erstellt am
14. 10. 14
10.00 MEZ

Tagung im Parlament: Parteien und Demokratie in Österreich seit 1989
Heinz Fischer betont Bedeutung der parlamentarischen Willensbildung
Wien (pk) - Sie riefen im Herbst 1918 die Republik Österreich aus, sie beschlossen das Bundes-Verfassungsgesetz 1920, sie erklärten im April 1945 die Unabhängigkeit Österreichs und begründeten damit die Zweite Republik. Die Rede ist von den politischen Parteien, über deren Bedeutung für Parlamentarismus und Demokratie am 13.10. ein hochkarätig besetztes Symposium im Hohen Haus stattfand. Begrüßt von Nationalratspräsidentin Doris Bures und dem Stellvertretenden Vorstand des Instituts für Politikwissenschaft an der Universität Wien, Josef Melchior, richteten die TeilnehmerInnen der Tagung mit Bundespräsident Heinz Fischer an der Spitze ihren Blick unter dem Titel "Parlament und Parteien" auf "Österreich seit 1989".

Unmittelbarer Anlass der Veranstaltung war der 90. Geburtstag von Parlamentsdirektor Wilhelm F. Czerny. Der Historiker und Politologe leitete die Parlamentsdirektion von 1973 bis 1989 und befasste sich eingehend mit Parlamentarismus, Parteien und Demokratie sowie mit dem Verhältnis von Kirche und Staat. Er war ein Pionier der Politikwissenschaft in Österreich und lehrte von 1982 bis 1989 an der Universität Wien. Das Symposium aktualisiert Czernys Fragen, Denkanstöße und Antworten zu Demokratie und Parlamentarismus, zu den neuen Kommunikationstechnologien und sozialen Bewegungen - vor dem Hintergrund der Europäischen Integration und politischer Entwicklungen wie Postdemokratie, Populismus, abnehmender Parteienbindung und nicht zuletzt hinsichtlich der Frage nach Teilhabe und Repräsentanz von Frauen in der Politik.

Weiterentwicklung der Demokratie ist ein ständiger Prozess
"Parteien sind unverzichtbarer Bestandteil eines lebendigen Parlamentarismus und einer funktionierenden Demokratie", stellte Nationalratspräsidentin Doris Bures in ihrer Begrüßung der TeilnehmerInnen des Symposiums fest. "Parteien ringen im parlamentarischen Alltag um Lösungen und bringen den Ausgleich der von ihnen repräsentierten Interessen zum Ausdruck", führte die Präsidentin und langjährige Parlamentarierin aus. Die Verbindung von Wissenschaft und Praxis, wie sie Parlamentsdirektor Wilhelm F. Czerny immer wichtig gewesen war, bestimme auch die dynamischen Prozesse des Parlamentarismus und der Demokratie, deren Weiterentwicklung ständig diskutiert werden müsse, führte Bures aus. Daher begrüßte die Nationalratspräsidentin die Einsetzung einer Enquete-Kommission zur "Stärkung der Demokratie in Österreich", kündigte die aktive Teilnahme der BürgerInnen an diesem Reformprozess an und informierte über die Möglichkeit, sich bis 24. Oktober auf der Homepage des Parlaments für die Teilnahme an dieser Enquete-Kommission zu bewerben.

Integration als Staatsaufgabe und Solidarität als knappes Gut
Wilhelm F. Czerny war ein engagierter Bürger und kritischer Intellektueller, der sich zeitlebens intensiv mit dem Parlamentarismus und dessen Rolle in der modernen Demokratie befasst hat, sich für die Einrichtung der Politikwissenschaft als akademische Disziplin in Österreich engagierte und sich als Lehrer an der Universität Wien Verdienste erwarb, sagte der Stellvertretende Vorstand des Instituts für Politikwissenschaft an der Universität Wien, Josef Melchior. Vieles, was Czerny schrieb, sei nach wie vor lesenswert, sagte Melchior. So habe er "Integration" als eine Aufgabe der Politik, der Demokratie und des Staates gesehen, für Melchior eine bemerkenswert aktuelle Einschätzung, sei Solidarität doch mittlerweile "zu einem knappen Gut" geworden. Auch habe sich Czerny eingehend mit der Krise der Demokratie befasst, berichtete Melchior. Auch der verstorbenen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer gedachte der Politologe mit Dankbarkeit, sie habe den Kontakt zwischen Politik und politischer Wissenschaft gefördert und sie hatte die Idee zu dem heutigen Symposium.

Demokratie braucht Parteien und parlamentarische Willensbildung
Ein Beamter alter Schule: Korrekt, pflichtbewusst, loyal, gebildet, engagiert, stets am Gemeinwohl orientiert und anderen Menschen positiv zugewandt - so würdigte Bundespräsident Heinz Fischer den bedeutenden Parlamentsdirektor Wilhelm F. Czerny in der Einleitung des Symposiums, das dem bedeutenden Parlamentsdirektor und Wissenschaftler gewidmet war. In sehr persönlichen Worten berichtete Bundespräsident Fischer von seiner Zusammenarbeit mit Czerny beim Verfassen eines Kommentars zur Geschäftsordnung des Nationalrates:

"Wilhelm F. Czerny war ein Mann, der der Praxis und auch der Theorie des Parlamentarismus verpflichtet war", erinnerte Fischer, der mit einem Überblick über die Entwicklung des Parlamentarismus seit Gründung der Republik deutlich machte, dass dies keine trockene Materie ist. Die Bedeutung der Parteien für Demokratie und Parlamentarismus in Österreich unterstrich Fischer mit dem Hinweis auf die Ereignisse im April 1945, als es die demokratischen Parteien die Republik Österreich wieder begründeten und dafür bei den Wahlen im Herbst 1945 bestätigt wurden. Die Macht der Parteien blieb in der Entwicklung der Zweiten Republik sehr groß, der Koalitionsausschuss der Regierungsparteien sei mächtiger gewesen als das Parlament und Koalitionsabkommen reine Parteiabkommen gewesen, erinnerte sich der Bundespräsident. Das Parlament habe erst seit den Alleinregierungen ab 1966 aufgeholt. "Die Parteien sind schwächer geworden", stellte der Bundespräsident zur aktuellen Entwicklung fest, wobei er gegenüber der Auffassung, man habe die Parteien zu stark subventioniert, meinte, man sollte bedenken, "über welche finanzielle Mittel andere Faktoren in der Politik verfügten".

An einem Symposium über das Verhältnis von Parlament und Parteien hätte Parlamentsdirektor Wilhelm F. Czerny mit Lust beteiligt, sagte Fischer und schloss mit den Worten: Eine Demokratie kann ohne Parteien und ohne parlamentarischen Willensbildungsprozess nicht funktionieren.

Wilhelm F. Czerny
Honorarprofessor Dr. Wilhelm F. Czerny (4.9.1924 bis 5.10.1989) war von 1948 bis 1989 Parlamentsbeamter und von 1973 bis 1989 Parlamentsdirektor. Als Wissenschaftler und Autor befasste sich Czerny eingehend mit dem Parlamentarismus, der Rolle von Parteien in der Demokratie sowie mit dem Verhältnis von Kirche und Staat. Von 1960 bis 1973 wirkte er maßgeblich in der Katholischen Sozialakademie mit. Mit seinen Vorträgen und Publikationen zählt Czerny zu den Pionieren der Politikwissenschaft in Österreich, die als akademisches Fach erst 1971 an den Universitäten Wien und in Salzburg etabliert wurde. Von 1982 bis 1989 lehrte Czerny als Honorarprofessor für Politikwissenschaft an der Universität Wien. Als Czerny 1989 kurz nach seiner Pensionierung verstarb, hinterließ er umfangreiche Schriften, die sich mit der Politik in der modernen Demokratie ebenso beschäftigen wie mit dem Parlamentarismus im Allgemeinen und der Rolle der Parteien im Besonderen. Auch 25 Jahre nach seinem Tod sind seine Texte interessant - zum einen, weil sie sich mit damals ganz neuen Themen, neuen Kommunikationstechnologien oder neuen sozialen Bewegungen, befassen, zum anderen, weil sie eine fundierte Auseinandersetzung mit den grundlegenden Fragen der Demokratie darstellen und damit zeitlos sind.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
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