Gesellschaft bürgerlichen Rechts erhält
 moderne Rechtsgrundlage

 

erstellt am
23. 10. 14
10.00 MEZ

Weiterer NR-Beschluss: Wertgrenze in der Jurisdiktionsnorm bleibt bei 15.000 €
Wien (pk) – Zwei Justizmaterien standen auf der Tagesordnung der Nationalratssitzung vom 22.10. Zunächst verabschiedeten die Abgeordneten einstimmig eine Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Zweck es ist, die weitgehend noch auf der Stammfassung des ABGB von 1811 beruhenden Bestimmungen über diese Gesellschaftsform durch eine gänzliche Neufassung an die Entwicklung von Lehre und Rechtsprechung anzupassen. Was wiederum die Wertgrenzen in der Jurisdiktionsnorm betrifft, sprach sich eine Mehrheit aus SPÖ, ÖVP, Grünen, Team Stronach und NEOS dafür aus, bei der seit 2013 in Kraft befindlichen Schwelle von 15.000 € zu bleiben und auf ursprünglich vorgesehene weitere Anpassungsschritte zu verzichten.

Gänzliche Neufassung der Regeln für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts
Nach über 200 Jahren werden die im ABGB verankerten Rechtsgrundlagen für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR) nun völlig neu textiert. Mit dem einstimmigen Beschluss des Reformgesetzes soll vor allem auch die Deckungsgleichheit zwischen Gesetz und Judikatur wiederhergestellt werden. Justizminister Wolfgang Brandstetter betrachtete die Reform dabei als ersten Schritt der Erneuerung des ABGB und versicherte, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts werde auch in Zukunft attraktiv bleiben und für jeden Zweck gegründet werden können. Ausdrücklich geregelt und damit erleichtert werde nun aber die Umwandlung in eine Offene Handelsgesellschaft (OHG).

ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker sah in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts die einfachste Form für ein erfolgreiches wirtschaftliches Zusammenarbeiten und wies wie auch SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim auf die vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten hin – vom Zusammenschluss von Kleinunternehmen im ländlichen Raum bis zu Arbeitsgemeinschaften für Bauzwecke. Die 200 Jahre alten Regelungen seien nicht mehr zeitgemäß, es bestehe Handlungsbedarf in Richtung Modernisierung, um Rechtssicherheit und Rechtsklarheit wiederherzustellen, unterstrich sie und wurde darin auch von SPÖ-Abgeordneter Elisabeth Grossmann bestätigt. Der Vorrang der Privatautonomie bleibe jedenfalls aufrecht, meinte Steinacker zudem übereinstimmend mit Harald Troch von der SPÖ. ÖVP-Mandatar Nikolaus Berlakovich wiederum nahm die Debatte zum Anlass, auf die Bedeutung der GesbR für den ländlichen Raum hinzuweisen und generell eine Entlastung der KMU von Bürokratie einzufordern. Als ersten Schritt zur Modernisierung des Zivilrechts begrüßte die Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer (V) die Reform, wobei ihr SPÖ-Abgeordnete Gisela Wurm mit den Worten beipflichtete, sie freue sich schon auf die kommenden Etappen der Weiterentwicklung der "ehrwürdigen älteren Dame ABGB".

Lob spendete auch Team-Stronach Justizsprecher Georg Vetter, der allerdings noch weiteren Modernisierungsbedarf im Gesellschaftsrecht ortete. Seiner Einschätzung nach gilt es nun vor allem, entsprechende wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Verbleib heimischer Unternehmen in österreichischen Händen begünstigen. Als Best-Practice-Modell wertete Beate Meinl-Reisinger von den NEOS die GesbR-Reform und hob dabei insbesondere die Rechtssicherheit und die Aufrechterhaltung der Privatautonomie hervor.

Keine weitere Anhebung der Wertgrenze in der Jurisdiktionsnorm
Zu der ursprünglich durch das 2. Stabilitätsgesetz geplanten stufenweisen Anhebung der Wertgrenzen in der Jurisdiktionsnorm auf 25.000 € im Jahr 2016 wird es nun doch nicht kommen. SPÖ, ÖVP, Grüne, Team Stronach und NEOS unterstützten einen Antrag der Regierungsparteien, bei den bisher als Schwelle für die Abgrenzung zwischen Bezirksgericht und Landesgericht bei Zivilprozessen erster Instanz geltenden 15.000 € zu bleiben und von weiteren Anhebungsschritten Abstand zu nehmen.

Der durch die Anhebung angestrebte Ausgleich der unterschiedlichen Auslastungen von Bezirksgerichten und Landesgerichten sei bereits nach dem ersten Anhebungsschritt eingetreten, weitere Anpassungen seien deshalb nicht erforderlich, argumentierten die ÖVP-Abgeordneten Beatrix Karl und Friedrich Ofenauer ebenso wie SPÖ Justizsprecher Johannes Jarolim. Albert Steinhauser von den Grünen signalisierte ebenfalls seine Zustimmung zu der Maßnahme, kritisierte allerdings, im internationalen Vergleich fehle es in Österreich an RichterInnen und StaatsanwältInnen.

Aus dem Konsens scherte lediglich Philipp Schrangl aus, der namens der FPÖ Aufklärung über die Auslastung der Bezirksgerichte forderte und die Sinnhaftigkeit des Einfrierens der Wertgrenzen nicht nachvollziehen konnte. Er stellte zudem die Frage in den Raum, ob denn die Anpassung nicht als Vorbereitung der nächsten Schließungswelle bei den Bezirksgerichten zu sehen sei.

Entwarnung kam in diesem Punkt von Justizminister Wolfgang Brandstetter, der zudem klarstellte, Sinn der Maßnahme sei es einzig und allein, die Auslastung der Bezirksgerichte sicherzustellen. Mit Schließungsplänen habe der heutige Beschluss überhaupt nichts zu tun. Was wiederum die Personalsituation in der Justiz betrifft, gab Brandstetter zu bedenken, langfristig werde man mehr Ressourcen brauchen.

 

 

 

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