Bioethikkommission: Öffentliche Sitzung
 zum Thema "Lebensende"

 

erstellt am
08. 10. 14
10.00 MEZ

Bundesminister Ostermayer hofft auf Empfehlung bis Jahresende
Wien (bpd) - "Wir haben schon im Regierungsprogramm festgehalten, dass wir uns mit diesem heiklen Thema "Sterben in Würde" besonders grundlegend befassen wollen. Daher beraten jetzt sowohl eine Enquete-Kommission im Parlament als auch die Bioethikkommission darüber. Wir hoffen, dass wir noch bis Jahresende die Empfehlungen vorliegen haben", so Bundesminister Josef Ostermayer bei der Begrüßung der Bioethikkommission, die zur öffentlichen Sitzung und Diskussion eingeladen hatte.

Christiane Druml, Vorsitzende der Bioethikkommission, zeigte sich zuversichtlich, dass noch heuer zu einer finalen Stellungnahme der Bioethikkommission gefunden werden könne. Als wichtiger Zwischenschritt gelte diese öffentliche Debatte: "Denn der Tod wird noch immer tabuisiert, obwohl wir das ganze Leben lang damit konfrontiert sind. Das Sterben wird oft nur als Unfall oder Versagen der Medizin gesehen, jedenfalls etwas, wovor man Angst hat", so Druml. Schmal sei der Grat zwischen Lebens- und Sterbeverlängerung. Sterben in Würde bedeute aber auch Sterben zulassen, selbstbestimmt sterben dürfen. "Wir wollen das Thema auch im Licht des jüngst erschienenen Leitfadens des Europarates und im Hinblick auf die Europäische Menschrechtskonvention sachlich und respektvoll diskutieren. Die Veranstaltung soll einen aktuellen Überblick über die derzeit in Europa geführten Debatten bringen."

Gian Borasio, Palliativmediziner an der Universität Lausanne, plädierte in seinem Statement einerseits für den massiven Ausbau der Palliativmedizin – "jeder Arzt braucht diese Ausbildung" – wie auch für das Zulassen des Sterbens: lebenserhaltende Maßnahmen müssen nicht fortgeführt werden, wenn sie keinen Sinn haben, andererseits zeige sich, dass intensive Schmerztherapien sogar lebensverlängernd seien, weil sie Angst und Stress ausschalten. Dennoch gebe es einen kleinen Prozentsatz von Menschen, die Hilfe zum Suizid wünschen. In Oregon/ USA wo dies unter strengen Auflagen möglich ist, zeigte sich, dass nur zwei Promille der Todesfälle durch assistierten Suizid starben. Etwa ein Drittel derer, denen diese Hilfe zugesichert wurde, verzichtete darauf, weil die Möglichkeit allein sie beruhigte. Man könne daher sogar von Suizid-Prävention sprechen. Borasio legte auf die Unterscheidung zwischen assistiertem Suizid und Tötung auf Verlangen großen Wert: die Tatherrschaft müsse vom Patienten ausgehen, ansonsten bestehe die Gefahr des Dammbruchs wie in den Niederlanden, wo die Hemmschwelle drastisch abgesunken sei und die Gefahr bestehe, dass der soziale Druck auf Alte und Sterbende wachse. Die echte Gefahr für die Mehrzahl der Sterbenden sei aber die überschießende Therapie, die unzureichende Pflege und die unzureichende Palliativversorgung.

Dem stimmte auch Andreas Valentin, Internist und Leiter der Intensivstation in der Wiener Rudolfsstiftung und Leiter der Arbeitsgruppe "Lebensende" in der Bioethikkommission, zu. Er erläuterte den Leitfaden des Europarates zum Prozess der Entscheidungsfindung zur medizinischen Behandlung am Lebensende (PDF).
Die ethischen Grundlagen seien Autonomie und Selbstbestimmung der Patienten, Benifizienz und Gerechtigkeit, also auch der gleiche Zugang zur Palliativmedizin. "Kein Arzt ist verpflichtet, nicht wirksame Therapien fortzuführen, ebenso können Patienten Therapien ablehnen." Es gelte immer abzuwägen, welches Therapieziel überhaupt noch erreichbar sei. Nicht zuletzt, um zu verhindern, dass nur das Sterben und Leiden verlängert werde. "Es gilt daher zu fragen, was brauchen Sterbende und nicht, was ist zu verbieten", so Valentin.

Auch die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Christiane Woopen, betonte, dass der assistierte Suizid nur einen sehr kleinen Aspekt der Palliativmedizin darstelle. Man müsse vielmehr fragen, wie kann man zu einem glücklichen Sterben kommen, denn "gelungenes Sterben ist Teil eines gelungenen Lebens". Der Gesetzgeber müsse sich angesichts moralischer Pluralität zurückhalten, aber freilich müsse der Schutz des Lebens Grundsatz bleiben, ebenso aber die Solidarität mit Menschen in Not. Um den assistierten Suizid zu ermöglichen, stünden mehrere Optionen im Raum. In Deutschland sei Suizid nicht strafbar, daher auch nicht die Beihilfe. Es bestehe aber auch die Möglichkeit, den assistierten Suizid umfassend zu verbieten, oder ihn zwar grundsätzlich zu verbieten, aber Ausnahmen zu definieren. Ebenso könnten einzelne Verbote erlassen werden. Der Deutsche Ethikrat hat noch keine gemeinsame Stellungnahme dazu abgegeben.

In den Niederlanden ist sowohl Tötung auf Verlangen als auch assistierter Suizid rechtlich möglich. Die Befürchtungen, dass dadurch Dämme brechen, "slippery slopes" entstehen, seien unbegründet, so Inez de Beaufort, Ethikprofessorin am Erasmus Medical Centre in Rotterdam und Mitglied der European Group on Ethics. Die Anträge würden streng geprüft und in der Mehrzahl auch abgelehnt. Von einer Gefahr einer "duty to die" sei man weit entfernt. Sie sei vielmehr stolz auf ein Land, das seinen Ärzten erlaubt, zu helfen.

In der anschließenden Diskussion zeigte sich das Spektrum der Ansichten, die Zeit wurde allerdings knapp und Vorsitzende Christiane Druml stellte weitere Diskussionen in Aussicht.

 

 

 

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