Brandstetter: Selbstbestimmung ist ein
 Gebot der Menschlichkeit

 

erstellt am
20. 03. 14
11.30 MEZ

Modellprojekt "Unterstützung zur Selbstbestimmung" soll Betroffenen neue Wege eröffnen und Anzahl der Sachwalterschaften verringern
Wien (bmj) - In Österreich brauchen aktuell über 59.000 Bürger einen Sachwalter; Tendenz steigend. Mit seinem heute präsentierten Modellprojekt "Unterstützung zur Selbstbestimmung" möchte Justizminister Brandstetter dieser Entwicklung gegensteuern. So ist es das Ziel des am 1. März 2014 gestarteten Projektes, die Zahl der Sachwalterschaften zu verringern und Betroffenen wieder zu mehr Selbstbestimmung zu verhelfen.

"Mit der Sachwalterschaft haben wir ein praxiserprobtes Instrument zur Hand. Ich sehe es aber als Problem, dass die Sachwalterschaft oftmals vorschnell eingesetzt wird. Das Modellprojekt `Unterstützung zur Selbstbestimmung` bietet Betroffen daher einen neuen Zugang zur Sachwalterschaft und mehr Autonomie", so Brandstetter am 19.03. bei der Projektvorstellung.

Minister Brandstetter stellte das Modellprojekt mit NR-Präs.i.R. Univ.-Prof. Dr. Andreas Khol und Abgeordnete Mag. Gertrude Aubauer vor, die sich stark für Reformen im Sachwalterrecht - insbesondere für das Konzept der Alterswohlfahrt - einsetzen.

"Verantwortungsvolle Politik fürchtet sich nicht vor der steigenden Zahl älterer Menschen in Österreich, sondern gestaltet erfolgreich Rahmenbedingungen, die ein gelungenes Miteinander der Generationen ermöglichen", so NR-Präs.i.R. Univ.-Prof. Dr. Andreas Khol, Bundesobmann des Österreichischen Seniorenbundes, amtsführender Präsident des Österreichischen Seniorenrates heute.

"Die 'Alterswohlfahrt' soll Menschen jeden Alters so viel Unterstützung wie möglich geben, jedoch nur so wenig wie wirklich nötig", so Mag. Gertrude Aubauer, Bundesobmann-Stellvertreterin des Österreichischen Seniorenbundes, ÖVP-Seniorensprecherin bei der Projektvorstellung.

Wie der Weg zu mehr Selbstbestimmung aussehen könnte wird seit Anfang März in dem von Brandstetter gestarteten Modellprojekt "Unterstützung zur Selbstbestimmung" erprobt. Dabei wird in Sachwalterschaftsverfahren geprüft, ob man Betroffene statt einer Sachwalterbestellung anderweitig - etwa durch Familienangehörige oder Sozialeinrichtungen unterstützen kann.

Von dem Modellprojekt erhofft sich Brandstetter wichtige Erkenntnisse für eine geplante Reform des Sachwalterrechts und die Alterwohlfahrt - ein Konzept das älteren und beeinträchtigten Menschen Beistand leisten soll.

 

 

 

Facts zur Sachwalterschaft (Status quo)
Mit März 2014 hat das Pilotprojekt „Unterstützung zur Selbstbestimmung“ gestartet, das eine Alternative zur Sachwalterschaft bieten soll. Derzeit (Stand Jänner 2014) bestehen in Österreich ungefähr 59.000 Sachwalterschaften.

Die wichtigsten Eckdaten zur Sachwalterschaft:

Was versteht man unter Sachwalterschaft?
Wenn ein Mensch mit einer geistigen Behinderung oder psychischen Krankheit nicht in der Lage ist, bestimmte Angelegenheiten selbst oder mit Hilfe seiner Familie/nächster Angehöriger oder psychosozialer Dienste zu erledigen, ohne dabei Gefahr zu laufen, benachteiligt zu werden, wird ihm ein Sachwalter beigestellt. Dieser übernimmt die gesetzliche Vertretung des Betroffenen in den Bereichen, in denen der Betroffene sich selbst nicht vertreten kann. In allen anderen Bereichen kann der Betroffene sein Leben weiterhin weitgehend frei von Einschränkungen gestalten.

Wie kommt es zu einer Sachwalterschaft?
Ein Sachwalterschaftsverfahren wird auf Anregung (von Angehörigen, einer Behörde, einer psychosozialen Einrichtung oder des Betroffenen selbst) oder vom Gericht von Amts wegen beim Bezirksgericht eingeleitet. Dabei wird geprüft, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Sachwalterbestellung gegeben sind. Zeigt das persönliche Gespräch („Erstanhörung“) mit dem betroffenen Menschen Anhaltspunkte für die Notwendigkeit eines Sachwalters, wird das Verfahren fortgesetzt; für die Vertretung des Betroffenen im Verfahren wird ihm für die Dauer des Verfahrens ein Verfahrenssachwalter bestellt.
Ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger untersucht den Betroffenen und erstellt ein Gutachten über die Art und das Ausmaß der Behinderung oder Krankheit. Nach einer mündlichen Verhandlung in Anwesenheit des Betroffenen und seines Verfahrenssachwalter entscheidet der Richter, ob ein Sachwalter bestellt oder das Verfahren eingestellt wird.
Wenn schon während der Dauer des Verfahrens wichtige und nicht aufschiebbare Angelegenheiten zu erledigen sind, bestellt das Gericht dafür einen einstweiligen Sachwalter.

Wer kann zum Sachwalter bestellt werden?
Als Sachwalter werden in erster Linie nahestehende Personen (Angehörige, Freunde, Bekannte) der betroffenen Menschen bestellt. Wenn keine nahestehende Person für diese Aufgabe zur Verfügung steht und/oder wenn spezielle Anforderungen mit der Sachwalterschaft verbunden sind, werden Sachwaltervereine als Sachwalter eingesetzt. Stehen diese als Sachwalter nicht zur Verfügung und/oder müssen überwiegend rechtliche Angelegenheiten erledigt werden, werden Rechtsanwälte oder Notare als Sachwalter eingesetzt. Darüber hinaus kann das Gericht eine andere geeignete Person (z.B. einen Sozialarbeiter) als Sachwalter bestellen. Die Entscheidung, wer als Sachwalter bestellt wird, trifft das Gericht. Dabei steht das Wohl des betroffenen Menschen im Vordergrund; sein Wunsch muss berücksichtigt werden.

Welche Aufgaben hat ein Sachwalter?
Der Richter legt den Kreis der konkreten Aufgaben des Sachwalters für jeden Fall individuell fest. Zu den Aufgaben eines Sachwalters gehören beispielsweise die Vertretung des Betroffenen vor Ämtern, Behörden und gegenüber privaten Vertragspartnern, die Geltendmachung finanzieller Ansprüche, die Verwaltung von Vermögen und Einkommen, die Zustimmung zu medizinischen Behandlungen.
Der Sachwalter kann für eine einzelne Angelegenheit, für einen Kreis von Angelegenheiten oder – wenn es unvermeidlich ist – für alle Angelegenheiten des Betroffenen bestellt werden. Ändert sich der Gesundheitszustand des Betroffenen, kann dieser oder der Sachwalter einen Antrag ans Gericht zu stellen, die Sachwalterschaft aufzuheben, zu erweitern oder zu reduzieren.

Sachwaltervereine und ihre Aufgaben
In Österreich gibt es vier Sachwaltervereine. Zu ihren Aufgaben gehören die Übernahme von Sachwalterschaften und die Schulung und Beratung nahestehender Personen, die als Sachwalter bestellt sind. Darüber hinaus klären Sachwalterschaftsvereine im Auftrag des Gerichts vor der Bestellung eines Sachwalters ab, ob und welche Alternativen es im konkreten Fall zur Sachwalterschaft geben könnte (Clearing).

     

Hier finden Sie allgemeine Informationen >

 

 

 

 

 

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