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Grazer ForscherInnen identifizieren neue Krankheitsursache
Graz (meduni) - Die Mikrozephalie ist eine seltene Erkrankung, die durch einen stark verminderten Kopfumfang
und dadurch bedingtes geringeres Gehirnvolumen gekennzeichnet ist. Dies führt bei den Betroffenen zu einer
Beeinträchtigung in den kognitiven Fähigkeiten. Gemeinsam mit einer internationalen Forschungsgruppe
identifizierte Assoz.-Prof. Dr. Christian Windpassinger, Med Uni Graz, eine Genmutation als neue Ursache für
eine vererbbare Form der Mikrozephalie.
Primäre Mikrozephalie: Unbekannte Genmutation als Krankheitsursache
Die Inzidenz der Mikrozephalie liegt bei etwa 1,6 auf 1.000 Geburten, wodurch die Erkrankung als selten klassifiziert
wird. Die Krankheitsursachen sind vielfältig. "Neben erblichen Formen kann eine Mikrozephalie auch etwa
durch eine Rötelinfektion der Mutter während der Schwangerschaft, eine erhöhte pränatale Strahlenbelastung
oder auch Alkoholkonsum der Schwangeren verursacht werden", erklärt Assoz.-Prof. Dr. Christian Windpassinger,
Institut für Humangenetik der Med Uni Graz.
Primäre Mikrozephalie (MCPH) ist eine autosomal-rezessive Erbkrankheit. Das bedeutet, dass in der Regel nur
Familienangehörige betroffen sein können, deren Eltern bereits Anlageträger sind. Gemeinsam mit
KollegInnen aus der Schweiz, Pakistan, Kanada und Deutschland erforschten die WissenschafterInnen der Med Uni Graz
eine Mutation im HsSAS-6 Gen als bis dato unbekannte Krankheitsursache der vererbbaren Krankheitsform.
Zellteilung: Grundlagenforschung identifiziert Gehirnentwicklung
Den WissenschafterInnen gelang es in einer Studie mittels positioneller Klonierung die genomische Lokalisation
des Krankheitsgens auf das Chromosom 1 einzugrenzen. "Das Chromosom 1 ist das größte der 23 menschlichen
Chromosomenpaare und enthält etwa 8% der gesamten DNA einer menschlichen Zelle", so Christian Windpassinger.
Unter Einsatz modernster DNA-Sequenzierungsmethoden, dem sogenannten Next Generation Sequencing, gelangt es am
Institut für Humangenetik der Med Uni Graz, eine von beiden Elternteilen vererbte Mutation, die zu einem Aminosäureaustausch
in der hoch konservierten Domäne des HsSAS-6 Proteins führt, als krankheitsverursachende Veränderung
zu identifizieren.
Wie die meisten der bisher bekannten Gene, welche im Zusammenhang mit primärer Mikrozephalie beschrieben
werden, ist auch HsSAS-6 direkt am Aufbau und an der Funktion der Zentriolen beteiligt. "Zentriolen übernehmen
eine zentrale Aufgabe im korrekten Ablauf der Zellteilung", beschreibt Christian Windpassinger. Während
der embryonalen Ausbildung von Nervenzellen (Neurogenese) ist vor allem die symmetrische Zellteilung von großer
Bedeutung, um einen ausreichend großen Pool an neuronalen Stammzellen zu generieren. Diese Stammzellen entwickeln
sich in weiterer Folge zu Neuronen, den Nervenzellen. Es wird vermutet, dass die neuentdeckte Genmutation diesen
Vorgang empfindlich stört, indem es zu einer verfrühten Ausdifferenzierung von Neuronen kommt. "Eine
verfrühte Entwicklung von Nervenzellen kann im schlimmsten Fall in einem geringen Hirnvolumen bzw. der Mikrozephalie
resultieren", klärt Christian Windpassinger auf.
Die Grazer Studie konnte zeigen, dass die neu entdeckte Genmutation negative Auswirkungen auf den gesamten Zellteilungsapparat
hat. Die Studienergebnisse konnten bereits im renommierten Journal Human Molecular Genetics veröffentlicht
werden. Die Mutation kann nun bei weiteren Angehörigen betroffener Familien durch einen einfachen Gentest
nachgewiesen werden. Die Entdeckung von HsSAS-6 als verursachendes Gen für primäre Mikrozephalie bildet
zusätzlich einen Ausgangspunkt für Grundlagenforschung, die zur weiteren Aufklärung der Gehirnentwicklung
führen wird.
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