Biomechatronik – Was wir von Frosch
und Eidechse lernen können

 

erstellt am
10. 12. 14
10.00 MEZ

Linz (jku) - Die Natur verändert sich und selektioniert seit Milliarden von Jahren. Dabei entstehen „Erfindungen“, welche die Wissenschafter inspirieren. So auch Prof. Werner Baumgartner und sein Team vom Institut für Medizin- und Biomechatronik der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz. Ein Schwerpunkt der Forschung betrifft hier die Oberflächeninteraktion zwischen Organismen und ihrer Umgebung. Dabei schauen die Wissenschafter unter anderem auch Fröschen und Eidechsen auf die Füße.

Der Sandfisch ist ein interessantes Tier: Zum einen ist er kein Fisch, sondern eine Eidechse. Zum anderen lebt er vergraben im Wüstensand und kann unter der Oberfläche mit einer Geschwindigkeit von 1,5 Körperlängen pro Sekunde schwimmen. Erstaunlicherweise werden seine Schuppen dabei nicht abgerieben, sondern glänzen immer wie neu – dieses Phänomen weckte das Interesse des JKU-Forscherteams rund um Prof. Baumgartner.
„Die Schuppen des Sandfischs haben mit Sandpartikeln die geringste uns bekannte Reibung. Ein Materialpaar reagiert immer spezifisch, so hat selbst Teflon, das eine sehr geringe Oberflächenenergie hat, immer noch einen doppelt so hohen Reibungswiderstand“, erklärt Prof. Baumgartner.

Zucker verhindert Reibung
In mühevollen – aber tierschonenden – Untersuchungen fanden die JKU-Forscher den Grund: Ein spezieller Zucker in den Schuppen des Tieres verhindert das Wirken von Anhaftungskräften und damit auch Reibung. Den JKU-Forschern ist es bereits gelungen, diesen Zucker aus den Schuppen der Tiere zu analysieren und in Labormengen zu gewinnen. „Die Eidechsen häuten sich zum Glück, wir müssen dazu also keine Tiere töten“, versichert Baumgartner. Anwendungen gibt es reichlich. Der Zucker wurde unter anderem chemisch an Kunststoffe gebunden, z. B. an einen Autolack, der rund 30 Prozent weniger Reibung aufweist als der unmodifizierte Lack.

Künstliche Haftorgane
Im Gegensatz zum Sandfisch ist der australische Baumfrosch deswegen interessant, weil er an verschiedensten Oberflächen gut aber dynamisch haften kann. Er kann buchstäblich die Wände hochgehen. Im Terrarium des Instituts für Medizin- und Biomechatronik lebt der Baumfrosch „Emma“, den Prof. Baumgartner und sein Team eingehend untersuchten und zu revolutionären Erkenntnissen gelangten. „Viele Tiere, die gut klettern können, haben Hafthärchen. Emma aber, wie auch zum Beispiel Ameisen und Stabheuschrecken, hat völlig glatte Haftorgane“, beschreibt Baumgartner. „Das Erstaunliche ist nicht, dass sie so gut haften, sondern dass sie auch leicht zu lösen sind, ohne zu verschleißen oder zu verschmutzen.“ Nun ist es Prof. Baumgartners Team erstmals gelungen, diese Haftorgane künstlich nachzubauen. „Das Geheimnis ist der innere mechanische Aufbau. Er führt zu den hervorragenden Hafteigenschaften und der Fähigkeit, sich bei rollender Bewegung wieder zu lösen.“

Auch das Problem der Deckmembran, quasi der Haut, ist gelöst: Ein spezielles Silikon erfüllt diese Aufgabe. „Interessant ist diese neue Technologie für alle Bereiche, in denen man greifen muss. Also für den Bau von Robotern oder der Entwicklung neuer, besserer Prothesen“, sieht Baumgartner großes Potential in der Entdeckung.

 

 

 

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