Josef Dabernig: Rock the Void

 

erstellt am
21. 05. 14
11.30 MEZ

Von 6. Juni bis 14. September 2014 im MUMOK
Wien (mumok) - Ordnungsliebe und Minimalismus, rationalistische Obsession und der Hang zu planbaren Strukturen scheinen die Szenerie zu prägen, die der Künstler und Filmemacher Josef Dabernig (geb. 1956 in Kötschach-Mauthen) für seine erste umfassende Überblicksausstellung in musealem Rahmen entwickelt. Und doch wird die von ihm zur Schau gestellte Aufgeräumtheit durch subtile Irritationen und Ungereimtheiten aller Art immer wieder ins Wanken gebracht. Der systemimmanente Leerlauf diverser Art wird mit viel konzeptuellem Humor zum Gegenstand der Auseinandersetzung. Ein zentrales Element von Rock the Void ist der Raster, der den BesucherInnen als Montageprofil an den Wänden, als Reihung rechtwinkliger Vitrinen oder als Abfolge kubischer Einbauten begegnet.
Für seine Personale im mumok hat der Österreicher ein sich über drei Ausstellungsebenen erstreckendes, architektonisches Konzept entwickelt, mit dem er seine künstlerischen Arbeitsbereiche zueinander in Beziehung setzt. Frühe Skulpturen, konzeptuelle Auflistungen und Textarbeiten sowie mathematisch strukturierte Aluminiumraster finden darin ebenso ihren Platz wie Fotopanoramen von Fußballstadien und Dabernigs filmische Werke. Sein neuer Film River Plate (2013) ist ebenso zu sehen wie der bei den Filmfestspielen in Venedig 2011 für den Europäischen Filmpreis nominierte Hypercrisis (2011). Auch Dabernigs Filmerstling Wisla (1996), dem international breite Anerkennung zuteil wurde, ist darunter.

Kubus im Kubus im Kubus im Kubus
Mit ähnlicher Systematik und formalistischer Strenge, mit der Dabernig bereits 1977 als 21-Jähriger ein Buch zur fachgemäßen Wartung des Darms (Franz X. Mayr, Schönheit und Verdauung oder die Verjüngung des Menschen durch sachgemäße Wartung des Darms, 1920) Wort für Wort handschriftlich kopierte, präsentiert er nun sein Werk im mumok. Pro Ebene finden die BesucherInnen einen seiner zwischen 1989 und 1996 entstandenen Aluraster - auf Basis eines Montagesystems, das in der Wohnbausanierung als Unterkonstruktion für vorgehängte Fassaden zum Einsatz kommt - sowie systematisch im Raum verteilte Ausstellungsvitrinen. In Serien angeordnet, rhythmisieren diese für seine Konzepte, Fotografien und Textarbeiten als Display genutzten Museumsmöbel den Ausstellungsraum.

Ebenfalls in Serien präsentiert der Künstler Kuben unterschiedlicher Größen, die ihm als Projektions- und Präsentationsräume dienen. Auf jeder Ausstellungsebene stehen je drei nach Größe angeordnete weiße Kuben drei weiteren Kuben in gegengleicher Größenstaffelung gegenüber. In ihrem Inneren werden Dabernigs Filme projiziert und Diaprojektionen oder Listen, Tickets, Abschriften sowie frühe Skulpturen gezeigt.

Obwohl die gesamte Inszenierung systematische Klarheit und Logik suggeriert, werden diese bewusst unterlaufen. Von Ebene zu Ebene lassen sich subtile Verschiebungen beobachten, die die BetrachterInnen irritieren und die Verheißung von Objektivität und rationaler Ordnung unglaubwürdig erscheinen lassen.

Die Ordnung von Raum-, Architektur- und Gesellschaftssystemen ist ein wiederkehrendes Thema in Dabernigs künstlerischen Gestaltungen. Mit seinen weißen Kuben im White Cube des Museums wird die räumliche und ideologische Ordnung des mumok thematisiert. In ähnlicher Weise nahmen seine Aluminiumraster zuvor Bezug auf die Ordnung der Gebäude, in denen er sie anbrachte. Den Raster o. T. (1995) montierte er zunächst in der historisierenden Salle de bal des Französischen Kulturinstituts. Anschließend fungierte er als temporäre künstlerische Intervention im Bundeskanzleramt; nun findet er sich in den weißen Hallen des mumok und verweist auf die Grundlagen des White Cube – auf die damit verbundenen Vorstellungen von künstlerischer Autonomie, Neutralität und Zeitlosigkeit.

Lücken, Auslassungen und Leerstellen statt klassischer Retrospektive
Dem klassischen Format der Retrospektive begegnet Dabernig dezidiert mit Lücken, Auslassungen und Leerstellen. Er führt uns unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Entstehungszeiten und Kontexte seiner Arbeiten durch die Medien Film, Foto, Text, Objekt und Bau.

In den Ausstellungsvitrinen finden sich seine bis in die Mitte der 1990er-Jahre entstandenen Kontrolllisten, die ein Leben mit und im System, Exzessverweigerung und seinen persönlichen Fetisch Fußball dokumentieren. Sein täglicher Zigarettenkonsum ist notiert – es waren nie mehr als vier Zigaretten pro Tag. Der Benzinverbrauch und Tankstellen, die er mit seinen „Diven“ Fiat, Lancia oder Alfa angefahren hat, finden sich fein säuberlich aufgelistet. Ebenso sind darin Transkripte der Tickets von besuchten Fußballmatches aufgelegt.

Seit 1989 hat Dabernig fotografische Panoramen von Fußballfeldern auf seinen zahlreichen Reisen angefertigt, darunter Plätze in Kairo, Krakau, Prishtina, Gjumri, Vilnius oder Santiago de Chile, die bis auf Ausnahmen nach ein und demselben Schema gemacht sind: Dabernig befindet sich auf Höhe der Mittellinie des Feldes und fotografiert drei Bilder nach links und drei nach rechts, um so eine Ansicht von 180 Grad zu erhalten. Danach fotografiert er die andere Hälfte des Platzes nach dem gleichen Muster.

In den eingebauten Kuben sind neun der 13 ab den 1990er-Jahren entstandenen Filme Dabernigs zu sehen, in denen sein konzeptueller Humor zum Tragen kommt. Der Künstler tritt auch selbst hinter seinen Rastern hervor, um als Fußballtrainer am Rande des Spielfelds (Wisla, 1996), als halb uniformierter Postmonteur (Timau, 1998), als putzwütiger Koch in einem leeren polnischen Speisewagen (WARS, 2001) oder als Sommerfrischler im Hotel Roccalba (2008) selbst vor der Kamera zu agieren. Die Filme zeigen scheinbar systematisches, zielgerichtetes Handeln, das sich immer wieder ins Absurde wendet: Die planvoll gesetzten Aktionen führen in der Regel ins Leere. Eine Leere, die von Josef Dabernig unterstrichen und damit letztlich in ihr Gegenteil verkehrt wird. In diesem Sinne: Josef Dabernig. Rock the Void.

Kuratiert von Matthias Michalka und Susanne Neuburger-

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.mumok.at

 

 

 

 

 

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