Österreichs Industrie braucht die richtigen
 Rahmenbedingungen, um ihre Stärken auszuspielen

 

erstellt am
09. 10. 14
10.00 MEZ

WKÖ-Bundessparte Industrie lud zu hochkarätiger Podiumsdiskussion zum Industriestandort Österreich am 7.10.2014
Wien (pwk) - Eine rückläufige Produktionsentwicklung, schwache Nachfrage und tendenziell abnehmende Beschäftigungsraten stehen einer leicht positiven Exportentwicklung gegenüber. Das zeigen die aktuellen Konjunkturdaten der Industrie. Diese aktuellen Statistiken nahm eine hochkarätige Diskussionsrunde am Dienstagabend in Wien zum Anlass für eine Standortbestimmung der österreichischen Industrie. Die heimischen Industriebetriebe können auf ihre Stärken stolz sein - darauf aufbauend muss die Politik aber Problemfelder angehen, damit daraus nicht Existenzgefährdungen für die Branche entstehen. Das ist das Fazit der Spitzen-Industrie-Manager, die sich auf Einladung der Bundessparte Industrie in der WKÖ der Diskussion stellten.

WKÖ-Bundesspartenobmann und Vorstandsvorsitzender der Ottakringer Getränke AG Sigi Menz brachte die Stimmung auf den Punkt: "Unsere Betriebe haben in den letzten Jahren Ausgezeichnetes geleistet. Mit 1,7 Millionen Arbeitsplätzen in der Industrie und im durch sie intendierten Bereich sowie einem Anteil von 19 Prozent am BIP leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Wertschöpfung des Landes. Auch in Sachen Energieeffizienz ist die heimische energieintensive Industrie internationaler Vorreiter. Doch in Österreich herrscht ein Reformstau, und wir haben die Sorge, uns im international immer härter werdenden Wettbewerb nicht halten zu können".

Bildung ist und bleibt die Hauptbaustelle, Forschungsförderung unverzichtbar
Vor allem längst überfällige Reformschritte im Bildungssystem erweisen sich als wachstumsschädlicher Standortnachteil, waren sich die Industrie-Vertreter einig. Brigitte Ederer, Mitglied des Aufsichtsrats der Infineon Technologies Austria AG und langjähriges Mitglied des Siemens-Vorstandes: "Im technischen Bereich fehlt uns qualifiziertes Personal auf allen Ebenen, vom Facharbeiter bis hinauf zum Spitzenmanager. Das liegt zu einem Teil auch daran, dass es uns immer noch nicht gelingt, Frauen für technische Berufe zu begeistern. Zudem wird es in Zukunft immer mehr zu einer praxisorientierten Kombination mehrerer Ausbildungen kommen müssen".

Dieter Siegel, Vorstandschef der Rosenbauer International AG, gab zu bedenken: "Die duale Ausbildung unserer Lehrlinge ist sicher unser Erfolgsrezept. Auf das bauen wir auf und davon profitieren wir. Doch wenn die Konjunktur wieder anziehen wird, wird es rasch noch schwieriger werden, genügend Fachkräfte zu rekrutieren und das Qualitätsniveau zu halten".

Für Philipp von Lattorff, Geschäftsführer von Boehringer Ingelheim, muss mehr in Forschung und Entwicklung investiert werden. "Es ist wichtig, internationale Spit-zenleute nach Österreich zu bringen. Dafür brauchen wir stabile Rahmenbedingungen. Die Forschungsförderung in Österreich sollte weiter forciert werden. Was das Schulsystem anlangt, hat mich der Vergleich mit internationalen Standards dazu gebracht, für meine Kinder internationale Schule vorzuziehen."

Dem pflichtete Johann Marihart, Vorstandsvorsitzender der AGRANA Beteiligungs-AG, bei. Sein Wunsch: "Mehr Förderung von Forschung und Entwicklung, dabei sollten die Mittel nicht limitiert, sondern freigegeben werden. Eine Steigerung der Forschungsquote ist von existenzieller Bedeutung für hochwertige und nachhaltige Beschäftigung in der Industrie und im servoindustriellen Bereich." Marihart bemängelte weiters, dass die Lehre als in Österreich sehr wichtiges Assett ein geringes gesellschaftliches Ansehen genießt.

Was machen die Deutschen besser - nicht nur im Fußball?
Auch die vor allem im Verhältnis zum Konkurrenten Deutschland unflexiblen Ar-beitszeiten bereiten der heimischen Industrie Sorge. Nicht nur im Fußball sucht Österreich immer wieder den Vergleich mit dem großen Nachbarstaat - auf der Suche nach dessen Erfolgsrezept. Als wichtigen Vorteil des Industriestandortes Deutschlands nannte Roland Feichtl, Vorsitzender der Geschäftsführung der KRAUSECO Werkzeugmaschinen, moderate Lohnerhöhungen und weniger stark belastende Arbeitskosten. "Wenn ich zwei Service-Mitarbeiter jeweils in Deutschland und Österreich beschäftige, habe ich hierzulande um zehn Prozent mehr Kosten zu tragen, auch durch doppelt so hohe Überstundenzuschläge und Ersatzruhetage. Das ist wettbewerbsschädigend."

Günther Apfalter, President Magna International Europe sowie Steyr, verwies auf die konkreten Standortvorteile Deutschlands durch die moderaten Lohnabschlüsse: "In der automotiven Industrie ist es den Deutschen gelungen, über die Jahre rund 750.000 Arbeitsplätze zu halten, während etwa in England, Frankreich oder Italien massiv Beschäftigung abgebaut wurde." In der internationalen Betrachtung werde als erstes Deutschland genannt, wenn es um Industriestaaten in Europa gehe. Österreich komme da nur unter "ferner liefen, wenn man so will, fast wie ein Wurmfortsatz. Dabei sollten wir uns aus diesem Eigen- und Fremdbild herausbewegen und uns vielmehr unserer Stärken, unseres USPs, bewusst werden".

Schöne Landschaft, Mozartkugeln - oder doch Talent, Know-how und Flexibilität
Apfalter weiter: "Dabei geht's ums Auffallen auf der internationalen Bühne. Und zwar nicht durch landschaftliche Schönheit oder Mozartkugeln, sondern durch Mitarbeiterkompetenz und Flexibilität".

Ederer zu den besonderen Stärken der österreichischen Industrie:
"Aus meiner Sicht ist unser USP unser Talent zur Improvisation und zum Finden von Lösungsansätzen. Das unterscheidet uns von vielen Mitbewerbern. Dass wir USP haben, ist klar ersichtlich: Wenn man so viel exportiert wie die österreichische Industrie, kann man nur gut sein".

Menz fasst zusammen: "Fraglos hat Österreich wichtige Vorteile in der Gastlichkeit, beim Fleiß der Beschäftigten, in der Rechtssicherheit und im sozialen Bereich. Ein echtes Problem ist aber der vorhandene Reformstau, der ohne Maßnahmen zu einem Zukunftshemmnis werden wird."

 

 

 

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