die Wirtschaftsbeziehungen mit Serbien noch attraktiver geworden. "Die EU-Perspektive ist ein Motivationsschub den es jetzt im Sinne einer europäischen Gemeinwohlorientierten Wirtschaft zu nutzen gilt", erklärte Hans Harrer aus dem Vorstand des Österreichischen Senats anlässlich der Neugründung.

mri/elf/nik

 

 

 

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