Das Bundesheer in Budgetnot und die Chancen
 auf Erneuerung

 

erstellt am
21. 05. 14
11.30 MEZ

Dringliche Anfrage der FPÖ im Nationalrat an Verteidigungsminister Klug
Wien (pk) - Angesichts der geplanten Einsparungen beim Bundesheer sieht die FPÖ die Sicherheit Österreichs gefährdet. Abgeordneter Mario Kunasek sah sich daher in der Sitzung des Nationalrats vom 20.05. veranlasst, eine Dringliche Anfrage an Verteidigungsminister Gerald Klug zu richten. Die 38 Detailfragen sollten dazu dienen, wie Kunasek betonte, Licht ins Dunkel zu bringen, wie sich der Minister die Zukunft des Bundesheeres vorstelle und welche Maßnahmen er setzen werde, damit das Bundesheer seinen Aufgaben auch nachkommen kann.

FPÖ: Wehrpflicht wird über Budgetkürzungen untergraben
Die immensen Einsparungen der letzten Jahre und die im Doppelbudget weiteren Kürzungen von 45 Mio. € im Jahr 2014 und 250 Mio. € im Jahr 2015 betrachten die Freiheitlichen nicht nur als einen Anschlag auf das Österreichische Bundesheer sowie auf die Sicherheit Österreichs, sondern dies lasse auch die Hoffnung auf schnelle Hilfe im Katastrophenfall schwinden. Für die Freiheitlichen drängt sich daher die Frage auf, ob das Bundesheer noch in der Lage ist, die verfassungsmäßig determinierten Aufgaben in vollem Umfang zu erfüllen und die neuen Herausforderungen aufgrund der sich ändernden sicherheitspolitischen Situation in Europa zu bewältigen. Die FPÖ mutmaßt, dass die in der Volksbefragung vom Vorjahr gescheiterte Abschaffung der Wehrpflicht nun über drastische Budgetkürzungen durchgedrückt werden soll.

Kunasek griff vor allem Klugs Vorgänger im Amt, Norbert Darabos, an, der das Bundesheer seiner Auffassung nach finanziell ausgehungert und nachhaltig geschädigt habe. Klug selbst habe sich nach dem Hoffnungsschimmer, den er mit seiner Antrittsrede verbreitet habe, nunmehr Lichtjahre von seinen Ankündigungen entfernt. So sei die Reform des Grundwehrdienstes steckengeblieben, beziehungsweise nur schleppend verfolgt worden, und das Bundesheer könne den Auftrag aus der Sicherheitsstrategie in keiner Weise erfüllen. Das sei eine sicherheitspolitische Bankrotterklärung, so Kunasek. Im Hinblick auf die instabile Situation in der Ukraine werde deutlich, dass sich Umstände schnell ändern können und man darauf vorbereitet sein müsse. Der Abgeordnete thematisierte darüber hinaus auch Schwierigkeiten innerhalb des Bundesheers und warnte davor, dass das Bundesheer kontinuierlich an Attraktivität als Arbeitgeber verliert. Schließlich appellierte er an das Selbstbewusstsein der Abgeordneten und forderte sie auf, die gesetzlichen und budgetären Rahmenbedingungen für das Bundesheer sicherzustellen.

Klug: Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif
Verteidigungsminister Gerald Klug stellte in seiner Antwort in keiner Weise die prekäre budgetäre Lage des Heeres in Abrede. Er zeigte jedoch kein Verständnis für all jene, die die schwierige Situation der Armee für politisches Kleingeld und persönliche Profilierung nutzen, dem Bundesheer damit rhetorisch ein Grab schaufeln und durch permanentes Schwarzmalen das Vertrauen der Bevölkerung in die Leistungen der SoldatInnen untergraben. Jeder Abgeordnete, der sich ehrlich Sorgen mache, der bereit sei, für eine solide Zukunft der Armee und der dafür notwendigen Ausstattung sowie für eine Weiterentwicklung zu einer effektiven Einsatzbereitschaft zu kämpfen, hätte in ihm einen Verbündeten, betonte Klug.

Er wolle die Situation daher auch nicht schönreden, aber es sei ihm gelungen, einen noch stärkeren Einschnitt im Budget weg zu verhandeln. Klug räumte ein, dass die Armee in ihrer derzeitigen Struktur und Größe mit dem zur Verfügung stehenden Budget nicht mehr zu finanzieren sei. Die angespannte finanzielle Situation sei bereits vor Jahren grundgelegt worden, etwa durch den Ankauf der Eurofighter, durch ein seit Jahren überholtes Dienstrecht sowie durch Versäumnisse bei anderen notwendigen Reformen und durch das Faktum, dass die Landesverteidigung in den letzten zehn Jahren ein volles Jahresbudget habe einsparen müssen, richtete der Minister einen kritischen Blick in der Vergangenheit. Als notwendige Konsequenz müsse nun quer durch das Bundesheer eingespart werden, sowohl in der Verwaltung, im Ministerium und bei der Öffentlichkeitsarbeit als auch bei allen Teilen der Streitkräfte und im Fuhrpark.

Des Weiteren sei die militärische Führungsspitze beauftragt worden, ein Konzept für eine neue Struktur der Armee zu erarbeiten. Dabei gehe es um die militärisch einsatzwahrscheinlichsten Aufgaben, skizzierte Klug und nannte in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Katastrophenhilfe im Inland, die Friedensmissionen im Ausland, die Luftraumüberwachung und die Reform des Grundwehrdienstes. Angesichts der finanziellen Ausgangslage müsse ohne Scheuklappen und Tabus diskutiert werden, sagte Klug.

Der Verteidigungsminister bekannte sich dazu, dass auch sein Ressort einen Beitrag zur Erreichung des Nulldefizits 2016 leisten müsse, er ließ aber mit der Bemerkung aufhorchen: "Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif". Er habe sich daher das ambitionierte Ziel gesetzt, ab dem Jahr 2016 für notwendige Beschaffungen und Investitionen zu sorgen. Die Sicherheitsstrategie stelle ein festes Fundament für die Neuausrichtung und Weiterentwicklung der österreichischen Verteidigungspolitik dar, bekräftigte er. Er werde die Vorgaben der Sicherheitsstrategie für seinen Bereich umsetzen und mit den zuständigen Abgeordneten das Gespräch darüber suchen.

Dank für den Einsatz in den Hochwassergebieten
Angesichts der dramatischen Hochwassersituation sprach Minister Klug den SoldatInnen für ihren Einsatz im In- und Ausland besonderen Dank aus. Sie hätten einmal mehr gezeigt, welch hervorragende Leistungen sie vollbringen können. Dieser Anerkennung und diesem Lob schlossen sich alle Fraktionen an.

Opposition befürchtet Aushungern des Heeres
Die Opposition zeigte sich mit der Antwort wenig zufrieden. So meinte etwa Reinhard Eugen Bösch (F), dass zwischen Zielen und Realität eine große Lücke klaffe. Mit 0,6 % Budgetanteil am BIP könnten die Anforderungen der Sicherheitsstrategie nicht erfüllt werden. SPÖ und ÖVP seien dabei, die gesamte Grundlage für die Sicherheit zu zerstören. Für die FPÖ habe die Landesverteidigung Priorität, an zweiter Stelle stehe der Heimatschutz und erst, wenn man dies bewältigen könne, sei ein Auslandseinsatz gerechtfertigt, so Bösch.

Auch wenn es nach einer langen Friedensperiode schwierig sei, die Landesverteidigung mit entsprechenden Budgetmitteln auszustatten, sei es Aufgabe des Parlaments, den Auftrag der Volksbefragung durchzusetzen, den SoldatInnen bestes Material zur Verfügung zu stellen und ihnen eine herausfordernde Ausbildung zu bieten, monierte Georg Vetter vom Team Stronach. Man brauche das Bundesheer zum Schutz der demokratischen Einrichtungen und zur Landesverteidigung, auch die Auslandskomponente dürfe nicht vernachlässigt werden.

Von einem bewussten Aushungern sprach NEOS-Abgeordneter Rainer Hable, nachdem im Zuge der Jugoslawienkrise nicht gelungen sei, das Bundesheer abzuschaffen. Die Aussage Klugs, wonach Einsatzbereitschaft bestehe, sah Hable nur relativ, da es darauf ankomme, welchen Einsatz man meint. Hable kritisierte die mangelnde Ausrüstung sowie zerbröckelnde Strukturen und forderte mehr Ehrlichkeit in der Debatte ein, zumal das Heer laut Zilk-Reformkommission ein Budget von mindestens einem Prozentanteil am BIP benötige, man derzeit aber lediglich bei rund 0,55 % stehe.

Grüne: Eurofighter werterhaltend einlagern
Der Grüne Wehrsprecher Peter Pilz übte nicht nur an der Regierung Kritik, sondern auch an seinen Kollegen der anderen Oppositionsparteien. Diese hätten zwar mehr Budget für das Heer verlangt, ohne zu sagen, woher das Geld kommen solle. Pilz selbst sah keine Möglichkeiten, Budgetmittel von anderen Bereichen für das Bundesheer umzuschichten. Er meinte aber, dass das Bundesheer einen der wenigen Bereiche darstelle, wo man noch radikal umbauen und geordnet sparen könne. In diesem Sinne brachte er einen Entschließungsantrag ein, in dem er forderte, die Eurofighter umgehend stillzulegen und möglichst werterhaltend einzulagern.

Der Ankauf der Eurofighter stellt für Pilz einen wesentlichen Grund für die momentane budgetäre Misere dar. Sie seien unwirtschaftlich im Betrieb, bei Fortbetrieb müsste der Service-Support am Boden erneuert werden, was weitere Millionen kosten würde, rechnete Pilz vor und wies darauf hin, dass aufgrund mangelnder Ersatzteile sowie Geld- und Treibstoffmangels und anderen gravierenden Problemen der Betrieb nur mehr teilweise möglich sei. Aufgrund fehlender Nachtflugtauglichkeit könne der Einsatz nur am Tag erfolgen und das nur zwei Wochen pro Monat. In den anderen beiden Wochen werde die Luftraumüberwachung von den 43 Jahre alten Vorgängern der Draken, den SAAB 105 OE, durchgeführt.

Außerdem erhob Pilz einmal mehr den Vorwurf der Korruption und hielt daher einen Ausstieg aus dem Kaufvertrag für immer wahrscheinlicher. Mit dem zurückfließenden Geld könne man die Budgetlücke schließen, merkte er an. Der Antrag erhielt jedoch nicht die erforderliche Mehrheit.

SPÖ und ÖVP: Herausforderungen annehmen und Reformen durchführen
Die Eurofighter stellen auch für SPÖ-Mandatar Otto Pendl eine Fehlentscheidung dar. Wie Klug bekräftigte er, dass das Heer die Erfüllung der Aufgaben gemäß der Sicherheitsstrategie gewährleisten werde, wobei strukturelle Fragen noch zu klären seien. Anstatt die Bevölkerung zu verunsichern, rief Pendl dazu auf, staatspolitisch und sachlich zu diskutieren und sich mit den Herausforderungen der Zeit zu beschäftigen. Das seien ein attraktiver Grundwehrdienst, schlanke Strukturen für den Kader und modernes Gerät.

Zur Verteidigung von Bundesminister Klug meinte ÖVP-Wehrsprecher Bernd Schönegger, Klug sei keinesfalls ein Totengräber sondern vielmehr ein Intensivmediziner. Für Schönegger wiederum liegt der beträchtliche Teil der Misere in der Amtszeit von Norbert Darabos, dennoch können trotz Konsolidierungsbeitrag die verfassungsmäßigen Aufgaben gewehrleistet werden. Weder beim Tauglichkeitskriterium noch beim Ausrüstungsstandard dürfe man nachgeben und auch das Mischsystem des Heeres sei beizubehalten, forderte er.

Diskussion über Herausforderungen für die Zukunft des Heeres
In der weiteren Debatte bekräftigen die Freiheitlichen, das Bundesheer müsse ausreichend finanziert werden. Abgeordneter Hubert Fuchs (F) sagte, er hoffe, es handle sich bei den kolportierten Einsparungen, etwa bedrohlichen Kürzungen bei der Militärakademie oder im Sanitätsdienst, nur um Gerüchte und forderte Aufklärung durch den Verteidigungsminister. Völlig unzureichende budgetäre Vorgaben sah auch Axel Kassegger (F). In NATO-Staaten gehe man von mindestens 1,3 % des BIP für eine Landesverteidigung auf brauchbarem Niveau aus. Österreich wende jedoch weniger als 0,6 % des BIP auf. Österreich sei derzeit sicherheitspolitischer Trittbrettfahrer und gehöre im Katastrophenschutz zu den Schlusslichtern Europas, kritisierte auch der Freiheitliche Budgetsprecher Elmar Podgorschek. Für Österreich sei die bewaffnete Neutralität immer noch das Beste, eine gemeinsame EU-Armee hieße letztlich Anschluss an ein europäisches Militärbündnis und NATO-Beitritt mit vielen negativen Folgen, warnte er.

Große Naturkatastrophen könnte das Bundesheer als Folge eines jahrelangen "Kaputtsparens" und "Aushungerns" durch die Politik gar nicht mehr bewältigen, befürchtete Rouven Ertlschweiger (T). Österreich müsse sich endlich klar darüber werden, ob es ein gut aufgestelltes, effizientes Bundesheer wolle, oder nicht, stellte er die Frage in den Raum.

NEOS-Klubchef Matthias Strolz (N) wiederum hielt einen grundsätzlich neuen Ansatz in Fragen der Sicherheitspolitik für notwendig und meinte, nur über Kooperation innerhalb der EU könne man sinnvolle Konzepte finden. Europa brauche eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, wenn es seine humanistischen Werte verteidigen und nicht von außen dominiert werden wolle, argumentierte er. In einer Reaktion darauf meinte Nikolaus Berlakovich (V), Europa müsse sicherlich nicht militärisch aufrüsten, sondern seine politische Handlungsfähigkeit stärken, um seine Interessen zu vertreten. Es gebe eindeutige Alarmzeichen über den Zustand des Bundesheeres, hier müsse der Verteidigungsminister handeln.

Mehr aktive Friedenspolitik forderten die Grünen. Tanja Windbüchler-Souschill (G) sagte, das Bundesheer müsse imstande sein, tatsächliche Friedenseinsätze wahrzunehmen und humanitäre Hilfe zu leisten. Weder im Landesverteidigungsministerium noch im Außenressort erkenne sie aber eine Strategie für eine aktive Friedenspolitik, kritisierte sie. Ihre Parteikollegin Gabriela Moser (G) forderte ebenfalls eine klare Sicherheitsstrategie für Österreich im Kontext einer europäischen Sicherheitspolitik. Das Bundesheer müsse sich auf seine Kernaufgaben konzentrieren und veraltete Strukturen abbauen. Die überteuerten Eurofighter seien "der Sargnagel" des Bundesheeres, sagte Moser.

Hannes Weninger (S) meinte hingegen, die sicherheitspolitische Lage in Europa habe sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. Es sei daher notwendig, kostspielige Strukturen aus früherer Zeit zu überwinden, damit das Bundesheer seine grundlegenden Aufgaben finanzieren könne. Ähnlich argumentierte seine Fraktionskollegin Andrea Gessl-Ranftl und hielt fest, das Bundesheer werde auch in Zukunft trotz angespannter budgetärer Lage voll einsatzbereit sein. Für Dorothea Schittenhelm (V) war klar, dass die Umsetzung des Regierungsprogramms zum Bundesheer gewährleistet ist. Trotz aller notwendigen Umschichtungen dürfe die Ausbildung der Grundwehrdiener sowie die Aus- und Weiterbildung der Kader nicht in Frage gestellt werden, mahnte sie.

 

 

 

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