…weil sie anders waren, weil sie Roma waren 

 

erstellt am
05. 02. 15
11.00 MEZ

Gedenkveranstaltung anlässlich 20 Jahre Bombenanschlag in Oberwart
Oberwart/Eisenstadt (blms) - 2015 jährt sich das Bombenattentat von Oberwart zum 20. Mal. In Erinnerung an die Opfer des Anschlages wurde am 04.02. in Oberwart eine Gedenkveranstaltung abgehalten. "In der Nacht vom 4. auf den 5. Februar 1995 starben in Oberwart mit Erwin Horvath, Karl Horvath, Peter Sarközi und Josef Simon vier junge burgenländische Roma durch einen hinterhältigen Rohrbombenanschlag. 50 Jahre nach dem nationalsozialistischen Massenmord an Juden, Roma und Sinti, erschütterte das schlimmste politisch und rassistisch motivierte Attentat in der Geschichte der Zweiten Republik das Burgenland. Die Tafel, an der die Rohrbombe befestigt war, trug die Aufschrift ,Roma zurück nach Indien' und dokumentierte somit auf eine zynische und verächtliche Art und Weise, dass diese vier jungen Menschen aus demselben Grund ermordet wurden, wie ihre Vorfahren in den Konzentrationslagern – weil sie anders waren, weil sie Roma waren", betonten Bundespräsident Dr. Heinz Fischer und Landeshauptmann Hans Niessl in ihren Gedenkreden.

Dieses Attentat versetzte die BewohnerInnen der Oberwarter Roma-Siedlung, die Angehörigen der Volksgruppe und schließlich ganz Österreich in eine Art Schockzustand. Erstmals wurde in der breiten Öffentlichkeit über Roma und Sinti diskutiert. Bis dahin war die Existenz der österreichischen Roma, die Geschichte ihrer Verfolgung vor und während des Zeit des Nationalsozialismus, ihr Kampf gegen Diskriminierung und Ausgrenzung auch noch nach 1945 und ihre Bemühungen für die Anerkennung als Volksgruppe im Jahr 1993 nur einer interessierten Minderheit bekannt. Die Beisetzung der Toten wurde zum Staatsbegräbnis, es gab Solidaritätsbekundungen und Benefizveranstaltungen.

„So wichtig solche Gedenkveranstaltungen wie heute auch sind. Pflichtgemäße Betroffenheitsrituale allein genügen nicht. Wir alle haben die Verantwortung, immer und überall wachsam zu sein und aktiv zu werden - gegenüber Aus- und Abgrenzungstendenzen, ersten Zeichen von Verhetzung, Hass und Gewalt sowie jede Form von extremistischem und fundamentalistischem Gedankengut. Wir müssen jeglichen autoritären und antidemokratischen Tendenzen entschieden entgegentreten und mit allen Mitteln des demokratischen Rechtsstaates bekämpfen. Nationalismus, Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus, Gewaltverherrlichung und Unmenschlichkeit dürfen nie mehr Platz in unserer Gesellschaft haben - weder in unserem Land, noch in einem gemeinsamen Europa, denn gerade auch der gegenwärtige Blick in andere Länder Europas lässt nichts Gutes erwarten“, so Landeshauptmann Hans Niessl.

20 Jahre nach diesem Attentat ist eine schrittweise Verringerung der sozialen Gegensätze feststellbar. Zahlreiche Initiativen im Sprach- und Bildungsbereich bei der Volksgruppe der Roma sind sichtbare Zeichen dieses Veränderungsprozesses. Neben dem Bildungs- und Ausbildungssituation, wo es eine wesentliche Verbesserung gegeben hat, hat sich auch die Wohnsituation am signifikantesten verändert. Die meisten BewohnerInnen der Roma-Siedlung sind von hier weggegangen und in die Siedlungsräume der umliegenden Dörfer und Städte gezogen. Andererseits ist die Beschäftigungssituation nach wie vor extrem ungünstig und auch die gesellschaftliche breite Akzeptanz auf allen Ebenen ist noch immer keine Selbstverständlichkeit.

     

"Zeichnen gegen das Vergessen"
Bundespräsident Dr. Heinz Fischer und Landeshauptmann Hans Niessl eröffneten Ausstellung von Manfred Bockelmann im OHO in Oberwart
Manfred Bockelmann ist für die vier Attentatsopfer vom 4. Februar 1995 einem Grundsatz untreu geworden. Eigentlich wollte er sich bei seinen Portraits von Kindern und Jugendlichen, die in den Nazi-KZs umgekommen sind, auf unter 18jährige beschränken. Nun hat er für die Ausstellung „Zeichnen gegen das Vergessen“ im Offenen Haus Oberwart (OHO), die am 04.02. von Bundespräsident Dr. Heinz Fischer und Landeshauptmann Hans Niessl eröffnet wurde, eine Ausnahme gemacht, um den Mordopfern vom Anger in Oberwart ein bleibendes Andenken zu setzen.

In den schwierigen Tagen nach dem Tod seines Bruders Udo Jürgens zu Weihnachten 2014 wurden auf seinem Anwesen in Kärnten die Portraits der vier Attentatsopfer mit Kohle auf großformatige Leinwand gezeichnet, in jener Technik, für die der Künstler mittlerweile weltberühmt ist. Nicht umsonst gab es von ihm Ende Jänner 2015 anlässlich des World-Holocaust-Tages eine Ausstellung im Bundestag in Berlin, die vom deutschen Bundespräsidenten eröffnet wurde.

Manfred Bockelmann, 1943 in Klagenfurt geboren, zog nach dem Studium in den Fächern Freskomalerei, Grafik und Fotografie in Graz nach München, wo er als freiberuflicher Fotograf Karriere macht. Als Reportagefotograf unternimmt Bockelmann ausgedehnte Reisen. Die Motive sind vielfältig. Bedrohte Indiostämme im Quellgebiet des Amazonas wechseln mit Großstadtthemen aus New York oder Hongkong. 2001 beginnt er mit den Übermalungen von Zeitungsblättern in parallel geführten Pinselbahnen. Er nennt dieses Projekt „Horizonte – Grenze der Wahrnehmung“. Zehn Jahre später taucht dieses Sujet, das er selbst mit einer geologischen Schichtung vergleicht, in seinen Porträts „Zeichnen gegen das Vergessen“ wieder auf.

„Ich grabe in der Vergangenheit, in der Zeit meiner frühen Kindheit“. Nach einer langen Phase der gegenstandlosen Malerei in Öl auf Leinwand wendet er sich seit einigen Jahren der Technik Kohle auf Leinwand zu und wird in seinem Werk gegenständlich. Seit 1990 lebt und arbeitet Bockelmann in Kärnten, München und Wien. Die Ausstellung ist bis zum 1. März 2015 im Offenen Haus Oberwart zu besichtigen. Öffnungszeiten der Ausstellung: Montag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr, Samstag von 13 bis 21 Uhr und nach Vereinbarung.

 

 

 

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