Erste Reformschritte des Strafvollzugs
 vom Nationalrat beschlossen

 

erstellt am
12. 12. 14
10.00 MEZ

Generaldirektion im Justizministerium wird Gefängnisverwaltung zentral steuern
Wien (pk) - Die Verwaltung des Strafvollzugs wird neu aufgestellt. Das beschloss der Nationalrat am 11.12. einstimmig mit dem Strafvollzugsreorganisationsgesetz. Anstatt der Vollzugsdirektion ist somit eine Generaldirektion im Justizministerium zuständig für die Organisationsplanung und Kontrolle von Strafvollzug und freiheitsentziehenden Maßnahmen. Die neue Verwaltungseinheit untersteht direkt dem Minister. Durch den Wegfall von Zwischenhierarchien gebe es raschere Entscheidungswege und straffere Strukturen, beschrieb Justizminister Wolfgang Brandstetter bei der Plenardebatte die Auswirkung der Umstrukturierung. Der erste Schritt für weitere Reformen im Strafvollzug sei damit gesetzt, so Brandstetter und fand dabei Bestätigung bei den Abgeordneten, wobei SPÖ, FPÖ, Grüne und NEOS auf mehr Personal in den Justizanstalten drängten.

Einhellig verabschiedete das Nationalratsplenum in diesem Zusammenhang auch Änderungen im Strafgesetzbuch, unter anderem zur Ahndung von Kriegsverbrechen, und ein Bundesgesetz zur engeren justiziellen Zusammenarbeit der EU-Staaten auf dem Gebiet des Gewaltschutzes.

Ebenfalls keine Gegenstimme gab es für eine Gerichtsgebühren-Novelle mit Erleichterungen in Pflegschafts- und familienrechtlichen Verfahren sowie für ein Bundesgesetz zur Organisation der Bezirksgerichte in Graz. Mehrheitliche Zustimmung fand ein Rechnungslegungs-Änderungsgesetz, mit dem das heimischen Bilanzrecht übersichtlicher und moderner werden soll, sowie eine Urhebergesetz-Novelle zur online-Verbreitung verwaister Werke durch Bibliotheken, Museen und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten.

Brandstetter sieht noch weiteren Handlungsbedarf im Strafvollzug
Gemäß Strafvollzugsreorganisationsgesetz ( 347 d.B.) wird nun eine Generaldirektion für den Strafvollzug und den Vollzug freiheitsentziehender Maßnahmen eingerichtet, die an die Stelle der bisherigen Vollzugsdirektion tritt. Direkt in der Zentralstelle des Justizministeriums beheimatet, wird die Generaldirektion sämtliche Kompetenzen für Planung, Organisation, Leitung, Steuerung, Rechtsschutz und Öffentlichkeitsarbeit wahrnehmen.

Mitbehandelt wurde vom Plenum zum einen die Aufnahme von Bestimmungen des Völkerstrafrechts im Strafgesetzbuch (StGB). Damit sind das Verschwindenlassen von Personen sowie Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ( 348 d.B.) als Tatbestände im StGB verankert. Zum anderen wird bei der strafrechtlichen Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsländern der Europäischen Union festgelegt, dass in einem Staat bei einem Strafverfahren angeordnete Opferschutzmaßnahmen unionsweit anzuerkennen sind ( 353 d.B.). Neu ist zudem die Regelung, wonach Informationen über Verurteilungen und Tätigkeitsverbote wegen Sexualstraftaten an Kindern zur Vorlage an den potenziellen Arbeitgeber nun auch im Wege des elektronischen Austauschs aus dem Strafregister zwischen den EU-Mitgliedstaaten übermittelt werden können.

Die Neugestaltung der Strafvollzugsorganisation betrachtet Justizminister Brandstetter als wichtige und notwendige Voraussetzung für weitere Reformschritte, mit denen die österreichischen Justizanstalten flächendeckend den hohen qualitativen Ansprüchen gerecht werden sollten. Ein großer Wurf zur Bewältigung der bestehenden Probleme in diesem Feld würden jedoch die Kräfte des Justizressorts übersteigen.

Für Michaela Steinacker (V), Obfrau des Justizausschusses, und SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim (S) ist die Reform der Strafvollzugsverwaltung die richtige erste Maßnahme, die der Justizminister nach Bekanntwerden von Missständen im Strafvollzug gesetzt hat. Steinacker hob hervor, eine effiziente Kontrolle des Strafvollzugs schaffe Vertrauen bei allen Beteiligten. Dieser Haltung schlossen sich die Abgeordneten Friedrich Ofenauer (V) und Otto Pendl (S) an: der Justizminister habe den bestehenden Handlungsbedarf erkannt, indem die Verwaltungszentrale der Strafanstalten ins Ministerium zurückgeholt wird. Außerdem werde nun ein zentraler chefärztlicher Dienst als Fachaufsicht über die medizinische Betreuung in Gefängnissen geschaffen, fügte Ofenauer an. Pendl wies darauf hin, der Großteil der Beschäftigten in Justizanstalten leiste hervorragende Arbeit, obwohl vor allem im Bereich der Justizwache hoffnungslose Personalknappheit herrsche. Zur Abhilfe dürften aber nicht private Dienstleister herangezogen werden, so der SPÖ-Mandatar, der auf die hoheitliche Besetzung der Justizwache als ureigene Aufgabe des Staates pochte.

Seitens der Oppositionsparteien gab es ebenfalls breiten Konsens darüber, dass das Strafvollzugsreorganisationsgesetz einen kleinen aber bedeutenden Teil der allgemeinen Strafvollzugsreform bildet. Wiewohl Christian Lausch (F) die Schließung der Vollzugsdirektion begrüßte, mahnte er, eine alleinige Namensänderung der zuständigen Direktion reiche nicht aus. Notwendigen sind aus seiner Sicht tiefergehende Verbesserungen hinsichtlich Effizienz, auch Personalwechsel in der zuständigen Behörde wären sinnvoll. Der kleinen Reform im Strafvollzug müssten große folgen, bekräftigte Albert Steinhauser (G), denn mit der vorliegenden Verwaltungsänderung würden die großen Probleme des Strafvollzugs nicht gelöst. Immer noch litten die Gefängnisse unter zu hohem Häftlingsstand mit zu wenig Ressourcen, was lange Einschlusszeiten und folglich Übergriffe unter den Insassen zur Folge habe.

Überbelegung und Missstände wie sexuelle oder tätliche Übergriffe in Gefängnissen führte auch Beate Meinl-Reisinger (N) als latente Problemfelder in österreichischen Strafanstalten an. Insbesondere der Zustand des heimischen Maßnahmenvollzugs war ihr ein Anliegen, habe es hier doch seit den 1970er Jahren kaum mehr Fortschritte gegeben – sowohl in legistischer Hinsicht als auch bei der personellen Ausstattung.

Den Gesetzesentwurf zur justiziellen Zusammenarbeit thematisierte indes Gernot Darmann (F) in der Debatte. Konkret sprach er die verschärften Maßnahmen bei Sexualstraftaten an Kindern an und brachte zur diesem "Herzensanliegen der Freiheitlichen" einen Entschließungsantrag ein, in dem dazu eine Verschärfung im Bereich des Tätigkeitsverbots gefordert wird. Konkret drängt Darmann, verurteilten SexualtäterInnen, die zum Tatzeitpunt in der Betreuung Minderjähriger bzw. wehrloser Personen beschäftigt waren, jeden Beruf in derartigen Bereichen zu verbieten. Der FPÖ-Antrag fand jedoch keine Mehrheit im Nationalrat.

Gisela Wurm (S) lobte an der justiziellen Zusammenarbeit der EU-Staaten die nunmehr getroffenen Verbesserungen im Opferschutz, von denen vor allem Frauen profitierten. Schutzmaßnahmen wie Betretungs-,-Kontakt-, und Näherungsverbote, wie sie in österreichischen Gewaltschutzgesetzen bereits seit zehn Jahren verankert seien, würden ohne eigenes Verfahren für die betroffene Person auch im Ausland berücksichtigt, skizzierte sie.

Parteiübergreifend gutgeheißen wurde auch die Aufnahme von Bestimmungen des internationalen Völkerstrafrechts in das Strafgesetzbuch, wie Georg Vetter (T), Nikolaus Berlakovich (V), Elisabeth Grossmann (S) und Nikolaus Scherak (N) für ihre Fraktionen darstellten. Eine absolute Notwendigkeit stelle die strafrechtliche Ahndung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar, sodass die TäterInnen sich der Konsequenzen ihrer Handlungen bewusst sind, verdeutlichte Berlakovich. Scherak erinnerte überdies, die Handlungsfährigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs hänge letztlich davon ab, dass völkerrechtliche Bestimmungen in nationales Recht implementiert würden. Grossmann bezog sich besonders auf den Tatbestand der Vergewaltigung, der entgegen der Istanbuler Konvention häufig nicht entschieden geahndet werde.

Weniger Gerichtsgebühren in Pflegschafts- und familienrechtlichen Verfahren
Gebührenerleichterungen in familienrechtlichen und in Pflegschaftsverfahren sollen für größere Teile der Bevölkerung den Gang zu Gericht ermöglichen ( 366 d.B.). Darüber bestand Konsens in der Debatte zum neuen Gerichtsgebühren-Gesetz. So werden Minderjährige in Verfahren mit Bezug zum Familienrecht gänzlich von den Gebühren befreit. Bei der Bestellung eines Kinderbeistands und bei der Beauftragung der Familiengerichtshilfe als Besuchsmittler wiederum sind die ersten Zeiträume (sechs bzw. fünf Monate), in denen diese zusätzlichen Institute vom Pflegschaftsgericht herangezogen werden, nicht von der Gebühr erfasst. Zweite Stoßrichtung der Gesetzesänderung ist die Vereinfachung des Liegenschaftsverkehrs. Künftig wird es möglich sein, die Grundbuchseintragungsgebühr gemeinsam mit der Grunderwerbssteuer zu entrichten.

Die Steigerung des Zugangs zum Recht skizzierte Eva-Maria Himmelbauer (V) als Grundlage der Gesetzesvorlage, in der Philipp Schrangl (F) viele freiheitliche Forderungen wiedererkannte. Vor allem bei der belastenden Situation einer Scheidung seien bereits unterstützende Maßnahmen gesetzt worden, bezog sich Himmelbauer unter anderem auf die Familiengerichtshilfe, die nunmehr in den ersten Monaten gebührenfrei sei. Jede finanzielle Unterstützung für Familien sei positiv zu werten, ergänzte ihr Parteikollege Georg Strasser und Ruth Becher (S) zeigte auf, mit dem Gesetz würden finanzielle Hürden in Familienrechtsverfahren ausgeräumt, was sie wie Peter Wittmann (S) außerordentlich begrüßte. Ungeachtet dessen gelte es, noch weitere Reformschritte auf dem Gebiet der Gerichtsgebühren setzen, so Becher in Übereinstimmung mit den Abgeordneten Albert Steinhauser (G) und Georg Vetter (T). Steinhauser kritisierte, immer noch würden in Österreich mehr Gerichtsgebühren eingenommen, als tatsächlich Kosten für Gerichte anfielen. Für das Ziehen der Gebührenbremse sprach sich Vetter aus, weil viele Verfahren aufgrund der Zahlungen an das Gericht erst gar nicht angegangen würden.

Bilanzrecht neu soll Kleinunternehmen fördern
Durch ein Rechnungslegungs-Änderungsgesetz ( 367 d.B.) soll zunächst die Bilanz-Richtlinie der EU umgesetzt und damit die europäische Vergleichbarkeit von Jahres- und Konzernabschlüssen gefördert werden. Die Novelle nimmt die Harmonisierung aber auch zum Anlass, das österreichische Bilanzrecht insgesamt zu modernisieren, so etwa durch Beseitigung international nicht üblicher Posten und Bilanzierungsmethoden wie der unversteuerten Rücklagen oder der Buchwertmethode bei der Kapitalkonsolidierung. Neu geregelt wird auch der Ausweis latenter Steuern und eigener Aktien. Erleichterungen bringt die Regierungsvorlage zudem für Kleinstkapitalgesellschaften. Nach differenzierten Abstimmungsergebnissen bei der getrennten Abstimmung in Zweiter Lesung wurde das Rechnungslegungs-Änderungsgesetz in Dritter Lesung mehrheitlich angenommen.

Georg Vetter (T) stimmte den "hausgemachten" Änderungen zu, etwa geringeren Strafen für Geschäftsführer von GmbH. Neue Berichtspflichten und bürokratische Auflagen für Betriebe, die sich im internationalen Wettbewerb beweisen müssen, seien aber abzulehnen.

Werner Groiß (V) sprach hingegen von einer gut lesbaren und verständlichen Richtlinienumsetzung, insbesondere für kleine Unternehmen, die Verwaltungsvereinfachungen bringe. Dazu kommen Vereinfachungen im Steuerrecht durch die Harmonisierung des Unternehmens- und des Steuerrechts. Dieser Weg soll bei der Steuerreform weiter gegangen werden, sagte Groiß. Beate Meinl-Reisinger (N) schloss sich den positiven Ausführungen ihres Vorredners an, übte aber Kritik an einer versteckten Steuererhöhung bei der Zuschreibung von Werten durch Streichung von Ausnahmen und lehnte diese Bestimmung bei der getrennten Abstimmung ab.

Während Johannes Jarolim (S) die Harmonisierung von Bilanzbestimmungen vor dem Hintergrund einer zunehmenden Internationalisierung der Wirtschaft begrüßte, hielt es Hubert Fuchs (F) für bedenklich, dass es Stiftungslobbies gelungen sei, ihnen unangenehme Bestimmungen auf dem Weg vom Ministerialentwurf zur Regierungsvorlage aus dem Gesetzentwurf heraus zu reklamieren, insbesondere Offenlegungsregeln für Privatstiftungen.

Justizminister Brandstetter sprach von einem Gesetz für Klein- und Kleinstunternehmer, das steuerrechtliche Implikationen enthalte, aber keine Steuerern erhöhe. Die erwähnte Berichtspflicht diene der Transparenz und betreffe nur Großunternehmen im Rohstoffsektor.

Matthias Köchl (G) kündigte die Zustimmung der Grünen an und plädierte für eine pauschalierte Absetzung von Arbeitszimmern in Wohnungen sowie für einen Gewinnvortrag für Einpersonenunternehmen.

Verbreitung verwaister Werke durch öffentliche Einrichtungen wird erleichtert
Eine weitere EU-Richtlinie wird mit einer Urheberrechtsgesetz-Novelle ( 368 d.B.) umgesetzt. Bibliotheken, Museen, Archive und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten können dadurch unter bestimmten Voraussetzungen verwaiste Werke im Internet zur Verfügung stellen.

Michaela Steinacker (V) bekannte sich zu dem Prinzip, Urhebern ihre Leistung abzugelten. Die vorliegende Änderung im Urheberrecht sei notwendig, um verwaiste Werke – nach sorgfältiger Suche der Urheber - im Internet oder im Fernsehen verwerten zu können. Sollten Urheber verspätet auftauchen, haben sie die Möglichkeit, den Status ihres Werks wieder zu ändern.

Harald Troch (S) nannte als Beispiel Fotos aus dem Ersten Weltkrieg, deren Urheberrechte nicht geklärt seien und bislang nicht genutzt werden konnten. Die nunmehr mögliche niederschwellige Nutzung solcher Werke sei zeitgemäß, benutzerfreundlich und im Interesse gemeinnütziger Einrichtungen. Die kulturelle und historische Bedeutung verwaister Werke ist in Europa sehr groß, betonte Troch.

Wolfgang Zinggl (G) bekannte sich zum Grundrecht des geistigen Eigentums und zur Veröffentlichung der Werke, was in den meisten Fällen im Interesse der Urheber liege. Kritisch sah Zinggl die Einschränkung der Veröffentlichung verwaister Werke auf gemeinnützige Einrichtungen sowie das große Risiko, das entstehe, wenn nach der Veröffentlichung eines verwaisten Werks der Urheber auftritt. Das werde manchen daran hindern, sich auf das Risiko einer Veröffentlichung einzulassen.

Nikolaus Alm (N) begrüßte die vorliegende EU-Richtlinienumsetzung, bedauerte aber, dass diese die längst notwendige Urheberrechtreform nicht leiste. Es gebe keinen Grund, den Kulturschaffenden die Abgeltung ihrer Ansprüche aus der Nutzung von Privatkopien länger vorzuenthalten und beantragte eine Studie zur Feststellung des Schadens, der den Urhebern durch Privatkopien entstehe.

Beim Thema Festplattenabgabe bekannte sich Justizminister Brandstetter zum Vergütungsanspruch zugunsten von KünstlerInnen. Offen sei noch, wie man diesen Vergütungsanspruch erfüllen könne. Er sei auf der Suche nach der besten Lösung.

Die Novelle wurde mit Mehrheit verabschiedet. Der Entschließungsantrag der NEOS betreffend Studie zur Evaluierung der Ansprüche aus der Nutzung von Privatkopien blieb in der Minderheit.

Organisation der Bezirksgerichte in Graz
Den Abschluss des Justizblocks der heutigen Plenarsitzung bildete eine Formaländerung zum Bundesgesetz über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz. Die Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen für diese Gerichte werden nun in das für derartige Maßnahmen vorgesehene "Gesetz über den Übergang der Zivil- und Strafsachen und die Änderung der Zuständigkeit bei der Auflassung von Bezirksgerichten" transferiert ( 370 d.B.). Mangels verbleibender selbstständiger Regelungsinhalte wird das ursprüngliche Bundesgesetz über die Organisation der Bezirksgerichte in Graz aufgehoben.

Die Neuregelung bestehe in einer technischen Rechtsbereinigung ohne unmittelbare Auswirkungen auf die Rechtsunterworfenenen führten die Abgeordneten Bernd Schönegger (V) und Klaus Uwe Feichtinger (S) in kurzen Wortmeldungen aus. Der Nationalrat verabschiedete die Novelle einstimmig

 

 

 

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