Jähe Unterbrechung der Konjunkturerholung
 im 1. Halbjahr 2014

 

erstellt am
09. 09. 14
10.00 MEZ

Wien (wifo) - Die Welthandelsdynamik zog 2014 nicht wie erwartet weiter an, sondern verringerte sich wieder. Grund dafür ist die Importschwäche vieler Schwellenländer, die von der Kapitalflucht nach der angekündigten Trendwende in der Geldpolitik der USA verursacht wurde. Exportorientierte Volkswirtschaften in Europa, darunter Österreich, waren davon stärker betroffen als die USA, wo der Aufschwung dank der robusten Binnennachfrage anhielt. In Österreich wurden zudem die Bruttoinvestitionen heuer wieder eingeschränkt. Die saisonbereinigte Arbeitslosenquote stagnierte im August erneut bei 8,5%.

Nach dem kräftigen BIP-Zuwachs im II. Quartal dürfte sich die Konjunktur in den USA vom Einbruch zum Jahresbeginn weiter erholen. In Japan brach die Nachfrage hingegen nach der Anhebung des Mehrwertsteuersatzes mit 1. April 2014 ein. Dem gingen allerdings erhebliche Vorzieheffekte voraus, sodass das BIP im 1. Halbjahr 2014 kaum zunahm.

Die erwartete exportgetriebene Erholung blieb im Euro-Raum bislang aus, da vor allem die Nachfrage der Schwellenländer nachließ. Die Importschwäche trat in Südamerika, Südostasien und Osteuropa auffallend simultan ein und ist wohl auf die umfangreichen Kapitalabflüsse zurückzuführen, die von der Ankündigung einer weniger lockeren Geldpolitik in den USA ausgelöst wurden und einen Anstieg von Zinssätzen und Inflationsraten sowie neue Kapitalverkehrskontrollen zur Folge hatten. In Russland wurde die Eintrübung darüber hinaus durch die Wirtschaftssanktionen verstärkt. In Deutschland war die Konjunktur im II. Quartal 2014 nicht so schwach, wie der BIP-Rückgang suggeriert. Er war lediglich auf den Mangel an Bauinvestitionen zurückzuführen, die für den Frühsommer geplant, aber wegen des milden Winters vorgezogen worden waren. In Frankreich stagnierte die Wirtschaftsleistung allerdings und in Italien ging sie wieder zurück.

Auch die österreichische Wirtschaft konnte sich der Dämpfung der internationalen Exportnachfrage nicht entziehen. Zugleich belastete die Einschränkung der Bruttoinvestitionen die Konjunktur in der ersten Jahreshälfte. Die Konjunkturflaute dürfte im III. Quartal 2014 anhalten: Der WIFO-Frühindikator sank im August weiter, die Ergebnisse des WIFO-Konjunkturtests blieben schwach. Darüber hinaus kommen vom privaten Konsum, auf den neben den Exporten der größte Anteil an der heimischen Wertschöpfung entfällt, keine nennenswerten positiven Impulse. Die Inflationsrate ging im Juli (1,8%) etwas zurück, die saisonbereinigte Arbeitslosenquote nahm im August (8,5%) neuerlich nicht zu.


Methodische Hinweise und Kurzglossar
Periodenvergleiche
Zeitreihenvergleiche gegenüber der Vorperiode, z. B. dem Vorquartal, werden um jahreszeitlich bedingte Effekte bereinigt. Dies schließt auch die Effekte ein, die durch eine unterschiedliche Zahl von Arbeitstagen in der Periode ausgelöst werden (etwa Ostern). Im Text wird auf "saison- und arbeitstägig bereinigte Veränderungen" Bezug genommen.

Die Formulierung "veränderte sich gegenüber dem Vorjahr . . ." beschreibt hingegen eine Veränderung gegenüber der gleichen Periode des Vorjahres und bezieht sich auf unbereinigte Zeitreihen.

Die Analyse der saison- und arbeitstägig bereinigten Entwicklung liefert genauere Informationen über den aktuellen Konjunkturverlauf und zeigt Wendepunkte früher an. Die Daten unterliegen allerdings zusätzlichen Revisionen, da die Saisonbereinigung auf statistischen Methoden beruht.

Wachstumsüberhang
Der Wachstumsüberhang bezeichnet den Effekt der Dynamik im unterjährigen Verlauf (in saisonbereinigten Zahlen) des vorangegangenen Jahres (t0) auf die Veränderungsrate des Folgejahres (t1). Er ist definiert als die Jahresveränderungsrate des Jahres t1, wenn das BIP im Jahr t1 auf dem Niveau des IV. Quartals des Jahres t0 (in saisonbereinigten Zahlen) bleibt.

Durchschnittliche Veränderungsraten
Die Zeitangabe bezieht sich auf Anfangs- und Endwert der Berechnungsperiode: Demnach beinhaltet die durchschnittliche Rate 2005/2010 als 1. Veränderungsrate jene von 2005 auf 2006, als letzte jene von 2009 auf 2010.

Reale und nominelle Größen
Die ausgewiesenen Werte sind grundsätzlich real, also um Preiseffekte bereinigt, zu verstehen. Werden Werte nominell ausgewiesen (z. B. Außenhandelsstatistik), so wird dies eigens angeführt.

Produzierender Bereich
Diese Abgrenzung schließt die NACE-2008-Abschnitte B, C und D (Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden, Herstellung von Waren, Energieversorgung) ein und wird hier im internationalen Vergleich verwendet.

Inflation, VPI und HVPI
Die Inflationsrate misst die Veränderung der Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahr. Der Verbraucherpreisindex (VPI) ist ein Maßstab für die nationale Inflation. Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ist die Grundlage für die vergleichbare Messung der Inflation in der EU und für die Bewertung der Preisstabilität innerhalb der Euro-Zone ( siehe auch
http://www.statistik.at/).

Die Kerninflation als Indikator der Geldpolitik ist nicht eindeutig definiert. Das WIFO folgt der gängigen Praxis, für die Kerninflation die Inflationsrate ohne die Gütergruppen unverarbeitete Nahrungsmittel und Energie zu verwenden. So werden knapp 87% der im österreichischen Warenkorb für den Verbraucherpreisindex (VPI 2010) enthaltenen Güter und Dienstleistungen in die Berechnung der Kerninflation einbezogen.

WIFO-Konjunkturtest und WIFO-Investitionstest
Der WIFO-Konjunkturtest ist eine monatliche Befragung von rund 1.500 österreichischen Unternehmen zur Einschätzung ihrer aktuellen und künftigen wirtschaftlichen Lage. Der WIFO-Investitionstest ist eine halbjährliche Befragung von Unternehmen zu ihrer Investitionstätigkeit ( http://www.konjunkturtest.at/ ). Die Indikatoren sind Salden zwischen dem Anteil der positiven und jenem der negativen Meldungen an der Gesamtzahl der befragten Unternehmen.

Arbeitslosenquote
Österreichische Definition: Anteil der zur Arbeitsvermittlung registrierten Personen am Arbeitskräfteangebot der Unselbständigen. Das Arbeitskräfteangebot ist die Summe aus Arbeitslosenbestand und unselbständig Beschäftigten (gemessen in Standardbeschäftigungsverhältnissen). Datenbasis: Registrierungen bei AMS und Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

Definition gemäß ILO und Eurostat: Als arbeitslos gelten Personen, die nicht erwerbstätig sind und aktiv einen Arbeitsplatz suchen. Als erwerbstätig zählt, wer in der Referenzwoche mindestens 1 Stunde selbständig oder unselbständig gearbeitet hat. Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, und Lehrlinge zählen zu den Erwerbstätigen, nicht hingegen Präsenz- und Zivildiener. Die Arbeitslosenquote ist der Anteil der Arbeitslosen an allen Erwerbspersonen (Arbeitslose plus Erwerbstätige). Datenbasis:
Umfragedaten von privaten Haushalten (Mikrozensus).

Begriffe im Zusammenhang mit der österreichischen Definition der Arbeitslosenquote
Personen in Schulungen: Personen, die sich zum Stichtag in AMS-Schulungsmaßnahmen befinden. Für die Berechnung der Arbeitslosenquote wird ihre Zahl weder im Nenner noch im Zähler berücksichtigt.

Unselbständig aktiv Beschäftigte: Zu den "unselbständig Beschäftigten" zählen auch Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, sowie Präsenzdiener mit aufrechtem Beschäftigungsverhältnis. Zieht man deren Zahl ab, so erhält man die Zahl der "unselbständig aktiv Beschäftigten".

 

 

 

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