Sigmund Freud und das Spiel mit der
 Bürde der Repräsentation

 

erstellt am
19. 09. 14
10.00 MEZ

Eine Installation von Joseph Kosuth
Wien (21er haus) - Das 21er Haus nimmt den 75. Todestag von Sigmund Freud im September 2014 zum Anlass für eine Ausstellung, die an das Erbe dieses bedeutenden Protagonisten des 20. Jahrhunderts erinnert. Dies aber, wie stets, aus einer zeitgenössischen Perspektive, mit der Fragen der Repräsentation, Freud'scher Theorie und bildender Kunst ins Spiel gebracht werden. "Es ist eine besondere Ehre, Joseph Kosuth für dieses Projekt gewonnen zu haben, einen der amerikanischen Pioniere der Konzeptkunst, der in vielfacher Weise mit Freud, der Psychoanalyse wie auch Wien verbunden ist," freut sich Direktor Agnes Husslein-Arco über das Kooperationsprojekt mit dem Sigmund Freud Museum.

Sigmund Freuds Bild des menschlichen Geistes, seine Theorie des Mentalen, hat mit und durch die Psychoanalyse als sprachbasierter Erkenntnismethode dessen, was zuvor unzugänglich und buchstäblich unbewusst war, den Blick auf das Selbst und das Denken an sich revolutioniert. In zahlreichen Disziplinen und über deren Grenzen hinweg wurden diese neuen Perspektiven und Ansätze aufgenommen und weiterentwickelt. Nicht zuletzt ist es aber die bildende Kunst, in der grundlegende Einflüsse der Psychoanalyse von Beginn an manifest geworden sind - handelt es sich doch bei beiden um Felder, die sich mit der Macht der Bilder und ihrer symbolischen Bedeutung beschäftigen.

Joseph Kosuths radikal analytische künstlerische Praxis basiert nicht primär auf Objekten, sondern ganz wesentlich auf Sprache und lässt sich als Reflexion über Wahrnehmung und den Prozess des Wahrnehmens selbst verstehen. Die Schriften Sigmund Freuds zur sprachbasierten Psychoanalyse waren insbesondere für Kosuths Arbeiten der 1980er-Jahre essenziell. Seine langjährige Auseinandersetzung fand 1989 zum 50. Todestag Freuds mit der Rauminstallation Zero & Not in der Berggasse 19, wo der Psychoanalytiker bis zu seiner Vertreibung 1938 gelebt und gearbeitet hatte - dem heutigen Sigmund Freud Museum -, einen Höhepunkt. Sie war sieben Jahre lang in situ zu sehen. Mit diesem Projekt wurde zudem der Grundstein für die Contemporary Art Collection des Museums gelegt, an deren Aufbau Kosuth maßgeblich beteiligt war und in der heute herausragende internationale Positionen vertreten sind.

Nun, 25 Jahre später, realisiert Joseph Kosuth gemeinsam mit dem 21er Haus eine neue Version von Zero & Not als wesentliches räumliches Element der Ausstellung Sigmund Freud und das Spiel mit der Bürde der Repräsentation. Diese versammelt erstmals zentrale freudbezogene Arbeiten des Künstlers und umfasst zudem die Contemporary Art Collection des Sigmund Freud Museums, eine Auswahl aus der Sammlung des Belvedere sowie eine Reihe weiterer Werke zum Thema Kunst und Psychoanalyse.

In ihrem künstlerisch-kuratorischen Zugang ist die Ausstellung die neueste Produktion aus Kosuths Serie der Curated Installations, die zuvor u. a. in der Wiener Secession und im Brooklyn Museum of Art zu sehen waren. Wie der Titel andeutet, widmet sie sich mit der titelgebenden Ambivalenz zwischen Leichtigkeit und Schwere dem Erbe, dem Fortleben und der Aktualität der Freud'schen Topografie des Psychischen in der zeitgenössischen Kunst.
Joseph Kosuth zur Ausstellung

Vor allem anderen gilt es zu verstehen, dass es nicht nur um einen einzigen Diskurs über Repräsentation geht, sondern um mehrere, und dass unsere Optionen sich nicht auf eine Wahlmöglichkeit beschränken, sondern alle umfassen. Unser Standpunkt ist ein heterogener Ort, an dem sich ein Spiel zwischen diesen Gesichtspunkten entfaltet, ein Spiel mit dem eigenen Zusammenhang. Unsere produktive Tätigkeit oder, wie man sogar sagen könnte, unser kreativer Prozess zielt nicht bloß auf Überlegungen im Hinblick auf unser zukünftiges Schaffen ab, sondern schließt auch unsere kreative Deutung der Vergangenheit mit ein. Daher stellt sich die "Bürde der Repräsentation" als jene Notwendigkeit der Kunst dar, mit den tradierten Bedeutungen von Repräsentation, die gegenwärtig Teil unserer Sehgewohnheiten sind, zu brechen. Und dies nicht nur im Hinblick auf die Vergangenheit, sondern auch in ihrer jeweils eigenen Zeit.

Die Ausstellung Sigmund Freud und das Spiel mit der Bürde der Repräsentation ist das jüngste in einer Reihe von Projekten, die in der einen oder anderen Form bis zu den Anfängen meiner künstlerischen Praxis zurückgeht. Zwei in den frühen 1990er-Jahren realisierte Installationen - Das Spiel des Unsagbaren in der Wiener Secession und im Palais des Beaux-Arts in Brüssel anlässlich des 100. Geburtstags von Ludwig Wittgenstein und The Play of the Unmentionable im Brooklyn Museum of Art in New York - waren die ersten institutionellen Versionen dieser sogenannten Curated Installations. Sie wurden u. a. in der Absicht umgesetzt, den Status quo des damaligen Ausstellungswesens aufzubrechen, indem sie das gewohnte institutionalisierte Verständnis dessen, wie eine Ausstellung aufgebaut ist, infrage stellten. Dabei ist mir wichtig anzumerken, dass ich weder Kunsthistoriker noch Kurator bin. Ich bin Künstler. Was bedeutet dieser Unterschied? Von Beginn meiner künstlerischen Tätigkeit an habe ich keinen Zweifel daran gelassen, dass meiner Ansicht nach Bedeutung (selbst in ihrer Negation) das primäre Material eines Künstlers ist. Daher kommt sprachlichen Beziehungen zwischen Gegenständen und Bildern und der Sprache selbst die Hauptrolle in meiner Arbeit zu. Formen und Farben beispielsweise sind ziemlich verbrauchte Zugänge zur Produktion von Kunst, auch wenn sie nach wie vor präsent sein mögen, zu anderen Zwecken verwendet werden und andere Bedeutungen implizieren als jene, die ihnen traditionell zukamen. Aus diesem Ansatz resultiert, dass der Kontext selbst das Material der Arbeit geworden ist.

Künstlerinnen und Künstler
Magnus Arnason, Richard Artschwager, John Baldessari, Vanessa Beecroft, Wolfgang Berkowski, Linda Bilda, Pierre Bismuth, Fatima Bornemissza, Mike Bouchet, Marcel Broodthaers, Victoria Browne, Günter Brus, Daniel Buren, Victor Burgin, Gerard Byrne, Pier Paolo Calzolari, Theres Cassini, Clegg & Guttmann, Peter Coffin, Adriana Czernin, Thomas Demand, Jessica Diamond, Mark Dion, Cerith Wyn Evans, Jimmie Durham, Marc Goethals, Douglas Gordon, Robert Gruber, Caroline Heider, Georg Herold, Susan Hiller, Damien Hirst, Christine Hohenbüchler, Hans Hollein, Jenny Holzer, Birgit Jürgenssen, Ilya Kabakov, Mike Kelley, Joseph Kosuth, Liane Lang, Tina Lechner, Sherrie Levine, Thomas Locher, Sarah Lucas, Sanna Marander/Niklas Tafra, Gordon Matta-Clark, Paul McCarthy, Olaf Nicolai, Albert Oehlen, Meret Oppenheim, Edith Payer, Arnulf Rainer, Constanze Ruhm/Matthias Herrmann, Markus Schinwald, Rudolf Schwarzkogler, Cindy Sherman, Cindy Smith, Ettore Spalletti, Haim Steinbach, Hito Steyerl, Rudolf Stingel, Jürgen Teller, Rosemarie Trockel, Gavin Turk, Bill Viola, Peter Weibel, Franz West, Tanja Widmann, Francesca Woodman, Heimo Zobernig

Kuratiert von Joseph Kosuth, Mario Codognato und Luisa Ziaja.
In Kooperation mit dem Sigmund Freud Museum.
Mit Werken u. a. aus der Sammlung des Belvedere und der Sigmund Freud Museum Contemporary Art Collection

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.21erhaus.at

 

 

 

 

 

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