Herausforderungen für öffentlich finanzierte
 Pflegedienste nehmen deutlich zu

 

erstellt am
17. 09. 14
10.00 MEZ

Verdoppelung öffentlicher Ausgaben bis 2030, begrenztes Potential zur Verlagerung von stationärer zu mobiler Pflege
Wien (wifo) - Der öffentliche Aufwand für Pflegedienstleistungen wird sich, wie eine aktuelle WIFO-Projektion zeigt, in den einzelnen Bundesländern bis zum Jahr 2030 gegenüber 2012 mehr als verdoppeln (+112% bis +159%). Eine Verlagerung von stationärer zu mobiler Pflege - wie im Pflegefondsgesetz festgeschrieben - dämpft zwar den Kostenanstieg, das Verlagerungspotential erscheint angesichts der begrenzten Substituierbarkeit dieser Pflegeformen jedoch insgesamt gering. Die Zunahme der Nachfrage nach stationären Pflegeplätzen muss deshalb vor allem durch den Ausbau alternativer Betreuungsdienste (z. B. betreubares Wohnen, teilstationäre Dienste, Kurzzeitpflege) verzögert bzw. verringert werden. Der flächendeckende Ausbau eines geförderten Case- und Care-Managements und eine verstärkte Ausrichtung der Förderkriterien am Bedarf würden dazu beitragen, die Effizienz der Zuteilung der jeweiligen Pflegeformen zu den Pflegebedürftigen zu verbessern.

Die Länder und Gemeinden wendeten im Jahr 2012 netto 1,67 Mrd. Euro für Sachleistungen in der Langzeitpflege auf. Eine aktuelle WIFO-Studie projiziert bis zum Jahr 2030 für alle Bundesländer mehr als eine Verdoppelung dieses Aufwandes, bereits im Jahr 2020 dürften die Ausgaben um mehr als 40% über dem Niveau von 2012 liegen. Am stärksten steigt der Aufwand dabei in Vorarlberg (+60,9% bis 2020 +159% bis 2030), am schwächsten im Burgenland (+42,6% bzw. +112%.

Mit der Einführung des Pflegefondsgesetzes 2011 erhielt der Ausbau mobiler und alternativer Pflege- und Betreuungsdienste Vorrang gegenüber der stationären Pflege. Aus Kostengründen ist dieser Schritt zu begrüßen. Wie eine österreichweite Expertenbefragung im Bereich der mobilen und stationären Pflege durch das WIFO verdeutlicht, können jedoch mobile und stationäre Pflege nur sehr eingeschränkt als Substitute gesehen werden. Vielmehr stehen diese Dienste in einer chronologischen, komplementären Beziehung zueinander: Personen, die mobile Dienste in Anspruch nehmen, weisen eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit für die spätere Aufnahme in ein Pflegeheim auf. Ein deutlicher Ausbau von stationären Pflegediensten kann somit jenem der mobilen Dienste zwar zeitlich nachgelagert sein, scheint jedoch ebenso unausweichlich. Parallel dazu sollte insbesondere der Ausbau der stationären Kurzzeitpflege, teilstationärer Dienste, alternativer Wohnformen (betreubares Wohnen, Senioren-Wohngemeinschaften) und - bei entsprechender Qualitätssicherung - der 24-Stunden-Pflege zuhause dazu beitragen, den bevorstehenden Anstieg stationärer Pflegeplätze zu verzögern bzw. zu verringern.

Die Befragung von Pflegedienstleistern durch das WIFO zeigt dennoch Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung in der Leistungszuteilung und -erbringung auf. Das Potential zur Verlagerung aus dem stationären Bereich zu mobilen und alternativen Pflegeformen beträgt rund 10% aller stationär betreuten Personen und ist mit einer Dämpfung des Kostenanstieges verbunden. Vor allem bei geringerem Betreuungsbedarf (bis Pflegegeldstufe 2) ist laut Einschätzung der Dienstleister für jede 3. bis 4. Person in stationären Einrichtungen die Ausrichtung des Heimes weniger als "Gut" (Schulnoten 3 bis 5)für den tatsächlichen Betreuungsbedarf geeignet. Die Effizienz in der Zuteilung variiert dabei zwischen den Bundesländern. Der flächendeckende Ausbau eines geförderten Case- und Care-Managements sowie eine verstärkte Ausrichtung der Förderkriterien am Bedarf sind von zentraler Bedeutung, um die Effizienz der Zuteilung zu den jeweiligen Pflegeformen zu verbessern. Die derzeitigen föderalen Strukturen begünstigen aufgrund mangelnder Vergleichbarkeit und Intransparenz der Leistungserbringung in den einzelnen Ländern das Bestehen von Ineffizienzen. Eine stärkere Harmonisierung der Tarife und Personalschlüssel würde die Vergleichbarkeit erhöhen und dazu beitragen, die Qualität und Effizienz des Angebotes in den einzelnen Bundesländern nach oben hin anzugleichen.

Während die Nachfrage nach Pflegediensten deutlich zunimmt, hält das Arbeitskräfteangebot im Pflegesektor mit dieser Entwicklung nicht Schritt. Folglich wird eine beträchtliche Steigerung der Attraktivität von Pflegeberufen notwendig sein, um den hohen Bedarf an Pflegekräften decken zu können. Der Kostenanstieg durch das Nachfragewachstum und die relative Verknappung des Arbeitskräfteangebotes wird die finanzielle Belastung der öffentlichen Hand und der Pflegebedürftigen weiter erhöhen.

 

 

 

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