Nationalrat verabschiedet Ausführungsgesetz
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erstellt am
20. 11. 14
10.00 MEZ

VfGH-RichterInnen müssen Nebentätigkeiten offenlegen
Wien (pk) - Mit einem aus rechtspolitischer Sicht bedeutsamen Beschluss startete der Nationalrat am 19.11. in den Sitzungstag. Die Abgeordneten stimmten einhellig dem für die einfachgesetzliche Verankerung der "Gesetzesbeschwerde" notwendigen Ausführungsgesetz zu. Damit sind alle rechtlichen Voraussetzungen für eine direkte Anrufung des Verfassungsgerichtshofs durch Verfahrensparteien in Zivil- und Strafverfahren ab dem kommenden Jahr gegeben, wenn diese die Auffassung vertreten, dass ein erstinstanzliches Gerichtsurteil auf Basis eines verfassungswidrigen Gesetzes bzw. einer gesetzeswidrigen Verordnung erfolgte. In einzelnen Detailpunkten wurde der von der Regierung vorgelegte Gesetzentwurf zwar noch abgeändert, an den wesentlichen Bestimmungen änderte sich allerdings nichts.

Ergänzt wurde der Gesetzentwurf heute noch um Bestimmungen über die Offenlegung von Nebentätigkeiten der Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). So müssen die VfGH-RichterInnen künftig verpflichtend sämtliche beruflichen Tätigkeiten sowie Aufsichtsratsmandate und leitende Funktionen in einer Aktiengesellschaft, einer GmBH, einer Genossenschaft, einer Stiftung oder einer Sparkasse bekannt geben. Außerdem wird gesetzlich normiert, dass VerfassungsrichterInnen nicht an Entscheidungen mitwirken dürfen, wenn die Gefahr einer Befangenheit besteht. Damit wird nun gesetzlich festgelegt, was schon jetzt gängige Praxis im Verfassungsgerichtshof ist.

Druck gemacht in diesem Bereich hatten vor allem die Grünen, sie hätten sich auch weitergehende Offenlegungspflichten gewünscht. Ein von ihnen eingebrachter und mit dem Gesetzentwurf mitdiskutierter Entschließungsantrag, der unter anderem auch auf die Veröffentlichung von Gutachtertätigkeiten, Unternehmensbeteiligungen und Publikationen von VfGH-RichterInnen abzielte, blieb allerdings in der Minderheit.

Verfassungsgerichtshofgesetz wird in mehreren Punkten adaptiert
Mit dem Ausführungsgesetz wird der so genannte "Parteienantrag auf Normenkontrolle", wie die Gesetzesbeschwerde rechtstechnisch heißt, im Verfassungsgerichtshofgesetz, in der Zivilprozessordnung, im Außerstreitgesetz und in der Strafprozessordnung verankert. Um den Verfassungsgerichtshof (VfGH) anrufen zu können, muss die betroffene Verfahrenspartei zeitgerecht ein Rechtsmittel gegen das erstinstanzliche Urteil erhoben, also etwa Berufung eingelegt haben. Ausnahmen von der Gesetzesbeschwerde, etwa im Bereich von Exekutionsverfahren oder Verfahren über die Kündigung von Mietverträgen, sollen sicherstellen, dass der Zweck bestimmter Verfahren nicht vereitelt wird.

Das zuständige Berufungsgericht ist an das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs gebunden. Eine Entscheidungsfrist für den Verfassungsgerichtshof ist nicht vorgesehen, die Mitglieder des Verfassungsausschusses des Nationalrats haben aber in einer Ausschussfeststellung ihre Erwartung bekräftigt, dass der VfGH über Parteianträge auf Normenkontrolle rasch entscheidet. In Kraft treten soll das Ausführungsgesetz – genauso wie die bereits beschlossenen verfassungsrechtlichen Grundlagen – am 1. Jänner 2015.

Der von allen sechs Fraktionen gemeinsam vorgelegte Abänderungsantrag enthält neben den neuen Offenlegungspflichten für VfGH-RichterInnen auch weitere Adaptierungen des Verfassungsgerichtshofgesetzes. So werden jene Bestimmungen neu gefasst, die festlegen, in welchen Fällen der Verfassungsgerichtshof von einer mündlichen Verhandlung Abstand nehmen kann und in welchen Fällen er in "kleiner Besetzung" – vier RichterInnen plus Präsident – entscheiden darf. Das ist etwa dann der Fall, wenn die betroffene Rechtsfrage durch die bisherige Rechtsprechung bereits genügend klargestellt ist. Bei den Änderungen geht es den Erläuterungen zufolge lediglich um legistische Adaptierungen, an der geltenden Praxis soll sich nichts ändern. Zudem wird jedem Mitglied des Verfassungsgerichtshofs ausdrücklich das Recht eingeräumt, eine für eine "kleine Besetzung" vorgesehene Sache in die "große Besetzung" zu reklamieren.

Festgeschrieben wird darüber hinaus, dass Anträge auf Bewilligung von Verfahrenshilfe außerhalb der Sessionen des Verfassungsgerichtshofs künftig auf Antrag des zuständigen Referenten vom Präsidenten ab- bzw. zurückgewiesen werden können. Damit ist es in Hinkunft möglich, raschere Entscheidungen zu treffen. Überdies wird ausdrücklich klargestellt, dass der Verfassungsgerichtshof die Zivilprozessordnung nur sinngemäß anzuwenden hat.

Was den neuen Parteienantrag auf Normenkontrolle betrifft, müssen die Antragsteller gemäß dem Abänderungsantrag dem Verfassungsgerichtshof präzise darlegen, warum das von ihnen beanstandete Gesetz bzw. die beanstandete Verordnung für das Urteil maßgeblich war. Sollte das verabsäumt werden, kann die Begründung auch nachgereicht werden. Klargestellt wird außerdem, dass auch Parteienanträgen auf Normenkontrolle der Anwaltspflicht unterliegen.

Einhellige Zustimmung zum neuen Parteienantrag auf Normenkontrolle
Im Rahmen der Debatte erinnerte FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan daran, dass die Einführung der Gesetzesbeschwerde auf einen Antrag der FPÖ zurückgeht. Mit diesem Instrument wird seiner Meinung nach eine Rechtsschutzlücke geschlossen. Dass nicht alle Details den Vorstellungen der FPÖ entsprechen, etwa was die Ausnahmebestimmungen betrifft, ist für Stefan verschmerzbar, wesentlich sei, dass am Ende langwieriger Verhandlungen ein akzeptabler Kompromiss gefunden wurde. Das gilt Stefan zufolge auch für die neuen Offenlegungspflichten für VerfassungsrichterInnen, die er gerne weiter gefasst und auf andere Gerichte wie den Verwaltungsgerichtshof ausgedehnt gehabt hätte.

Seitens der Grünen wertete Abgeordnete Daniela Musiol die Einführung der Gesetzesbeschwerde als positives Beispiel dafür, wie man Reformen im Parlament gestalten könne. Für sie sind auch die vorgesehenen Ausnahmetatbestände nachvollziehbar. In der Praxis müsse man aber beobachten, wie die neuen Gesetzesbestimmungen funktionieren, mahnte sie.

Besonders erfreut äußerte sich Musiol darüber, dass es im Sine der Transparenz zuletzt noch gelungen ist, Offenlegungsbestimmungen für VfGH-RichterInnen in das Gesetzespaket einzubauen. Sie hätte sich zwar weitere Offenlegungspflichten gewünscht, etwa was die Veröffentlichung von Gutachtertätigkeiten oder Unternehmensbeteiligungen betrifft, meinte sie, mit der neuen Befangenheitsbestimmung habe man hier aber eine gute Lösung gefunden.

Musiols Fraktionskollege Albert Steinhauser begrüßte es ausdrücklich, dass sich die Verfahrensparteien bereits nach einem erstinstanzlichen Urteil an den Verfassungsgerichtshof wenden können. Damit sei ein sozial gerechter Zugang zum VfGH gewährleistet, meinte er, schließlich könne die Durchfechtung eines Verfahrens bis zum Obersten Gerichtshof (OGH) sehr teuer sein. Zudem würde man eine Diskussion über die Frage der Gleichwertigkeit der Höchstgerichte heraufbeschwören, würde eine Partei den VfGH erst nach einem OGH-Urteil anrufen können. Im Blick behalten will Steinhauser, ob das neue Instrument zu erheblichen Verfahrensverzögerungen führt.

Erfreut über die breite Zustimmung zur Gesetzesbeschwerde zeigte sich SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann. Man habe einen tauglichen Kompromiss gefunden, hob er hervor. Was die SPÖ nicht haben hätte wollen, sei eine Urteilsbeschwerde. Zufrieden äußerte sich Wittmann auch mit dem Abänderungsantrag, den er namens der sechs Fraktionen einbrachte.

VfGH bekommt noch stärkere Rolle als Verfassungshüter
ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl und sein Fraktionskollege Nikolaus Berlakovich hoben vor allem die Bedeutung des Gesetzesbeschlusses für den Rechtsschutz der ÖsterreicherInnen hervor. Gerstl sprach in diesem Zusammenhang von einem Meilenstein. Der Verfassungsgerichtshof habe als Hüter der Verfassung künftig eine noch stärkere Rolle, betonte er.

Zu den neuen Offenlegungspflichten für VfGH-RichterInnen merkte Gerstl an, ihm sei keine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs in Erinnerung, bei der es eine Befangenheitsdiskussion gegeben hätte. Für ihn sind die vorgesehenen Bestimmungen trotzdem "gut und richtig", damit räume man jeden Zweifel an der Unvoreingenommenheit der RichterInnen aus.

Zustimmend zum Gesetz äußerten sich namens der Koalitionsparteien auch die Abgeordneten Johannes Jarolim (S), Angela Lueger (S) und Elisabeth Pfurtscheller (V). Den Weg zum Verfassungsgerichtshof bereits nach einem erstinstanzlichen Urteil zu öffnen, ist für Jarolim der richtige Weg, es wäre seiner Ansicht nach nicht gut gewesen, hätten Verfahrensparteien die Möglichkeit erhalten, ein bereits rechtskräftiges Urteil neuerlich aufzurollen. Abgeordnete Lueger fürchtet nicht, dass das neue Recht missbraucht werden kann, man habe im Gesetz entsprechende Vorkehrungen getroffen. Abgeordnete Pfurtscheller wies darauf hin, dass die Gesetzesbeschwerde den Aufwand beim Verfassungsgerichtshof erhöhen wird, das ist für sie im Sinne der Rechtsstaatlichkeit, des Rechtsschutzes und der Bürgernähe aber gerechtfertigt.

Unterstützt wurde die vorliegende Gesetzesnovelle auch vom Team Stronach und von den NEOS. Mit der Einführung der Gesetzesbeschwerde werde der Rechtsschutz maßgeblich verbessert, hob etwa NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak hervor. Was die Verfahrenssystematik betrifft, schloss sich Scherak den Ausführungen von Abgeordnetem Steinhauser an, auch er findet es gut, dass die Gesetzesbeschwerde bereits nach einem erstinstanzlichen Urteil eingebracht werden kann. Bei der Frage der Offenlegungspflichten für VfGH-Mitglieder gehe es um notwendige Transparenz, sagte Scherak, in keiner Weise wolle man damit Misstrauen gegenüber dem Verfassungsgerichtshof ausdrücken.

Ein gewisses Verständnis für Kritik am Ausnahmekatalog äußerte Abgeordneter Georg Vetter (T). Es sei in diesem Fall aber nicht möglich, etwas richtig oder falsch zu machen, meinte er, man habe einen Kompromiss finden müssen. Das sei gelungen. Auch bei den Offenlegungspflichten für VfGH-Mitglieder beschreite man einen ausgewogenen Mittelweg zwischen Transparenz und Intimität. Insgesamt erachtet es Vetter für positiv, dass VerfassungsrichterInnen neben ihrer Tätigkeit am Verfassungsgerichthof auch eine weitere Berufstätigkeit ausüben dürfen.

Kanzleramtsminister Josef Ostermayer unterstrich, dass die Einführung der Gesetzesbeschwerde der letzte Baustein beim Ausbau der Rechtsstaatlichkeit und des Rechtsschutzes in Österreich sei, nachdem zuvor bereits die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf neue Beine gestellt wurde. Er glaubt nicht, dass man mit dem neuen Rechtsschutzinstrument vorwiegend Querulanten Tür und Tor öffnet.

 

 

 

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