Wiener Gemeinderat zum Rechnungsabschluss 2013

 

erstellt am
25. 06. 14
16.00 MEZ

General- sowie Spezialdebatten zu den acht Ressorts am 23. und 24. Juni 2014
Wien (rk) - Die 54. Sitzung des Wiener Gemeinderates in der laufenden Wahlperiode ist im Zeichen des Rechnungsabschlusses 2013 gestanden, sie startete am 23.06. um 9.00 Uhr. Die Debatte begann wie üblich der Bericht von Vizebürgermeisterin Finanzstadträtin Renate Brauner und die Generaldebatte. Wien stehe auf "grundsoliden Beinen", der Weg "maßvoller Konsolidierung" werde durch intelligente Reformen fortgesetzt. Gleichzeitig investiere die Stadt in die Pfeiler Bildung, Soziales, Gesundheit und Infrastruktur. Im Jahr 2013 habe Wien 12,471 Milliarden Euro an Ausgaben verzeichnet und ebenso viel eingenommen. Den aktuellen Schuldenstand bezifferte Brauner mit 4,635 Milliarden Euro. Das sei weniger als sechs Prozent des Bruttoregionalprodukts (BRP) und somit "nicht einmal ein Zehntel des EU-Schuldenlimits". Brauner bekräftigte ihren Wunsch, den europäischen Stabilitätspakt zu überdenken: Investitionen in "wertschaffende Projekte" sollten davon ausgenommen sein. Ebenso sprach sie sich für eine bundesweite Steuerreform aus: Arbeit sei derzeit zu hoch, Vermögen zu niedrig besteuert.

Die ÖVP kritisierte, dass sich die Schulden Wiens seit 2008 vervierfacht hätten. Auch eine Arbeitslosenrate von 10,2 Prozent sei "nicht vernünftig". Trotz "sprudelnder Einnahmen" sei von Sparen keine Rede. Das beste Sozialprogramm sei "nicht die Mindestsicherung, sondern ein Arbeitsplatz", meinte die Volkspartei. Die Grünen erwiderten: Es sei nicht "clever", eine Stadt "kaputt zu sparen". Sie bekräftigten, dass öffentliche Dienstleistungen unter Rot-Grün nicht privatisiert würden. Das Wachstum Wiens sei eine Chance, "intelligente Sozialpolitik" zu betreiben: Günstige Öffi-Jahreskarten, sozialer Wohnbau und der Gratis-Kindergarten zählten dabei zu wichtigen Maßnahmen. Die FPÖ unterstellte der Stadtregierung "Event- und Klientelpolitik", es werde an den falschen Orten gespart und investiert. Zeit sei es für "Transparenz und verantwortungsvolle Politik"; die Freiheitlichen sprachen eine Einladung an "vernünftige Kräfte in der Sozialdemokratie" zur Zusammenarbeit aus.

Spezialdebatte GGr. Finanzen, Wirtschaftspolitik und Wiener Stadtwerke
Die ÖVP fand Kritik an Public-Private-Partnership-Projekten (PPP): Diese seien weder transparent noch risikoavers; zudem entzögen sie sich der Kontrolle durch Gemeinderat und Stadtrechnungshof. Die Grünen strichen erneut die "leistbare" Öffi-Jahreskarte und den Gratis-Kindergarten hervor und gaben zu bedenken, dass aufgrund des Wachstums der Stadt das Personal im Bereich kommunaler Dienstleistungen aufzustocken sei. Die Freiheitlichen beklagten sinkende Mittel für Wirtschaftsförderung, darunter litten insbesondere KleinunternehmerInnen. "Besorgniserregend" seien die Arbeitslosigkeit in Wien sowie die "hohe Zahl" der Privatinsolvenzen. Die SPÖ verteidigte ihre antizyklische Wirtschaftspolitik: Es sei "schlau", in Infrastruktur zu investieren und damit Arbeitsplätze zu schaffen. Wien als Start-Up-Standort lebe von guter Infrastruktur, qualifizierten Kräften und Weltoffenheit. Mit den 133 Ansiedelungen im vergangenen Jahr hätten nun über 1.000 internationale Unternehmen eine Niederlassung in Wien, was für den hiesigen Standort spreche.

+Spezialdebatte GGr. Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und BürgerInnenbeteiligung
In den Augen der ÖVP "spaltet die Wiener Verkehrspolitik die Stadt" - daran sei nicht allein die Mariahilfer Straße schuld. Die Volkspartei wiederholte ihre Forderung nach dem Bau der U-Bahn-Linie U5. In Sachen Stadtentwicklung wiederum herrsche "Stillstand", meinte die ÖVP. Die Grünen verwiesen auf 2013 als jenes Jahr, in dem der Stadtentwicklungsplan STEP 2025 maßgeblich erarbeitet worden sei. BürgerInnenbeteiligung werde ernst genommen, der ganze STEP sei ein Ergebnis von Partizipation. Die Grünen verteidigten Flächenwidmungen zur Schaffung zusätzlichen Wohnraums - alles andere spiele "Spekulanten in die Hände" und sei unsozial. Maßnahmen für Fußgeh- und Radverkehr schlügen sich in steigenden Nutzungszahlen nieder. Die FPÖ ortete rot-grüne "Klientelpolitik" und kritisierte mangelnden Ausbau von Rad-Infrastruktur, das Fehlen einer eigenen Polizeieinheit für die Wiener Linien sowie das "schlechte Baustellenmanagement" im Straßenbau. Die Opposition zeichne "unglaubwürdige Schauerbilder", sagte die SPÖ. Am Beispiel der Tätigkeiten der Stadtplanung unterstrich sie die gute Vernetzung der Verwaltung bei führenden Themen der Planungspolitik. Wien mit seinem "außergewöhnlich hohen" Anteil an NutzerInnen des öffentlichen Verkehrs nehme eine "hervorragende" Rolle im Städtevergleich ein.

Spezialdebatte GGr. Gesundheit und Soziales
Die Zahl der MindestsicherungsbezieherInnen sei "eine Schande" für Wien, klagte die ÖVP, die Stadtregierung agiere planlos und ineffizient. Das Krankenhaus Nord werde vermutlich teurer und später fertig als angekündigt, was "ein skandalöser Umgang mit Steuergeld" sei. Es sei ein hoher politischer Verdienst, dass es die höchste Kindermindestsicherung in Wien gebe, meinten die Grünen. Investitionen in Infrastruktur seien "Eckpfeiler" des Gesundheitswesens. Abseits des KH Nord seien Erweiterung und Modernisierung der Rudolfstiftung als Beispiel an Effizienz hervorzuheben. Die FPÖ sagte: Beim AKH fehle es nach wie vor an Kontrolle und Management, auch das KH Nord sei von Misswirtschaft betroffen. Sie vermisste ein Umweltkonzept im Krankenanstaltenverbund (KAV) und warnte vor drohendem Ärztemangel.

Die SPÖ bekräftigte, dass die Wiener Gesundheitspolitik für Solidarität, soziale Gerechtigkeit und die "beste" medizinische Versorgung stehe. Gerade sozial Schwache bräuchten die Hilfe einer "starken Stadt". Das vorliegende Budget zeige das "dichte soziale Netz" sowie umfassende Gesundheitseinrichtungen auf. Die Modernisierung der Rudolfstiftung sei eines der wichtigsten Projekte des vergangenen Jahres gewesen, genauso das neue OP-Zentrum im Kaiser-Franz-Josef-Spital. Betreffend KH Nord hielt die SPÖ fest: Der Rohbau sei termingerecht fertiggestellt, der Innenausbau habe bereits begonnen.

Spezialdebatte GGr. Kultur und Wissenschaft
Die ÖVP meinte: Dem SPÖ-Kulturstadtrat fehle es an "Entscheidungsfreude", die Grünen wiederum würden Kunst und Kultur "instrumentalisieren". Mehrere Finanzierungsfragen seien offen, etwa für das neue Wien Museum. Zudem liege das Musikschulwesen brach. Die Grünen bekannten, dass aufgrund der wirtschaftlichen Lage "nicht genug Geld für alle" vorhanden sei. Dennoch gebe es den Versuch, finanzielle Leistungen zu erhalten, denn Kultur sei "einer der wichtigsten Politikbereiche". Vereinigte Bühnen und Wien Museum seien Beispiele für Intransparenz im Ressort, meinte die FPÖ. Während die Stadt für den "Life Ball" ihre "gesamte Infrastruktur" zur Verfügung stelle, würden gleichzeitig soziale Leistungen gestrichen. Die SPÖ verwies auf das Kulturbudget des vergangenen Jahrzehnts: "Auch wenn mit Kultur keine Wahl zu gewinnen ist", zeige die Budgetentwicklung das "klare Bekenntnis" der Stadt zur Kulturpolitik. In Wien werde im Durchschnitt pro Jahr ein Theater gegründet, Fördertöpfe würden neu ausgerichtet. Für die Zukunft sei es wichtig, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen - Wien halte sein kulturelles Erbe hoch und verschränke es mit der Moderne.

Spezialdebatte GGr. Umwelt
Die "Intransparenz des Budgets" spiegle sich auch in diesem Ressort wider, meinte die ÖVP. Gebühren würden in "Belehrungs- und Wohlfühlkampagnen" fließen. Sie forderte weitere Wasserspielplätze und ein Abschaffen der Hundesteuer. Positiv nannte die ÖVP Auswirkungen der Stadtlandwirtschaft. Die Grünen verwiesen auf den "hervorragenden" Umwelt- und Naturschutzbericht, auch beim Klimaschutz stehe Wien "am besten" da. Einnahmen, etwa durch Wassergebühren, würden beispielsweise für die Rohr-Erneuerung "Gürteloffensive" und mehr Versorgungssicherheit verwendet würden. Erneut wiederholte die FPÖ ihre Kritik an der Höhe von Müll-, Wasser- und Kanalgebühren. Wien hinke in der Mülltrennung anderen Bundesländern "hinterher", die Mülltrennung an Kindergärten und Schulen sei mangelhaft. Gleichzeitig flössen große Summen in "sinnlose Inseratenkampagnen". Die SPÖ betonte, dass das Umweltressort sehr "breit" arbeite - von Sauberkeit über Strategien für die Zukunft bis zu BürgerInnenbeteiligung. Zu den gelungenen Beispielen zählten demnach der "ÖkoBusinessPlan", welcher Betrieben helfe ressourcenschonend zu handeln. Auch neue Parks, Lärmschutzmaßnahmen und das "TierQuartier" hob die SPÖ hervor.

Spezialdebatte GGr. Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung
Die ÖVP bekräftigte ihren Wunsch nach Förderung von Eigentum. Gemeindewohnungen sollten demnach MieterInnen à la longue zum Kauf angeboten werden. Gleichzeitig sprach sich die ÖVP gegen eine Mietzinsobergrenze aus und verwies auf das Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Die Grünen verwiesen beim Wohnungsneubau auf den begrenzten Grundstücksplatz. Wohnbauträger seien demnach nicht willig, hohe Quadratmeterpreise für Grundstücke zu zahlen. Daher brauche es Reglements zur Dämpfung "überhöhter Preise" - was allerdings nur mit einer Änderung der österreichischen Verfassung möglich wäre. Die FPÖ sagte: Genossenschaften seien zum Großteil "rot besetzt". Daraus entstünde eine Unvereinbarkeit, zum Beispiel beim Abschluss von Bauverträgen. Zudem werde das Kostendeckungsprinzip gebrochen: Weil Genossenschaften freie Finanzmittel zurückhielten, sei die Rate von Genossenschaftsneubauten "erschreckend niedrig". Die SPÖ führte aus: Der Wohnbau in Wien nehme bereits fast die Hälfte des gesamtösterreichischen Marktes ein. Neben der Schaffung leistbaren Wohnraumes sichere dies Aufträge für Klein- und Mittelbetriebe. 7.000 geförderte Wohnungen würden derzeit im Jahr übergeben, 20.000 weitere Einheiten seien zudem in Planung oder Entstehung. Das entspreche einem Investitionsvolumen von rund 2,6 Milliarden Euro. Für den Bau neuer Wohnungen seien ausreichend Grundstücke vonnöten, 2,2 Millionen Quadratmeter Fläche befänden sich zu diesem Zweck im Portfolio des Wohnfonds.

Spezialdebatte GGr. Integration, Frauenfragen, KonsumentInnenschutz und Personal
Frauenpolitik spiele im Wiener Budget eine zu geringe Rolle, meinte die ÖVP. Jede dritte Alleinerzieherin sei armutsgefährdet, was laut Volkspartei an zu wenigen Plätzen zeitflexibler Kinderbetreuung liege. MigrantInnen in Wien hätten "Rechte und Pflichten": Deutsch zu lernen sei Mindestvoraussetzung und Ziel der Integration. Wien sei eine Stadt der Weltoffenheit, sagten die Grünen: Beim Kampf gegen Diskriminierung von Schwulen, Lesben und Transgender-Personen habe Wien europaweit die Themenführerschaft übernommen. Gegen die Armutsgefährdung alleinerziehender Frauen setze Wien Maßnahmen wie den Gratis-Kindergarten. Die FPÖ meinte: Zuwanderung sei kein Selbstzweck, sie müsse im Interesse der Bevölkerung sein. Probleme mit ethnischen Gruppen gebe es nur, wenn sich diese "nicht einfügen" wollten. Zum Bereich Personal meinten die Freiheitlichen, dass Wien "großzügig" Unternehmen ausgliedere, um sich damit der Kontrolle zu entziehen und "lukrative Posten" zu schaffen. Sprachenvielfalt sei für ein weltoffenes Wien eine große Chance, sagte die SPÖ. Rund 250 Sprachen würden in Wien gesprochen, für Wiens Wettbewerbsfähigkeit sei dies von enormer Bedeutung. Unter dem Motto "Sprache bildet" würden Sprachen flächendeckend in Kindergärten und Schulen gefördert. Auch durch die neue Lernhilfe ab kommendem Herbst und die Neuorganisation von Deutschkursen würde dies passieren. Dialog sei auf jeden Konflikt die Antwort: Fremden- und Frauenfeindlichkeit sowie Homo- und Transphobie hätten in Wien keinen Platz. Die Stadt engagiere sich für gerechte Bezahlung sowie Arbeitsteilung in Familienarbeit und Angehörigenpflege.

Spezialdebatte GGr. Bildung, Jugend, Information und Sport
Die ÖVP kritisierte die hohen Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit: Inserate sollten "zurecht rücken, was schief läuft". Die "Gratis-Nachhilfe" sei "definitiv nicht" gratis, sie müsse in irgendeiner Form finanziert werden. Zudem seien private Einrichtungen, die vor allem für Kinder mit besonderen Bedürfnissen zur Verfügung stünden, davon ausgeschlossen. Beim Sport fehle es an "Vision und Weitblick", an Infrastruktur und Förderung des Nachwuchssportes. Die Grünen hoben die Alleinstellung hervor, dass der Gratis-Kindergarten nur in Wien angeboten werde. Wien habe als einzige Stadt das Barcelona-Ziel erreicht, für 4- bis 6-Jährige gebe es mehr Betreuungsplätze als Kinder. Das Ressort-Budget sei in der Bildung "besser aufgehoben als im Bereich Werbung". Die FPÖ warnte davor, "Parallelgesellschaften zu negieren". Wer Verbindendes vor Trennendes stellen wolle, müsse die gemeinsame Sprache Deutsch als "höchstes Gut" akzeptieren. Mehrsprachigkeit sei "toll und ein Luxus, den wir uns leisten"; das eigentliche Problem seien fehlende Deutschkenntnisse. Das Modell der Ganztagsschule erziehe Kinder zur "Unselbstständigkeit", viel wichtiger sei die Qualität des gebotenen Unterrichts. Die SPÖ sagte: Jugendarbeitslosigkeit könne nur durch vernetztes Denken bekämpft werden, was angefangen im Kindergarten bis zur Volkshochschule und den Büchereien auch passiere. Sie zeigte sich überzeugt vom Erfolg der "Förderung 2.0": Wien werde seinen LehrerInnen-Stellenplan, der vom Bund zugewiesen werde, um 300 Lehrkräfte bewusst überziehen. 220 dieser LehrerInnen würden für den Gratis-Förderunterricht eingesetzt werden. Die SPÖ verteidigte die Ganztagsschule als "erfolgreiches Schulmodell, das soziale Unterschiede ausgleicht."

Abstimmungen
Der Rechnungsabschluss für das Jahr 2013 wurde mit den Stimmen der Regierungsparteien SPÖ und Grüne angenommen. Mit derselben Mehrheit angenommen wurden die Jahresabschlüsse für Krankenanstaltenverbund (KAV), Wien Kanal sowie Wiener Wohnen.

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at