Verfassungsausschuss: Mikl-Leitner
 will Wahlrecht reformieren

 

erstellt am
29. 01. 15
11.00 MEZ

Vorzugsstimmenhürde soll auch bei Nationalratswahlen gesenkt werden
Wien (pk) - Innenministerin Johanna Mikl-Leitner will das Wahlrecht reformieren. Wie sie gegenüber den Mitgliedern des Verfassungsausschusses des Nationalrats am 28.01. erklärte, sollen jene Bestimmungen, die sich ihrer Meinung nach bei den letzten Europawahlen bewährt haben, bald auch für andere bundesweite Urnengänge gelten. Konkret geht es um die Senkung der Vorzugsstimmenhürde, die neue Wahlkartenlogistik und Erleichterungen für Behinderte bei der Ausübung des Wahlrechts.

Laut Mikl-Leitner sind bei Nationalratswahlen auf allen Ebenen neue Schwellenwerte für Vorzugsstimmen vorgesehen. So soll man im Regionalwahlkreis auf der Parteiliste vorgereiht werden, wenn man 9%, statt wie bisher 14%, der auf die eigene Partei entfallenden Stimmen als Vorzugsstimmen erhält. Auf Landes- und Bundesebene ist jeweils ein Schwellenwert von 5% - bisher 10% bzw. 7% - vorgesehen. Wahlkarten sollen künftig in allen Wahllokalen abgegeben werden können, außerdem soll die Überbringung, analog zu den Europawahlen, auch durch Dritte möglich sein.

Keinen unmittelbaren Änderungsbedarf sieht die Innenministerin, was die geltenden Wahlfristen betrifft. Sollte es entsprechende Wünsche der Abgeordneten geben, werde sie diese aber berücksichtigen, sicherte sie zu. In Kraft treten sollen die neuen Bestimmungen, geht es nach Mikl-Leitner, noch vor der Bundespräsidentenwahl.

In Aussicht gestellt wurde die Wahlrechtsreform von Mikl-Leitner im Zuge einer Ausschussdiskussion über einen Bericht der Innenministerin zur Frage der Ausstellung von Wahlkarten ( III-112 d.B. ). Da Wahlkarten seit der letzten Wahlrechtsreform spätestens bis Wahlschluss bei den Behörden eingelangt sein müssen, wurde in der Vergangenheit des Öfteren die Befürchtung laut, dass BriefwählerInnen, vor allem im Ausland, mitunter keine Chance haben, zeitgerecht eine gültige Stimme abzugeben. Wie Mikl-Leitner den Abgeordneten auf Basis der bislang gemachten Erfahrungen berichtete, sind die zuständigen Behörden technisch gesehen am Limit angelangt – ohne gesetzliche Maßnahmen wie eine Vorverlegung des Wahl-Stichtags, ist eine Vergrößerung der Zeitspanne zwischen flächendeckender Wahlkarten-Ausgabe und Wahltag nicht möglich.

Wie Mikl-Leitner im Ausschuss ausführte, dürfen Wahlkarten erst nach Veröffentlichung der Bundeswahlvorschläge ausgegeben werden, wobei mit den Wahlkarten auch ein viele Druckseiten starkes Kandidatenheft zu versenden ist. Die Behörden hätten das Zeitfenster von 26 Tagen zwischen Wahlkarten-Ausstellung und Wahltag mit allen Anstrengungen einhalten können, betonte sie. Dass der Postlauf in einigen Staaten, etwa China und Vietnam, zu Problemen führe, räumte die Innenministerin ein, persönlich hält sie geänderte Wahlfristen zur Ausdehnung des Zeitraums zwischen Wahlkarten-Ausstellung und Wahltag dennoch nicht für erforderlich. Man werde das Problem nie zur Gänze lösen können, machte sie geltend. Die Entfernung zu Österreich ist ihr zufolge jedenfalls nicht ausschlaggebend, mit Australien gebe es etwa, was die rechtzeitige Beförderung von Wahlkarten betrifft, keine Probleme.

Die Frage der Abgeordneten Albert Steinhauser (G) und Harald Stefan (F), wie viele Wahlkarten bei den letzten Wahlgängen verspätet eingetroffen sind und aus welchen Ländern diese kamen, konnte der Leiter der Abteilung für Wahlangelegenheiten im Innenministerium Robert Stein nicht beantworten. Eine entsprechende Datenerfassung sei nicht möglich, überdies gebe es kaum noch Poststempel. Man wisse also nicht, wann und wo die Wahlkarte aufgegeben wurde.

Was das immer wieder auftauchende Problem anlangt, dass sich ausländische Poststellen weigern, die Wahlkarten kostenlos zu befördern, wies Stein auf entsprechende Vermerke in mehreren Sprachen auf den Wahlkarten hin und betonte, dass man sich auch in gutem Kontakt mit der österreichischen Post befinde. Ein lückenloses Funktionieren werde es aber wohl nie geben, meinte er. Steinhauser hatte zuvor auf einen Fall in Costa Rica verwiesen, wo 43 Dollar für die Beförderung einer Wahlkarte verlangt worden seien.

Abgeordneter Stefan bekräftigte im Ausschuss neuerlich die generelle Ablehnung der FPÖ, was die Briefwahl im Inland betrifft. Es sei problematisch, dass die Wahl nicht persönlich stattfinden müsse, sagte er und warnte vor Missbrauch. Da Wahlkarten künftig ohnehin in jedem Wahllokal abgegeben werden können, sieht er auch keine Notwendigkeit für eine Briefwahl in Österreich. Ausdrücklich begrüßt wurde von Stefan, dass Wahlkarten nunmehr bis zum Wahlschluss bei den Behörden eingelangt sein müssen.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner sieht allerdings keinen Anlass, an der Briefwahl zu rütteln. Über weitergehende Verbesserungen für behinderte WählerInnen ist sie, wie sie sagte, im Gespräch mit Behindertenverbänden. Der Bericht der Innenministerin wurde schließlich einstimmig zur Kenntnis genommen.

Opposition will Volksanwaltschaft stärken
Vom Ausschuss vertagt wurde ein gemeinsamer Gesetzesantrag der FPÖ, der Grünen und der NEOS ( 534/A), der eine Ausweitung der Prüfbefugnis der Volksanwaltschaft zum Inhalt hat. Geht es nach der Opposition, soll diese künftig für alle Rechtsträger zuständig sein, die der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen. Damit könnte sie auch Beschwerden über ausgegliederte Unternehmen wie Asfinag oder ÖBB nachgehen, etwa wenn BürgerInnen über mangelnde Lärmschutzmaßnahmen an Autobahnen oder Bahnstrecken klagen. Der Antrag wurde mit S-V-Mehrheit vertagt.

Tatsache sei, dass es einen Mangel an Kontrolle gibt. Durch Privatisierungen dürften keine Kontrollfunktionen verloren gehen, diese Fehler in Zusammenhang mit Ausgliederungen in den letzten Jahren müssten repariert werden, so die Argumentation von Wolfgang Zinggl (G). Auch der Verwaltungsgerichtshof spreche von einem Defizit, zusätzliche Kosten würden aus seiner Sicht dadurch keine entstehen. Bereits jetzt gebe es zahlreiche Beschwerden von BürgerInnen, die ausgegliederte Unternehmen betreffen, so Zinggl.

Auch Nikolaus Scherak von den NEOS warnte davor, dass durch Privatisierungen Kontrollfunktionen umgangen werden können. Es sei ganz essentiell, diese bei ausgegliederten Unternehmen wieder einzuführen, wie er meinte. Der Freiheitliche Reinhard Eugen Bösch verwies darauf, dass auch die Volksanwaltschaft selbst für die Ausweitung ihrer Prüfkompetenzen hinsichtlich ausgegliederter Unternehmen einsteht.

Gegen den Vorschlag von FPÖ, Grüne und NEOS wandte sich Georg Vetter vom Team Stronach, der dadurch einen Wettbewerbsnachteil für ausgegliederte börsennotierte Unternehmen wie etwa den Verbund gegenüber Unternehmen ohne staatliche Beteiligung befürchtete. Eine staatliche Beteiligung bei Unternehmen dürfe nicht zum Nachteil werden, gab er zu bedenken.

Als berechtigten Einwand von Seiten des Team Stronach sah auch Johann Singer (V) den möglichen Wettbewerbsnachteil für betroffene Unternehmen. Die Grundidee sei okay, zu klären gebe es aber noch viele Fragen. Neben monetären Nachteilen für ausgegliederte Unternehmen sah seine Fraktionskollegin Maria Fekter ein weiteres Manko des Oppositionsantrags zudem in der Unvereinbarkeit mit dem Aktienrecht. Es sei verboten, so Fekter, einen Aktionär mit besonderen Rechten auszustatten, die andere nicht haben. Außerdem sei die Initiative auf Bundesgesellschaften abgestellt. Sollen aber BürgerInnen etwa auch gegenüber Friedhöfen Beschwerden erheben können, müsste das auch in den Landesverfassungsgesetzen geregelt sein. Grundsätzlich könne sie dem Antrag aber auch etwas Positives abgewinnen.

Nicht einverstanden mit dem Vorstoß der Oppositionsparteien zeigte sich Angela Lueger von der SPÖ. Zu bedenken seien personelle und zeitliche Ressourcen bei der Volksanwaltschaft, auch im Hinblick auf den Zuwachs ihrer Kontrolltätigkeiten im Bereich der präventiven Menschenrechtskontrolle. Außerdem gebe es bereits jetzt für BürgerInnen die Möglichkeit, sich beim internen Beschwerdemanagement wie bei den Wiener Stadtwerken zu beschweren. Ein Argument, das die Opposition nicht gelten lassen wollte. "Sinnvoll wäre aber eine staatliche Beschwerdemöglichkeit", meinte Scherak.

Ostermayer: Dialog mit Volksgruppen weiterhin intensivieren
Schließlich nahm der Verfassungsausschuss einstimmig drei Berichte des Bundeskanzleramtes über die Volksgruppenförderung in den Jahren 2011 bis 2013 ( III-97 d.B., III-40 d.B., III-39 d.B.) zur Kenntnis. Gemäß den Berichten erhielten die österreichischen Minderheiten 2012 und 2013 jeweils rund 3,8 Mio. € an Fördergeldern, wobei die meisten Mittel traditionell an die slowenische und die kroatische Volksgruppe flossen. Neben Vereinen und Organisationen wurden auch diverse Projekte gefördert.

Bei Volksgruppen handle es sich um einen unbestrittenen Wert, dennoch müssten Fördergelder nach Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit beleuchtet werden, sagte Gernot Darmann von der FPÖ und stellte außerdem das Problem der Mehrfachförderungen in den Raum. Es bestehe die Gefahr, intransparent Mehrfachförderungen für ein und dasselbe Projekt zu vergeben, gab er zu bedenken und sprach sich für eine dementsprechende Berücksichtigung in der Transparenzdatenbank aus. Auf jeden Fall transparent gestaltet werden soll aus Sicht Darmanns die Mittelverwendung, Fördergelder sollten dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Betreffend der slowenischen Minderheit sollte des Weiteren darauf geachtet werden, keine Ausweitung beziehungsweise Anhebung der Förderhöhe anzudenken, solange von Seiten Sloweniens AltösterreicherInnen verfassungsrechtlich nicht anerkannt werden.

Deutlich gegen die Verknüpfung zwischen einer Erhöhung von Fördergeldern für slowenische Volksgruppen in Österreich und einer verfassungsrechtlichen Anerkennung von AltösterreicherInnen durch Slowenien positionierte sich Kanzleramtsminister Josef Ostermayer. Hinsichtlich der Mehrfachförderungen sei nicht die Frage, ob mehrere Institutionen aus unterschiedlichen Gründen fördern, ein Problem bestehe erst bei Überförderungen, so der Kanzleramtsminister. Bei der Forderung von Abgeordnetem Nikolaus Berlakovich (V), wonach Volksgruppensprachen vermehrt in den Medien Platz finden sollten, meinte der Minister, dass diese Entscheidung der ORF zu treffen habe.

Nicht der Meinung Darmanns hinsichtlich der Verknüpfung von der Anhebung von Fördergeldern und der Anerkennung der AltösterreicherInnen war auch Berlakovich, denn das eine hätte mit dem anderen nichts zu tun. Es sei Tatsache, dass es ohne funktionierende Unterstützung diese Vielfalt an Volksgruppen nicht gäbe, sagte er.

Gegenüber dem kritischen Einwand von Scherak (N) und Zinggl (G), warum die Volksgruppenförderung in Österreich seit nunmehr 20 Jahren nicht angehoben wurde, argumentierte Ostermayer mit der Finanzkrise und diversen Budgetkürzungen. Er selbst sei aber immer darauf bedacht gewesen, keine Kürzungen bei der Volksgruppenförderung vorzunehmen. Er werde bei gegebenem potentiellen Spielraum darum kämpfen, die Förderungen in Hinkunft wieder zu erhöhen. Vorgenommen habe er sich außerdem, mit den Volksgruppen intensive Dialoge zu führen. Eine Novellierung des Volksgruppengesetzes sei nur durch einen breiten Konsens aller Volksgruppen möglich, sagte Ostermayer.

 

 

 

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