Nationalrat debattiert einmal
 mehr den Fall Hypo Alpe Adria

 

erstellt am
11. 12. 14
10.00 MEZ

Aufsichtsversagen, mangelnde Professionalität, unklare Motive
Wien (pk) - "Hypo-Group-Alpe-Adria - das Spiegelbild politischen Multiorganversagens des Rot-Schwarzen Systems" lautete der Titel der Aktuellen Stunde, mit der der Nationalrat auf Vorschlag des Teams Stronach seine Sitzung am 10.12. einleitete. Aktueller Anlass dieser Hypo-Debatte war der kürzlich erschienene Bericht der "Unabhängigen Untersuchungskommission zur transparenten Aufklärung der Vorkommnisse rund um die Hypo Group Alpe-Adria" unter der Leitung von Irmgard Griss. Dieser Bericht stieß bei SprecherInnen aller Fraktionen auf überaus positive Aufnahme, auch bei jenen, die der Einsetzung der Untersuchungskommission ursprünglich kritisch gegenübergestanden waren.

Entscheidung über eine Hypo-Bad Bank aufgeschoben …
Eingeleitet wurde die Debatte von der Klubobfrau des Teams Stronach, Kathrin Nachbaur, die im Fall Hypo ein Sittenbild der österreichischen Politik sah. Die große Koalition habe sich wie eine Krake über alle Lebensbereiche des Landes und seiner Gesellschaft ausgebreitet und werde von systemkonformen Medien unterstützt, die Kritiker wie die Neos und das Team Stronach geisselten. Sie aber sei optimistisch, dass es gelingen könne, gemeinsam mit den BürgerInnen eine bessere Demokratie in Österreich zu schaffen.

Dem Bericht der Hypo-Untersuchungskommission entnahm Nachbaur, es sei der SPÖ wichtiger gewesen, Jörg Haider die Schuld am Hypo-Skandal zuzuweisen, als Schaden von den BürgerInnen fern zu halten. Tatsächlich sei ein Großteil des Schadens nicht auf Jörg Haider zurückzuführen, sondern darauf, dass sich Österreich bei den Verhandlungen zur Notverstaatlichung von den Bayern über den Tisch habe ziehen lassen. Dabei sei es offenbar auch darum gegangen, bestimmte Gläubiger zu schützen. Daher wäre es wichtig zu wissen, wer die größten Hypo-Gläubiger zur Zeit der Notverstaatlichung waren. Der Expansionskurs der Kärntner Hypo sei schon vor der Zeit Jörg Haiders als Kärntner Landeshauptmann gestartet worden, er habe die Expansion aber weiter getrieben. Als absurd bezeichnete Nachbaur die Ausgabe von Anleihen mit Risikoaufschlägen, die zugleich mit Landeshaftungen besichert waren. "Wo war die Aufsicht"? lautete Nachbaurs Frage an dieser Stelle.

… um Wahlerfolg bei der Nationalratswahl nicht zu gefährden
"Es gibt kein besseres Beispiel dafür, dass unser Land nicht von Berufspolitikern geführt werden soll, als jenen der Hypo", sagte Nachbaur,. Sie erinnerte auch daran, wie lange nach der Notverstaatlichung die Entscheidung über eine Bad-Bank aufgeschoben wurde. Grund dafür sei die Absicht der Koalitionsparteien gewesen, den Wahlerfolg bei der letzten Nationalratswahl nicht zu gefährden.

Faymann: Habe früh die Einrichtung einer Bad Bank vorgeschlagen
Bundeskanzler Werner Faymann forderte dazu auf, Konsequenzen aus dem hochwertigen Bericht von Irmgard Griss zu ziehen. Gegenwärtige und künftige Entscheidungen sollen auf der Grundlage von Fachkenntnis im Finanzministerium, in Nationalbank, Finanzmarktaufsicht und Task-Force getroffen werden. Wichtig sei es auch, Strukturen zu schaffen, die Kontrolle und Transparenz bei Entscheidungen gewährleisten. Den Vorwurf parteipolitischer Motive bei der Notverstaatlichung der Hypo wies der Bundeskanzler entschieden zurück und zitierte aus dem Griss-Bericht: "Das Risiko für Kärnten war nicht kalkulierbar". Experten haben klar gemacht, dass Haftungen in der Höhe von 23 Mrd. €, die Kärnten bei der Expansion der Hypo übernommen haben, schlagend würden. Die Diskussion über einen Konkurs sei legitim, die Entscheidung müsse aber auf Basis von Expertisen getroffen werden. Kriminelle Vorgänge sah der Bundeskanzler nicht als eine Frage der Politik, diese seien von Gerichten zu beurteilen. Dass die Gerichte arbeiteten zeige, dass bereits zehn Ex-Manager, teilweise rechtskräftig, verurteilt wurden.

Der Bundeskanzler erinnerte daran, dass er selbst bereits frühzeitig eine Bad-Bank einrichten wollte, das Finanzministerium und die Task-Force zunächst aber eine Abwicklung unter Einbeziehung der Banken favorisiert haben, die Vorgangsweise habe sich mit den Eurostartregeln als nicht vereinbar herausgestellt.

Im Jahr der Finanzkrise war ein Konkurs der Hypo nicht möglich
SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder betrachtet den Griss-Bericht als ein wichtiges Dokument in der politischen Diskussion, begrüßte ausdrücklich die Aktuelle Stunde zum Thema Hypo, trat aber den Ausführungen der Team—Stronach Klubobfrau Kathrin Nachbaur entschieden entgegen. Angesichts von Landeshaftungen in der Höhe von 23 Mrd. € sei es nicht angebracht, die Feuerwehr zu kritisieren, den Brandleger und Brandbeschleuniger aber in seiner Verantwortung zu entlasten. Es sei richtig gewesen, die Hypo zu verstaatlichen, weil eine Bankpleite Sparer und Gewerbetreibende getroffen hätte und Kärnten sofort 19 Mrd. € an Gläubiger der Bank hätte überweisen müssen. Außerdem seien die Risiken für den Finanzplatz Österreich im Jahr nach der Lehmann-Pleite zu hoch gewesen, um eine Hypo-Pleite zulassen zu können.

Auch ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka lobte die wertvolle Arbeit der Untersuchungskommission, die bewusst machte, dass der Haftungsbestand Kärntens von 3 Mrd. € im Jahr 1999 über 13 Mrd. € im Jahr 2004 auf 24,7 Mrd. € im Jahr 2009 zunahm. Diese Entwicklung erklärt Lopatka mit der "Goldgräberstimmung", die vor 2007 geherrscht habe und dazu führte, dass damals niemand Kritik an der Expansion der Hypo übte. Ein Bankenkonkurs im Jahr 2009 wäre in einem Jahr, in dem Österreich von internationalen Experten als ein Land bezeichnet wurde, dem die Pleite drohe, und in dem die Eurozone massiv in Gefahr war, negativ aufgenommen worden. Da Kärnten die Haftungen nicht zurückzahlen konnte, hätte der Bund einspringen müssen. Ein Konkurs war abzuwenden, daher sei die Notverstaatlichung der einzig gangbare Weg gewesen. "Wir brauchen die Unterstützung von Irmgard Griss auch im Untersuchungsausschuss", sagte Lopatka und schlug Griss als Verfahrensanwältin in diesem Ausschuss vor.

Kollektives Politikversagen
Positiv überrascht vom Bericht der Hypo-Untersuchungsaktion zeigte sich auch FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache. Der seriöse und objektive Bericht zeige klar, dass die Politik kollektiv versagt habe. Die Haftungsübernahmen Kärntens gehen auf ÖVP-Landeshauptmann Zernatto zurück, berichtete Strache. Unter Jörg Haider seien die Haftungen dann gemeinsam mit SPÖ und ÖVP ausgeweitet worden. Die "Notverstaatlichung" sei hingegen eine Verstaatlichung ohne Not gewesen, für die ÖVP und SPÖ die Verantwortung alleine tragen. Es gab Alternativen zur Verstaatlichung, zeige der Griss-Bericht auf. Der Schaden für die Steuerzahler wäre wesentlich geringer, hätte man die Bank im Eigentum der Bayern belassen, die die Bank keineswegs in Konkurs gehen lassen wollten, wie heute oft behauptet werde. Strache machte darauf aufmerksam, dass Österreich die Verhandlungen mit Bayern ohne Rechtsberater führte und bezeichnete die Verstaatlichung als unverantwortlich. Unverantwortlich sei auch die Untätigkeit nach der Verstaatlichung und der jahrelange Verzicht auf Abwicklung durch eine Bad-Bank. Strache kritisierte auch das Aufsichtsversagen bei OeNB und FMA und forderte den Rücktritt von Bundeskanzler Werner Faymann.

Viel Lob für Griss-Bericht
Abgeordneter Werner Kogler (G) räumte ein, die Einsetzung der Untersuchungskommission falsch beurteilt zu haben und zeigte sich positiv überrascht von den Ergebnissen des Griss-Berichts. Man sollte aber nicht vergessen, dass die Kommission einen eingeschränkten Untersuchungsauftrag hatte. Angesichts eines sich abzeichneten Gesamtschadens von 15 Mrd. €, sei es nun notwendig, einen Untersuchungsausschuss einzurichten. Der Griss-Bericht fasse zusammen, was man schon lange wisse, gebe aber keine Auskunft über Motive und Interessenlagen der handelnden Personen. Der Bericht sammelt und bewertet Fakten, informiert aber nicht über die Profiteure. Für nach wie vor völlig unverständlich hält Kogler den Rückkauf der Hypo von den Bayern. Diese hätten keineswegs an einen Konkurs gedacht und das hätten die Österreicher wissen müssen. Die Regierung hätte sich aber mit den falschen Beratern umgeben, schloss Kogler.

Hypo-Verstaatlichung ohne Experten
Abgeordneter Robert Lugar (T) meinte, die Regierung habe Experten zu den Verhandlungen mit den Bayern nicht beigezogen, weil diese sie nur gestört hätten. Denn es sei ihr darum gegangen, Raiffeisen Belastungen durch einen Hypo-Konkurs zu ersparen. Alle wussten, dass eine Pleite unwahrscheinlich war. Um Raiffeisen 2 Mrd. € an drohenden Verlusten zu ersparen, hätte Pröll dem Steuerzahler lieber 20 Mrd. € umgehängt. Das Problem der österreichischen Politik bestehe darin, dass im Parlament nicht Vertreter der BürgerInnen, sondern Parteienvertreter sitzen, sagte Robert Lugar.

Fall Hypo – der größte Bankraub der Geschichte
Abgeordneter Rainer Hable (N) befasste sich mit Fragen, die der Griss-Bericht nicht beantwortet. Etwa jener, wo die 15 bis 20 Mrd. € geblieben seien. Bei der Hypo habe ein Risikomanagement gefehlt, das Wirtschaftsmodell sei falsch gewesen und es gab Leute, die in die eigene Tasche gewirtschaftete haben. Immobilien-Kredite seien etwa ohne Gutachten vergeben worden, was es ermöglichte, Gelder abzuzweigen, die durch überhöhte Preise bei Immobiliengeschäften erzielt wurden. "Der Fall Hypo ist der größte Bankraub der Geschichte", formulierte Hable pointiert.

Zustimmung von SPÖ und Grünen 2004 galt dem Ende der Haftungen
Abgeordneter Kai Jan Krainer (S) zitierte aus dem Griss-Bericht die Ansicht, die Politik achte zu wenig auf die Sache und zu sehr darauf, wie sie in der Öffentlichkeit ankomme. Laut Krainer gelte dies insbesondere für die Opposition, die "weit weg von der Sache" agiere. Krainer erinnerte daran, dass SPÖ und Grüne im Jahr 2004 zwar die Verlängerung der Kärntner-Landeshaftungen bis 2007 mitbeschlossen haben, zugleich aber auch ein Ende der Haftungsübernahmen. Sie haben auch Informationen für den Landtag eingefordert, die dem Landtag allerdings nicht vorgelegt wurden. Bei der Notverstaatlichung sollte man nicht vergessen, dass die Bayern nur mit 1 € nach Hause gingen, drei Mrd. € konnten wegverhandelt werden und von den restlichen 3 Mrd. € liegen nun 2,4 Mrd. € auf dem Tisch eines Gerichts. "Kehren wir zu einer sachlichen öffentlichen Debatte zurück", lautete Krainers Appell.

In der weiteren Debatte erinnerte Gabriel Obernosterer (V) die FPÖ daran, dass deren stellvertretender Klubobmann im Kärntner Landtag die Notverstaatlichung aus der Sicht Kärntens sehr positiv beurteilt habe. Abgeordneter Elmar Podgorschek (F) lobte den Griss-Bericht und fragte sich, wer durch die "Verstaatlichung" der Hypo tatsächlich gerettet wurde. Zu fragen sei auch, warum mit der Sanierung der Bank so lange zugewartet wurde, wobei Podgorschek die Vermutung äußerte, SPÖ und ÖVP hätten die Staatsschuld vor den Wahlen des Jahres 2013 nicht erhöhen wollen. ÖVP und SPÖ sei es in ersten Linie darum gegangen, die FPÖ an den Pranger zu stellen und alle Verantwortung Jörg Haider zuzuordnen.

Mangelnde Professionalität
Abgeordneter Bruno Rossmann (G) ortete das Epizentrum des größten Finanzskandals der Zweiten Republik in Kärnten, namentlich bei Jörg Haider und sprach von struktureller Verantwortungslosigkeit bei den damaligen Akteuren. Rossmanns Kritik galt auch der Nationalbank und der Finanzmarktaufsicht. Nach der Verstaatlichung habe die Regierung verantwortungslos und chaotisch agiert. Der Bund habe nicht gewusst, was er mit dieser Bank anfangen solle. Der Sündenfall reiche bei der Hypo-Alpe-Adria aber bis Anfang der Neunzigerjahre zurück. Der Landtags-Beschluss des Jahres 2004, der weiterreichend hätte sein sollen, habe dem Haftungswahnsinn immerhin ein Ende gesetzt. 2009 hätte die Bayern, so Rossmann, in den Österreichern einen "Deppen" gefunden, der ihnen die Hypo abgenommen habe, mit Kosten, die sich für die SteuerzahlerInnen auf bis zu 15 Mrd. € summieren könnten.

Auch Abgeordneter Georg Vetter (T) meinte, die Österreicher seien bei der Notverstaatlichung von den Bayern über den Tisch gezogen worden. Man sei auf einen Insolvenzbluff hereingefallen und habe nicht durchschaut, dass Warnungen der EZB vor einer Hypo-Insolvenz auf Interventionen der Bayernberater bei der EZB zurückgingen. Den Hyposkandal führt Georg Vetter auch auf mangelnde Professionalität der handelnden Politiker zurück.

Systemversagen der Aufsichtsbehörden
NEOS-Klubobmann Matthias Strolz registrierte Systemversagen bei den Aufsichtsbehörden und Fehlverhalten bei den politischen Entscheidungsträgern. Die Größe des entstandenen Schadens illustrierte Strolz, indem er dem Bundekanzler einen Ziegelstein übergab und darauf hinwies, man hätte mit dem bei der Hypo verschwundenen Geld eine Stadt in der Größe zwischen Innsbruck und Klagenfurt bauen könnte. Die Entscheidungsträger haben nicht zum Wohl der Allgemeinheit gehandelt, sagte Strolz mit Bezug auf den Griss-Bericht und fragte einmal mehr, warum die Regierung zunächst keine Bad-Bank eingerichtet habe. Es sei ihr offenbar um Täuschung der Menschen im Vorfeld der letzten Nationalratswahl gegangen, mutmaßte Strolz und forderte den Rücktritt von Bundeskanzler Werner Faymann.

 

 

 

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