Anglöckeln in Salzburg als vorweihnachtlicher Brauch

 

erstellt am
12. 12. 14
10.00 MEZ

Der Brauch weist vielfältige Formen auf, für viele Menschen sicherte er das Überleben, nicht immer ging es friedlich zu
Salzburg (lk) - Das Anglöckeln ist heute in allen Landbezirken Salzburgs ein beliebter vorweihnachtlicher Brauch, den vor allem Kinder und Jugendliche an den drei Donnerstagen vor Weihnachten (Klöpfelnächte) ausüben. Als Hirten verkleidet, gehen sie von Haus zu Haus, singen Adventlieder, wünschen Glück und Segen und kündigen damit auch die Geburt von Jesus Christus an. Dabei erhalten sie oft kleine Gaben.

"Das war jedoch nicht immer so", erklärte Dr. Ulrike Kammerhofer, Leiterin des Salzburger Landesinstitutes für Volkskunde âm 11.12. Das Anglöckeln oder Anklöckeln (von klöcken = anklopfen) war im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit für viele Menschen überlebensnotwendig. Auch ging es beim Anglöckeln nicht immer friedlich zu, es gab sogar Tote, und die Obrigkeit verbot mancherorts das Anglöckeln.

Belege für das Anglöckeln gehen bis ins frühe 17. Jahrhundert zurück, vor allem in Mitteldeutschland, Bayern bis hin nach Salzburg, Tirol und Südtirol ist dieser Brauch heute nach wie vor besonders auf dem Land verbreitet.

"Das Anglöckeln weist in Salzburg vielfältige Formen, die sich oft mit Herbergsuche und Perchtenumzug vermengen oder eng mit dem 'Heischen' verbunden sind, auf", so Kammerhofer. Aus Quellen geht hervor, dass Ende des 19. Jahrhunderts im Rauriser Tal die Anglöckler "schiachvermummt" von Hof zu Hof zogen und in Reimen das Verhalten der Hofbewohnerinnern und Hofbewohner kritisierten, aber auch Glück wünschten. Dafür erhielten sie Nüsse. Ihr Kommen bedeutete den Bauersleuten Glück und Fruchtbarkeit. Im übrigen Pinzgau waren die Anglöckler ebenfalls vermummt, so trugen einige zu den Larven auch Bischofsmützen – ein deutlicher Bezug auch zum Nikolausspiel.

Im Gasteinertal führten die Anglöckler lange Stöcke mit sich, mit denen sie an Fenster und Türen klopften. In Knittelversen führten sie Frage- und Rätseldialoge mit den Hausleuten. Im Pongau erscheint – singend und spielend – ein ganzer Perchtenzug. Bei den sogenannten vermummten "Klezi-Klezi" aus St. Georgen bei Oberndorf und im Rupertiwinkl (auch Kletz-Kletz) stehen und standen Gabenbitten und Wünsche sowie ein gereimtes Rätselwettspiel, das für "Gaudi" sorgte, auf dem Programm.

Hallein: "Gehst nöt a Glöckibetn?"
Aus Hallein findet sich ein Verweis, dass dort in früheren Zeiten das Anglöckeln auch "Anhörbign" hieß, also Herbergssuchen. Und in Hallein existierte auch die fragende Redensart "Gehst nöt a Glöckibetn?", denn arme Leute und Kinder zogen im Advent umher, trugen fromme Sprüche vor und heischten um Gaben. In Bezug auf Hallein ist an Salinenarbeiter, Schöff- und Bergleute zu erinnern, die einen Nebenerwerb im Winter notwendig hatten. In der alten Halleiner Kirchenkrippe aus dem 18. Jahrhundert sind die Schöffleute in ihrer Schifferkleidung, mit den langen Rudern zum Manövrieren der Floße in einer bittenden Haltung mit gezogenen Hüten und aufgehaltener Hand dargestellt.

Das war nicht nur in Hallein so. Das Anglöckeln half nicht nur den armen Schöffleuten, die die gefährlichen Salztransporte durchführten, beim Überleben, sondern allen armen sowie rechtlosen Menschen, darunter auch den sogenannten "Siechen" (Kranken). Mit einer Klapper oder einem Glöcklein gingen die Insassen der Siechenanstalten in den Ortschaften herum und sammelten Almosen. Für die Stadt Salzburg wurde dieses wöchentlich stattfindende Almosensammeln der Bewohnerinnen und Bewohner des Bürgerspitals unter Erzbischof Colloredo geregelt.

Belege für Raufereien, Krawalle und sogar Tote
Im katholischen Gebiet blieb das Anglöckeln über die Jahrhunderte weg ein volkstümlicher Brauch, bei dem es aber nicht selten zu "Raufhändeln" kam. Das ist für Salzburg, das angrenzende Innviertel und Bayern dokumentiert. Immer wieder uferte das Klöpfeln beispielsweise in Bad Reichenhall zu Radau der Jugendlichen aus und wurde deshalb verboten. So wurden 1611und 1612 deshalb dem Amtmann von Reichenhall wegen seiner Strenge gegen das Klöpfeln von den Klöpflern in den Klöpflnächten wiederholt die Fenster eingeschlagen.

Zahlreiche Steinkreuze, die als Gedenkkreuze an ein Unglück oder einen Mord in Salzburg und im Rupertiwinkel aufgestellt waren, kündeten von ermordeten Anglöcklern. So fand sich am Weg von Glasenbach zum Eglsee ein Kreuz aus rotem Marmor, an dessen Ort 1798 angeblich ein Anglöckler erschlagen worden sein soll. Der Legende nach sollen vermummte Glöckler damals bemerkt haben, dass sich der Teufel verkleidet unter sie gemischt habe. Sie ergriffen ihn und erschlugen ihn, und erst zu spät erkannten sie, dass sie an Stelle des Teufels einen aus ihren eigenen Reihen getötet hatten.

Auch in Oberwinkel gab es ein Marmorkreuz, unter dem angeblich ein erschlagener Glöckler gelegen haben soll. Auch am Bürgl in Strobl, bei der Luisenquelle in Pfandl, in Ebensee und Langwies sollen solche Kreuze existiert haben. Bei Landsteg im Raurisertal steht heute noch ein Gneiskreuz aus der Mitte des 16. Jahrhunderts, unter dem eine in der "Berchtenmaske" verstorbene Person liegt. Denn wer im Perchtengewand mit Teufelsmaske starb, wurde lange Zeit nicht in geweihter Erde begraben.

Aufklärung führte oft zu Verboten von volkstümlichen Bräuchen
Die zunehmende Aufklärung führte zu immer häufigeren Verboten der "volkstümlichen Missbräuche" in Bayern im 17. und 18. Jahrhundert. Dabei gab es damals bereits gerichtliche Streits um das "Heischen" beziehungsweise "Betteln". Speziell im protestantischen Umfeld, als die Klöpfelnächte im 16. Jahrhundert einen gespenstischen, abschreckenden Zug erhielten, wurden diese als "papistisch" abgetan.

In Salzburg wurde das Anglöckeln zur Zeit des aufgeklärten Absolutismus nicht verboten, denn es galt nicht als direkte religiöse Übung, zumindest scheint es in den Hirtenbriefen des Erzbischofs Hieronymus Colloredo nicht auf. Es entsprach eher dem mittelalterlichen Vorrecht des Gabenbittens, das jenen Bevölkerungsgruppen zustand, die im Winter nicht ausreichend für ihren Lebensunterhalt sorgen konnten. Es ist aber anzunehmen, dass das Anglöckeln genau beobachtet wurde.

Bis heute hat sich das Anglöckeln erhalten
Im Salzburger Gebirge haben sich Anglöcklergruppen, die die Herbergsuche darstellen, Klöpflergruppen oder Klöpfler mit den Rösslreitern zum Beispiel in Fusch (mit Bezug auf einen älteren Nikolausbrauch) sowie als Hirten gekleidete Gruppen von Kindern und Erwachsenen erhalten.

Heute sind die Glöcklerzüge vielfach auch mit Adventandachten in den katholischen Pfarren verquickt. Oft treten sie im Laufe der Adventandacht oder des Adventsingens in den Kirchen ebenfalls auf. So wurden beispielsweise die Oberndorfer Anglöckler oder Adventsänger 1925 mit der Brauchtumspflege und -erneuerung eingeführt und stilisiert und nahmen dabei den alten Heischebrauch der Schöffleute auf. In Kraxe und Deckelkorb sammeln die Oberndorfer heute noch ihre Gaben – meist Geld und Süßigkeiten, die an Arme am Heiligen Abend verteilt werden, früher Brot, Kartoffeln, Selchfleisch, Kletzen u.a. Die Oberndorfer Glöcklergruppe war wie viele andere auch in der NS-Zeit verboten. Seit 1945 üben sie wieder ihr Brauchtum aus und singen wieder.

 

 

 

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