Gedenkjahr 1914: Konferenz über Frieden
 und Demokratie im Parlament

 

erstellt am
17. 03. 14
18.30 MEZ

Was hat Europa aus der Katastrophe des Ersten Weltkriegs gelernt?
Wien (pk) – Der Erste Weltkrieg, der im Sommer 1914 ausbrach, markierte das Ende des "Konzerts der Mächte" in Europa, das historisch bis zum Wiener Kongress der Jahre 1814/1815 zurückreicht. 100 Jahre nach dieser "Urkatastrophe" des 20. Jahrhunderts beraten internationale WissenschaftlerInnen am 17.03. in einer Konferenz im Parlament den Zusammenhang von Demokratie und Frieden. Feierlich eröffnet wurde die Tagung von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und Bundeskanzler Werner Faymann im Historischen Sitzungssaal. Zu den TeilnehmerInnen sprachen auch die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Anne Brasseur, und der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz. Die Tagung findet unter dem Titel "1914 – Der Zusammenbruch einer Friedensordnung: Ist Demokratischer Friede eine Alternative?" im Budgetsaal statt. Die Beratungen zielen auf Faktoren zur Sicherung des internationalen Friedens und nehmen ihren Ausgang von der These, dass demokratische Verfassungsstaaten gegeneinander keine Kriege führen – das sei der Grund für den Erfolg der Europäischen Union als Friedensprojekt.

Barbara Prammer: Krieg ist keine Option
Nationalratspräsidentin Barbara Prammer stellte den Hinweis auf Immanuel Kants Schrift "Zum ewigen Frieden" aus dem Jahr 1795 an die Spitze ihrer Ausführungen. Dies sei der Urtext der Lehre vom Demokratischen Frieden, der im Zentrum der heutigen Konferenz hochrangiger Politikwissenschaftler aus aller Welt stehe. Die Idee des Demokratischen Friedens transzendiere jeden Nationalismus, hielt Prammer fest und gab ihrer Überzeugung Ausdruck, dass der alte Grundsatz "si vis pacem para bellum" ("Wer den Frieden will, rüste für den Krieg") im 21. Jahrhundert keine Option mehr sein könne. Es gelte, die auch auf internationaler Ebene etablierte Herrschaft des Rechts zu bewahren und andere als kriegerische Mittel zur Lösung von Problemen und Konflikten einzusetzen. Dies sei eine der wichtigsten Aufgaben parlamentarischer und demokratischer Politik, sagte die Nationalratspräsidentin.

Werner Faymann: Wir dürfen Massenarbeitslosigkeit nicht akzeptieren
Bundeskanzler Werner Faymann sah das Ziel des Gendenkjahres 2014 darin, Lehren aus dem Ausbruch des 1. Weltkriegs, des Bürgerkriegs im Februar 1934 und aus dem Ausbruch des 2. Weltkriegs im September 1939 zu ziehen. Im Ersten Weltkrieg kamen erstmals in der Geschichte Massenvernichtungswaffen zum Einsatz, erinnerte der Bundeskanzler und beantwortete die Frage, warum es trotz all der Greuel nach 1918 nicht gelang, den Frieden langfristig zu sichern, mit den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1933. Not und Elend der Menschen führten zur Zerstörung der politischen, sozialen und demokratischen Strukturen. Daher müsse es auch in unseren Tagen darum gehen, Arbeitsplätze zu schaffen, Wissenschaft, Innovation, Kunst und Technologie zu fördern und in die internationale Solidarität zu investieren. "Wir dürfen Massenarbeitslosigkeit nicht akzeptieren", sagte Faymann und warnte zudem vor politischen Strömungen, die die Idee der europäischen Integration bekämpfen. "Gehen wir den europäischen Weg weiter, bekämpfen wir die Arbeitslosigkeit und bewahren wir die Demokratie", schloss der Bundeskanzler.

Anne Brasseur: Keine Alternative zu Demokratie und Herrschaft des Rechts
Die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Anne Brasseur, blickte zunächst zurück in die erfolgreiche Geschichte des Europarates, dessen Grundlage das gemeinsame Bekenntnis zu Demokratie, Menschenrechten und zur Herrschaft des Rechts darstellt. Die Anerkennung dieser Grundsätze, die auch die OSZE bestimmen, haben Europa zu einer der stabilsten Regionen der Welt gemacht. "Wir müssen den Frieden erhalten, die Demokratie weiterentwickeln und die Korruption bekämpfen", schloss Brasseur aus dieser positiven Erfahrung. Auf die Krise zwischen Russland und der Ukraine eingehend unterstrich Brasseur die Notwendigkeit, gegensätzliche Interessen realistisch einzuschätzen, den Dialog fortzusetzen, die Mittel der Diplomatie einzusetzen und dabei klar zu sehen, dass es keine Alternative zu den Grundsätzen der Demokratie und der Herrschaft des Rechts gebe.

Martin Schulz: Gemeinsame Institutionen balancieren Konflikte aus
Auch der Präsident des Europäischen Parlament, Martin Schulz, erinnerte an die Materialschlachten und unermesslichen Grausamkeiten auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkriegs, der als erster industrieller Krieg in die Geschichte einging. Seine Frage lautete indes: "Sind wir wirklich sicher, die richtigen Lehren aus dieser Katastrophe gezogen zu haben?" – Dass enge ökonomische Beziehungen zwischen den Staaten Kriege unmöglich machten, haben seriöse Autoren auch schon vor 1914 geschrieben, sagte der Präsident des Europäischen Parlaments. Diese wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den Staaten haben sich weiterentwickelt, stellte Schulz fest, warnte aber zugleich vor der Vorstellung, dass diese ausreichen könnten, Mächte daran zu hindern, ihre Interessengegensätze auch kriegerisch auszutragen. Schulz nannte die Krisenherde Ukraine, Nordafrika und den Mittleren Osten und betonte es als wichtig, das Werk fortzusetzen, dass die Väter der europäischen Integration – allesamt Menschen der Generation des ersten Weltkriegs – nach dem Ende des zweiten Weltkriegs begonnen haben: Die Europäische Integration. Denn die wichtigsten Instrument zur Verhinderung von Kriegen seien, so Schulz, gemeinsame Institutionen, die Probleme und Konflikte lösen. Dies deshalb, weil sich an wichtigen Voraussetzungen im Zusammenleben der Menschen in Wahrheit nichts geändert habe – nach wie vor gebe es große Länder und kleine, arme und reiche und die Notwendigkeit zur Solidarität. Xenophobie, Rassismus und Antisemitismus seien nicht beseitigt, der Euro-Skeptizismus keineswegs nur auf die extreme Rechte und extreme Linke beschränkt, sondern Teil des Mainstreams. Es seien die gemeinsamen Institutionen, die es möglich machen, gegensätzliche Interessen auszubalancieren, Probleme zu lösen und Konflikte gemeinsam zu überwinden.

Was ist Demokratischer Friede?
Der Erste Programmpunkt der vom Österreichischen Institut für Internationale Politik organisierten Konferenz lautet "Demokratischer Friede - Konzert der Großmächte - Sicherheitsgemeinschaften". In einer Theoriedebatte sollte unter der Leitung von Institutsdirektor Heinz Gärtner zunächst Bruce Russett (Yale University) erläutern, was "Demokratischer Friede" ist. "Sicherheitsgemeinschaften" war das Thema von Adrian Hyde-Price (University of Bath) und Harald Müller (Friedensforschungsinstitut Frankfurt) referierte über "Demokratie und das Konzert der Mächte".

Krieg, Demokratie, Gender - Themenfelder und Fallstudien
Am Nachmittag hatte Markus Kornprobst von der Diplomatischen Akademie Wien die Beratungen über "Themenfelder und Fallstudien" geleitet. Jan Willem Honig (King's College, London) berichtete von "Kriegen für die Demokratie", Simone Wisotzki (Friedensforschungsinstitut Frankfurt) fragte nach Ambivalenzen zwischen "Gender, Demokratie und Frieden" und Florence Gaub (Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien, Paris) sprach über "Bürgerkrieg und Bürgerfrieden".

Was hat Europa aus seinen historischen Erfahrungen gelernt?
Im letzten Themenblock der Konferenz wollten die ForscherInnen unter dem Vorsitz von Gerda Falkner (Institut für Europäische Integrationsforschung der Universität Wien) aus der Theoriedebatte und aus historischen Erfahrungen Lehren ziehen - für die Gestaltung der Sicherheitsarchitektur und für die Außenbeziehungen der EU. Terrence Hopmann (Johns Hopkins University Washington) hat zunächst über "Demokratisierung, Zusammenarbeit der Großmächte und internationale Organisationen in Europa" referiert. Dann hat sich Cengiz Günay (Österreichisches Institut für Internationale Politik) mit der "Europäischen Union und den aufstrebenden Demokratien in ihrer südlichen Nachbarschaft" befasst. Ulrich Brand (Universität Wien) hat über "Neoliberale Globalisierung, Demokratie und Frieden" gesprochen. Parlamentsdirektor Harald Dossi resümierte schließlich die Ergebnisse der Beratungen und beendete die Konferenz.

 

 

 

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