Europapolitik im österreichischen Parlament

 

erstellt am
26. 08. 14
10.00 MEZ

  Europapolitik im Parlament stärken!
SPÖ und ÖVP präsentieren im Rahmen von "parlament.aktiv" "7 Punkte für mehr Europa im Parlament"
Wien (sk) - Das österreichische Parlament verfügt über sehr weitgehende Mitwirkungsmöglichkeiten in EU-Angelegenheiten. Um Europapolitik im Parlament weiter zu stärken, präsentierten SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder, ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka, SPÖ-Delegationsleiter im Europaparlament (EP) Jörg Leichtfried und ÖVP-Delegationsleiter im EP Othmar Karas am 25.08. in einer gemeinsamen Pressekonferenz "7 Punkte für mehr Europa im Parlament", im Rahmen der Initiative "parlament.aktiv" der Parlamentsklubs von SPÖ und ÖVP für ein lebendiges Parlament.

"Im Zuge der Europawahl haben wir begonnen nachzudenken, wie europäische Fragestellungen sichtbarer gemacht werden können", betonte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. Die heute präsentierten sieben Punkte seien konkrete Vorschläge, um die Präsenz der Europapolitik im österreichischen Parlament noch zu verstärken. "Mit diesen Vorschlägen gelingt eine stärkere Verzahnung der europäischen und nationalen Politik", so Schieder. SPÖ-Delegationsleiter Jörg Leichtfried bezeichnete das Ergebnis der Initiative als "beachtenswert". Die EU-Abgeordneten könnten so beispielsweise ihre Expertise besser im österreichischen Parlament einbringen. Als konkrete Beispiele nannte Leichtfried die Vorratsdatenspeicherung, die Gigaliner, aber auch die Freihandelsabkommen TTIP und CETA. "Diese Themen müssen auch im Nationalrat diskutiert werden, um einen Informationsvorsprung zu haben", so Leichtfried.

"Nach Litauen hat Österreich gemeinsam mit Bulgarien, den Niederlanden und Ungarn die weitgehendsten Mitwirkungsrechte der Europaabgeordneten im nationalen Parlament", so ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka. "Wenn die Zukunft Österreichs in einem starken Europa liegt, soll auch eine starke Verschränkung gegeben sein. Und wenn ich den europäischen Gedanken auch in nationalen Parlamenten möchte, muss ich bestmöglich zusammenarbeiten. Der EU-Einigungsprozess ist irreversibel und muss im Blickpunkt unserer Arbeit stehen", verwies Lopatka in diesem Zusammenhang auf Expertenmeinungen wie von Anthony Giddens. "Das Rederecht für die österreichischen Europaabgeordneten im Plenum des Nationalrats, in den Ausschüssen sowie im Bundesrat kommt! Die Maßnahmen entsprechen den jahrelangen Forderungen einer großen Mehrheit der österreichischen Europaabgeordneten und den Wahlversprechen, die wir vor der EP-Wahl am 25. Mai abgegeben haben", begrüßte ÖVP-Delegationsleiter im EP Othmar Karas ausdrücklich diese Initiative im österreichischen Parlament. Es gehe um eine Stärkung der Demokratie, der europäischen Öffentlichkeit und des europäischen Bewusstseins. "Es ist ein guter Tag für die Zusammenarbeit zwischen Europaparlament und nationalem Parlament", so Karas.

Der Einfluss der Europapolitik auf die nationale Gesetzgebung ist eindeutig. Es gibt daher gerade im Bereich der EU-Gesetzgebung eine Vielzahl von Aufgaben, die sowohl von EU-Abgeordneten als auch von den nationalen Parlamenten wahrgenommen werden.

Das österreichische Parlament ist im Bereich der Europapolitik bereits sehr aktiv. Nationalrat und Bundesrat genießen im europäischen Vergleich sehr weitgehende Mitwirkungsrechte. Zum Beispiel kann der Nationalrat die Bundesregierung in ihrer Positionierung auf EU-Ebene binden, was seit Beginn der aktuellen Gesetzgebungsperiode bereits viermal geschehen ist - etwa beim EU-USA-Freihandelsabkommen TTIP.

Um Europapolitik im Parlament noch weiter zu stärken, sind sich SPÖ und ÖVP über folgende sieben Maßnahmen einig:

  1. Rederecht für EU-Abgeordnete auch im Plenum des Nationalrates und des Bundesrates sowie in deren Ausschüssen
  2. Mehr EU-Vorhaben auf die Tagesordnung des Plenums
  3. BürgerInnenservice ausbauen - insbesondere hinsichtlich des Zuganges zu EU-Dokumenten - und Live-Übertragung der Sitzungen der EU-Ausschüsse des Parlaments
  4. Stärkung der EU-Ressourcen in der Parlamentsdirektion
  5. Vermehrte Hearings zu EU-Vorhaben wie im Deutschen Bundestag
  6. Verstärkte Kooperation mit dem EU-Parlament durch regelmäßige themenspezifische Aussprachen zwischen EU-Abgeordneten und österreichischen Abgeordneten
  7. Fachausschüsse mit neuen EU-Kompetenzen ausstatten, so dass einzelne EU-Vorhaben vom EU-Ausschuss an die Fachausschüsse zur parallelen Beratung überwiesen werden können.


Diese Maßnahmen sind zugeschnitten auf den Nationalrat. Der Bundesrat ist eingeladen, ebenfalls entsprechende Initiativen zu ergreifen. SPÖ und ÖVP werden die Umsetzung dieser Maßnahmen rasch einleiten. Ein gemeinsamer Antrag zur Änderung der NR-Geschäftsordnung wird demnächst eingebracht.


 

Hofer: Kein Rederecht für EU-Parlamentarier im österreichischen Parlament
Einbindung von MEPs auf Ausschussebene ist sachgerecht
Wien (fpd) - "Der Nationalrat ist keine Unterkammer des EU-Parlamentes", begründete der dritte Präsident des Nationalrates Ing. Norbert Hofer die Ablehnung der FPÖ zum geforderten Rederecht von EU-Parlamentariern im österreichischen Parlament. Grundsätzlich hätten jene Personen ein Rederecht, die zum Nationalrat gewählt oder seine Hilfsorgane oder ihm verantwortlich seien. Eine Erweiterung sei aus fachlicher Sicht nicht erforderlich, die Ausschussebene (bestehende Rechtslage) sei völlig ausreichend, so Hofer.

"Grundsätzlich ist die Einbindung von MEPs auf Ausschussebene sachgerecht. Eine Flexibilität vom Hauptausschuss (EU) hin zu den Fachausschüssen sehe ich nicht problematisch, sofern die Kompetenzen des Hauptausschusses (EU) nicht beeinträchtigt werden, wie etwa durch bindende Stellungnahmen etc.", so Hofer.

Viel heikler sei das Rederecht im Plenum, denn ein Rederecht der MEPs im Plenum würde zu Lasten der Redezeit der Nationalräte gehen. Außerdem sei eine Erweiterung des Rederechtes auf weitere Personen (EU- Kommissare, Vertreter NGOs) zu befürchten, wodurch die gewählten NR-Mandatare an Präsenz verlieren würden, warnte Hofer.

Ebenfalls sei auf die dadurch entstehende Optik zu verweisen, denn es könnte der Eindruck eines österreichischen Subparlamentes entstehen, wenn EU-Funktionäre im Nationalrat reden könnten, es aber kein Recht der Nationalratsabgeordneten gebe, in Brüssel bzw. Straßburg zu reden. Auch würde ein Rederecht von MEPs im Plenum kein einziges Problem in diesem Land lösen, sondern lediglich das Bewusstsein verstärken, ein nur mehr teilsouveräner Gliedstaat der EU zu sein, so Hofer.

"Fazit ist jedenfalls, dass die FPÖ gesprächsbereit, aber skeptisch ist", setzt Hofer auf einen weiteren diesbezüglichen Dialog.


 

 Lunacek: Grüne seit 2008 für Umsetzung des damaligen 5-Parteien Beschlusses
SPÖ- und ÖVP-Klubs schwenken endlich auf Grüne Position zu Rederecht für EU-Abgeordnete im Nationalrat ein"
Wien (grüne) - "Das Rederecht für EU-Abgeordnete im Plenum des Nationalrats ist ein überfälliger Schritt. Dass sich SPÖ- und ÖVP-Klubs jetzt endlich auch dazu durchgerungen haben, ist begrüßenswert. Dennoch frage ich mich, warum es so lange dafür gebraucht hat. Hoffentlich stimmt auch hier das Sprichwort: Was lange währt, wird endlich gut! Bereits in der Legislaturperiode 2006-2008 hat es eine dementsprechende Einigung aller fünf EuropasprecherInnen im Nationalrat gegeben - ich war damals eine von ihnen. Seither waren es aber wir Grüne allein, die sich konsequent auf nationaler und EU-Ebene für die Umsetzung dieses Beschlusses eingesetzt haben. Erfreulich, dass jetzt die gemeinsame Position der pro-europäischen EU-Abgeordneten zu diesem Regierungsbeschluss geführt hat. Denn das Rederecht für Europaabgeordnete im Nationalrat ist ein wichtiges Signal, dass der Europapolitik in Österreich jene Rolle zugebilligt wird, die ihr zukommt. Wir werden uns jetzt die Vorschläge der Koalition im Detail anschauen. Wichtig ist für uns Grüne vor allem auch die Praktikabilität dieses Rederechts. Dazu gehört sowohl eine langfristige Terminkoordinierung, die auf die Brüsseler und Straßburger Tagesordnungen der EU-Abgeordneten Rücksicht nimmt, und dass die technische Möglichkeit für Videoschaltungen - auch schon vor dem Umbau - möglich gemacht wird", kommentiert Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin des Europaparlaments und Grüne EU-Delegationsleiterin, die Aussagen zum Rederecht für EU-Abgeordntete im Nationalrat der SP-VP- Klubobleute und EU-Delegationsleiter.


 

Mlinar: Erfreulicher Sinneswandel bei SPÖ und ÖVP"
Der Antrag zum von den Regierungsparteien jetzt plötzlich geforderten Rederecht liegt seit Juni im entsprechenden Ausschuss
Wien (neos) - "Wir freuen uns darüber, dass die beiden Regierungsparteien jetzt endlich auch Europa lieben", kommentiert NEOS Klubobmann Matthias Strolz das von SPÖ und ÖVP präsentierte Ergebnis, wie sie Europapolitik im Parlament sichtbarer machen wollen. "Vor allem freut es uns, dass es zu so einem deutlichen Sinneswandel kam. Schließlich wurde unsere Forderung vom Juni nach einem Rederecht der EU-Abgeordneten im Nationalrat noch mit den Worten, wir dürfen nicht über das Ziel hinausschießen kommentiert. Wie dem auch sei: Nachdem unser entsprechender Antrag bereits im Geschäftsordnungs-Ausschuss liegt, kann dieser gleich bei der nächsten Sitzung beschlossen werden", erklärt Strolz.

"Europa ist ein Teil von Österreich und Österreich ist ein Teil von Europa. Diese Selbstverständlichkeit müssen wir endlich leben", betont Angelika Mlinar, Europaabgeordnete der NEOS und hofft, dass SPÖ und ÖVP in dieser Frage jetzt endgültig aufgewacht sind. Das Rederecht kann jedoch nur ein Punkt von vielen sein, um Europa den Bürger_innen wieder näher zu bringen. "Damit Europa endlich im Herzen der Bürgerinnen und Bürger ankommen kann, müssen die Maßnahmen über Kooperationen und Ausschüsse noch hinausgehen. Setzen wir uns endlich gemeinsam an den Tisch und diskutieren wir dabei aber auch über Fragen wie beispielsweise der EU-Kommissarsnominierung. Die Regierungsparteien sollen drei Kandidatinnen und Kandidaten vorschlagen, die sich dann einem öffentlichen Hearing im Parlament stellen. Das wäre ein wertvoller Austausch in Sachen Europapolitik", schließt Mlinar.

 

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