Der Blick zurück

 

erstellt am
28. 07. 14
10.00 MEZ

Historiker der Uni Graz erforscht die öffentliche Erinnerung an den Ersten Weltkrieg in Österreich
Graz (universität) - Vor exakt hundert Jahren brach der Erste Weltkrieg aus und forderte 17 Millionen Opfer. Die kollektive Erinnerung an diese alles verändernde Zäsur war in Österreich im öffentlichen Raum lange ambivalent: Heroisierende Darstellungen dominierten die Denkmalkultur für Jahrzehnte, während Trauer, Verlust und Kriegsgegnerschaft nur in regional begrenzten Mahnmalen thematisiert wurden – etwa im Wotruba-Denkmal in Leoben-Donawitz. Ass.-Prof. DDr. Werner Suppanz vom Institut für Geschichte der Karl-Franzens-Universität erforscht, wie im Verlauf des zwanzigsten Jahrhunderts des Ersten Weltkriegs und der gefallenen Soldaten gedacht wurde. Eine Entwicklung, die zwangsläufig eng mit politischen Strömungen und dem nationalen Diskurs über den Krieg verknüpft ist.

Mitte der 1920er Jahre, als die größten kriegsbedingten Nöte einigermaßen überwunden waren, begann man mit der kulturellen Aufarbeitung. Eine erste Denkmalwelle präsentierte ein einheitliches Bild, erklärt Suppanz: „Tapfere Soldaten, die in Treue und Pflichterfüllung ihr Leben ließen – andere Auslegungen der Vergangenheit existierten praktisch nicht. Nur dort, wo die Sozialdemokratie dominierte, etwa in Wien oder in den obersteirischen Industriegebieten, wurden Leid und Verzweiflung gezeigt.“ All diese frühen Denkmäler entstanden hauptsächlich durch das Engagement von Vereinen und Verbänden, staatliche Initiativen gab es kaum. Das änderte sich jedoch mit dem Austrofaschismus Mitte der 1930er Jahre. „1934 wurde das Heldendenkmal mit der Figur des Toten Soldaten im Äußeren Burgtor in Wien enthüllt. Das war der Beginn des Versuchs, eine gesamtstaatlich verbindliche Erzählung über den Ersten Weltkrieg durchzusetzen – mit den Mitteln der Diktatur.“

Nachdem der Austrofaschismus 1938 durch den Nationalsozialismus abgelöst wurde und der Zweite Weltkrieg noch viel verheerendere Folgen nach sich zog, verschwand sein Vorgänger nahezu vollständig aus dem öffentlichen und wissenschaftlichen Diskurs. Denkmäler aus der Zwischenkriegszeit wurden meist kurzerhand um die Jahreszahlen 1939-1945 erweitert. Eine einheitliche Erzählung zum Ersten Weltkrieg war in der Zweiten Republik kein vorrangiges Anliegen mehr – im Gegensatz zu Westeuropa: „In Österreich ist das Gedenken sehr viel stärker regional geprägt“, unterstreicht Suppanz. „So spiegeln sich vor allem die Verluste von Südtirol und der Untersteiermark in der öffentlichen Wahrnehmung prominent wider, während in Großbritannien, Frankreich oder Belgien aus dem Ersten Weltkrieg nationale Feiertage hervorgingen.“ Erst in den späten 1980er Jahren begann eine Neuaufarbeitung der Ereignisse, die bis heute anhält. Denkmäler haben mittlerweile aber ausgedient, meint Suppanz: „Dieser Tage übernehmen Gedenktafeln, Ausstellungen und mediale Berichte das Ruder.“ Die Frage, wie nachhaltig diese Formen der Erinnerung sind, bleibt offen. Suppanz macht sich jedoch für das Einfließen von den teils stark veränderten Perspektiven auf den Ersten Weltkrieg in den Schulunterricht stark: „Heute ist klar, dass der ‚Große Krieg‘ die erste globale Konfrontation überhaupt war: Osmanische Truppen kämpften in Galizien gegen Russland, Neuseeländer und Australier für das Britische Empire gegen das Osmanische Reich, Chinesen räumten im Dienste der Entente-Mächte die Schlachtfelder an der Westfront auf.“ Auch ist heute bewiesen, dass viele Elemente, die man dem Zweiten Weltkrieg als Spezifika zuschrieb, schon vorher da waren: Etwa die Allgegenwart von Kriegsgefangenen in der Landwirtschaft, in Fabriken, im Straßen- sowie Bergbau und ein organisiertes Lagersystem inklusive Zivilinternierten.

 

 

 

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