EU will die justizielle Zusammenarbeit weiter ausbauen

 

erstellt am
03. 02. 15
11.00 MEZ

Wolfgang Brandstetter legt Jahresvorschau der Europäischen Union für den Justizbereich vor
Wien (pk) – Die Weiterentwicklung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts wird auch Leitlinie des Arbeitsprogramms der EU-Präsidentschaften von Lettland und Luxemburg sein. Der aktuelle Bericht über die Jahresvorschau 2015 auf dem Gebiet der Justiz (III-137 d.B.) bekennt sich in diesem Sinn zur Stärkung des gegenseitigen Vertrauens und bezeichnet dabei die wechselseitige Anerkennung von Gerichtsentscheidungen als Eckstein der justiziellen Zusammenarbeit. Das Justizministerium begrüßt grundsätzlich eine engere Kooperation der EU-Staaten in Zivil- und Strafsachen, gibt aber zu bedenken, nur vollständig und einheitlich umgesetzte und in der Praxis korrekt angewendete Rechtsakte, die zudem auch keine Mehrkosten für die Mitgliedstaaten verursachen, bringen den erwünschten Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger. Ganz oben auf der Prioritätenliste der Union stehen wie schon in den vergangenen Jahren die Europäische Staatsanwaltschaft, die Agentur für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Eurojust) sowie die Arbeiten zu einem Europäischen Kaufrecht.

Europäische Staatsanwaltschaft: Österreich bekräftigt Vorbehalte
Zu den "Baustellen" der Union auf dem Gebiet der Justiz zählt nach wie vor das Projekt der Europäischen Staatsanwaltschaft (EStA), mit dem Brüssel effizienter gegen Betrug vorgehen will. Demnach soll der Tätigkeitsbereich der geplanten EStA auf Straftaten, die auf eine Schädigung der finanziellen Interessen der EU abzielen, beschränkt werden. Geht es nach den Plänen der Kommission, wird die EStA in diesen Fällen für die Untersuchung, die Verfolgung und die Anklageerhebung anstelle der nationalen Staatsanwaltschaften zuständig sein.

Österreich unterstützt grundsätzlich die Idee einer EStA, steht dem aktuellen Vorschlag der Kommission aber ablehnend gegenüber. Wesentliche Bedenken seien nach wie vor nicht ausgeräumt worden, heißt es im Bericht. Auf Skepsis stößt dabei vor allem auch das so genannte Double-Hat-Modell, dem zufolge die EStA-StaatsanwältInnen gleichzeitig auch weiterhin ihre Funktion als nationale StaatsanwältInnen ausüben. Das Justizministerium bemängelt auch, dass weder einheitliche europäische Verfahrensbestimmungen noch gemeinsame Mindeststandards vorgesehen sind. Zentrale Probleme ortet Österreich zudem bei der Wahrung der Rechte der Beschuldigten, der gerichtlichen Kontrolle, der Kriterien betreffend die Wahl des Gerichtsstands für das Haupt- und das Ermittlungsverfahren sowie bei der Frage der Effizienz der Ermittlungen.

Österreich für Ausbau der Agentur Eurojust
Die zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Justizbehörden bei der Verfolgung schwerer, grenzüberschreitender Kriminalität eingerichteten Agentur wird von Österreich ebenfalls begrüßt. Einer vollen Ausnützung der Eurojust-Rechtsgrundlage wäre grundsätzlich der Vorzug gegenüber einer raschen Einführung einer EStA zu geben, meint der Bericht. Positiv wertet das Justizministerium den Umstand, dass Eurojust nun von Amts wegen tätig werden kann und nicht mehr auf ein Ersuchen einer Justizbehörde angewiesen ist. Offen ist aus österreichischer Sicht allerding u.a. noch die Frage des Zusammenspiels und der Koordination zwischen Eurojust und EStA. Was das nun geplante Procedere betrifft, meldet Österreich Bedenken gegen eine Koppelung der Vorschläge zu Eurojust und EStA an, zumal, wie der Bericht einwendet, die Verhandlungen zu Eurojust bereits viel weiter gediehen seien und deshalb Priorität erhalten sollten.

Europäisches Kaufrecht: Österreich lehnt optionales Vertragsinstrument ab
Auf dem Gebiet des Zivilrechts wird das von der EU geplante Europäische Kaufrecht auch weiterhin für Diskussionen sorgen. Ziel der Kommission ist dabei die Schaffung eines für grenzüberschreitende Verträge anwendbaren und von den Vertragsparteien wählbaren Vertragsrechtsinstruments, das eine in allen Mitgliedstaaten einheitliche fakultative zweite Regelungsschiene zu den nationalen Rechtsordnungen darstellen soll. Nach dem derzeitigen Stand der Arbeiten ist mit einem längeren Beratungsprozess zu rechnen, bei dem auch der Umstand zu berücksichtigen sein wird, dass sich das Europäische Parlament für eine Einschränkung des Instruments auf den Fernabsatz, insbesondere auf Online-Geschäfte, ausgesprochen hat.

Der Bericht bekräftigt nun die Kritik Österreichs an dem von der Kommission geplanten optionalen Regelungsinstrument, wobei vor allem argumentiert wird, ein von den Vertragsparteien wählbares europäisches Kaufrecht begünstige im Ergebnis den jeweils "Stärkeren" im Vertragsverhältnis. Ein optionales Instrument werde daher in erster Linie für den "Mächtigeren" attraktiv sein, der damit faktisch die Wahl eines Gemeinsamen Kaufrechts gegenüber seinem Kontrahenten bestimmen kann. Für die VerbraucherInnen wiederum sei das optionale Instrument eine fremde Rechtsordnung und bringe keinerlei Vorteile, gibt das Justizministerium zu bedenken und erinnert in diesem Zusammenhang, dass das Internationale Privatrecht in Verbraucherschutzfragen praktisch immer zum Heimatrecht der Konsumenten führt. Die Vorbehalte Österreichs werden auch von einer großen Gruppe von Mitgliedstaaten geteilt, die einem Europäischen Kaufrecht mit äußerster Skepsis gegenübersteht und den tatsächlichen Bedarf eines optionalen Instruments weiterhin in Frage stellt.

E-Justiz: Nationale Rechtsordnungen rücken näher zusammen
Aus der Reihe von ambitionierten Vorhaben der EU im Justizbereich sticht vor allem auch die Entwicklung von E-Justiz heraus. In einem auf den Zeitraum von 2014 bis 2018 ausgerichteten Aktionsplan soll nun eine Reihe von Projekten prioritär umgesetzt werden, so etwa die Schaffung eines Europäischen E-Justiz-Portals oder die EU-weite Vernetzung der Insolvenzregister, der Handelsregister und Firmenbücher sowie der Grundbücher. Geplant – und teilweise in Umsetzung – sind auch Videokonferenzen in grenzüberschreitenden Gerichtsverfahren sowie das Projekt e-CODEX, das die sichere, grenzüberschreitende Kommunikation zwischen BürgerInnen und den Justizbehörden bzw. zwischen Justizbehörden untereinander zum Inhalt hat.

Das Justizministerium verweist auf den exzellenten internationalen Ruf Österreichs in Sachen E-Justiz und drängt auf einen Vorschlag der Kommission für einen entsprechenden europäischen Gesetzgebungsakt. Bei e-CODEX spricht sich Österreich für eine Projektleitung durch eine unabhängige Agentur aus, die die umfassende Mitsprache der beteiligten Mitgliedstaaten und die Berücksichtigung der Bedürfnisse von justizspezifischen Projekten und der unabhängigen Justiz gewährleistet.

 

 

 

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