Neues Islamgesetz: Verfassungsausschuss
 empfiehlt Beschlussfassung

 

erstellt am
13. 02. 15
11.00 MEZ

Vom Ausland finanzierte Imame können noch ein Jahr lang in Österreich tätig bleiben
Wien (pk) - Das neue Islamgesetz hat den Verfassungsausschuss des Nationalrats passiert. Trotz anhaltender Kritik von Teilen der muslimischen Glaubensgemeinschaft stimmten die Koalitionsparteien für den von Kanzleramtsminister Josef Ostermayer und Außenminister Sebastian Kurz erarbeiteten Gesetzentwurf. Einige Bestimmungen wurden allerdings noch abgeändert, so sollen vom Ausland finanzierte Imame nun noch bis zu einem Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes, statt wie ursprünglich vorgesehen bis Ende 2015, in Österreich tätig bleiben können. Beim einzurichtenden Islamstudium ist stärker darauf Bedacht zu nehmen, dass der theologische Kernbereich von Anhängern der anerkannten islamischen Religionsgesellschaften gelehrt wird.

SPÖ und ÖVP sind überzeugt, dass das neue Islamgesetz Modellcharakter für andere europäische Staaten haben könnte. Es sei auch gelungen, ursprüngliche Bedenken der islamischen Glaubensgemeinschaft weitestgehend auszuräumen, machte Kanzleramtsminister Josef Ostermayer geltend. Die Opposition blieb dennoch skeptisch, sie glaubt nicht, dass die Gesetzesbestimmungen so vollzogen werden können wie intendiert. Grüne und NEOS kritisieren außerdem, dass im Gesetz der Vorrang staatlichen Rechts vor Religionsrecht ausdrücklich hervorgehoben wird und man damit alle MuslimInnen unter "Generalverdacht" stelle.

FPÖ wertet Gesetz als von Vornherein zum Scheitern verurteilt
Seitens der FPÖ äußerten sich die Abgeordneten Gernot Darmann, Harald Stefan, Reinhard Eugen Bösch und Christian Lausch ablehnend zum vorliegenden Entwurf. Er spreche der Regierung den guten Willen nicht ab, sagte Stefan, das Ziel, den radikalen Islam in Österreich zu unterbinden, wird seiner Ansicht nach mit den vorliegenden Bestimmungen aber nicht zu erreichen sein. Auch Darmann ist überzeugt, dass das Gesetz aufgrund von nicht vollziehbaren Regelungen von Vornherein zum Scheitern verurteilt ist.

Unverständlich ist für die FPÖ auch die Eile der Beschlussfassung. So sprach sich Abgeordneter Darmann dafür aus, das derzeit beim Verfassungsgerichtshof laufende Verfahren gegen die vorrangige Stellung der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) abzuwarten und die Frage des Vollzugs noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Vor allem, was die geplante Auflösung der zahlreichen Moscheenvereine betrifft, sieht die FPÖ Handlungsbedarf. Es werde nicht gelingen, diese zu unterbinden, da nicht überprüfbar sei, ob die betreffenden Vereine die gleiche Glaubenslehre verbreiten wie die islamische Glaubensgemeinschaft oder eine abgewandelte, hielt etwa Abgeordneter Bösch fest: "Die Vereine werden Ihnen weiter auf der Nase herumtanzen!" Ähnlich argumentierten auch die Abgeordneten Stefan und Darmann. Wenn ein islamischer Verein behaupte, seine Aufgabe nicht in der Religionsverbreitung zu sehen und dies trotzdem mache, bestehe keine Handhabe, warnte Darmann.

Als "riesige Lücke" im Islamgesetz sieht Darmann außerdem fehlende Bestimmungen über einen Austritt aus der islamischen Religionsgemeinschaft. De facto sei ein Austritt aus dem Islam nicht möglich, gab er zu bedenken und wies darauf hin, dass bestimmte islamische Glaubensquellen sogar die Tötung im Falle einer Abkehr vom Glauben vorsehen. Als Problem sehen Darmann und Stefan in diesem Zusammenhang auch, dass die IGGiÖ nicht bereit sei, die Zahl ihrer Mitglieder offenzulegen. Ausdrücklich begrüßt wurde von Stefan die explizite Verankerung des Vorrangs staatlichen Rechts im Islamgesetz.

Grüne gegen "Generalverdacht" gegen alle MuslimInnen
Genau diese Bestimmungen sind allerdings den Grünen ein Dorn im Auge. Sie plädierten vehement dafür, alle entsprechenden Passagen aus dem Gesetz zu streichen. Der Vorrang staatlichen Rechts vor Religionsrecht sei eine Selbstverständlichkeit, betonte Abgeordnete Alev Korun und verwies in diesem Zusammenhang auf das Staatsgrundgesetz. Die explizite Erwähnung im Islamgesetz sei daher unnötig und schüre nur Misstrauen und wirke sich negativ auf das gesellschaftliche Klima aus. Es sei nicht Aufgabe eines Religionsgesetzes, sich klar gegen die Scharia und gegen Dschihadisten zu positionieren, machte auch Abgeordneter Wolfgang Zinggl geltend – für jene, die den Vorrang staatlichen Rechts in Frage stellen, sei das Strafrecht anzuwenden.

Wie die FPÖ bezweifeln die Grünen darüber hinaus, dass das grundsätzliche Verbot der Auslandsfinanzierung islamischer Glaubensgemeinschaften und die Auflösung fragwürdiger Moscheenvereine wirksam umgesetzt werden kann. Beide Anliegen würden von den Grünen grundsätzlich geteilt, sagte Korun, es sei nachvollziehbar, dass man politische Einflussnahme aus dem Ausland unterbinden wolle und dass es parallel zu einer anerkannten islamischen Religionsgemeinschaft nicht hunderte oder tausende Vereine geben könne, die die gleiche Glaubenslehre vertreten. Die konkrete Ausgestaltung der Bestimmungen lässt ihrer Meinung nach aber viele Fragen offen. So gehe aus dem Gesetz nicht hervor, wie die behördliche Auflösung von Moscheenvereinen vonstattengehen solle. Korun fürchtet erfolgreiche Anfechtungen aufgrund von Eingriffen in die Vereinsfreiheit. Das Verbot der Auslandsfinanzierung müsste außerdem konsequenterweise für alle Religionsgemeinschaften gelten, betonte sie.

Hinterfragt wurde von Korun auch die Bestimmung, dass die IGGiÖ der Einrichtung von Kultusgemeinden zustimmen müsse. Was passiere, wenn diese einer Kultusgemeinde die Zustimmung verweigere, etwa wegen zu liberaler Ausrichtung, fragte sie. Ihr Fraktionskollege Harald Walser bedauerte, dass das Gesetz keine Regelungen für den Religionsunterricht enthält, obwohl es gerade in diesem Bereich in der Vergangenheit immer wieder große Probleme gegeben habe. Ihm zufolge ist es immer wieder zur Bestellung ungeeigneter Lehrer oder auch zur Abberufung geeigneter Lehrer gekommen. Man hätte die Chance nutzen sollen, diesen Bereich genauer zu regeln.

Nach Meinung von Korun enthält das neue Islamgesetz aber auch einige positive Punkte. Besonders hob sie etwa die Einrichtung einer hochwertigen Universitätsausbildung für österreichische Imame hervor. Überdies begrüßte sie die gesetzlichen Klarstellungen in Bezug auf das Recht von MuslimInnen auf Gefängnis- und Heeresseelsorge. Den Vorwurf, beim Islamgesetz würde es sich um eine Anlassgesetzgebung handeln, qualifizierte sie als unfair.

Team Stronach: Ziele des Gesetzes werden nicht erreicht
Team-Stronach-Abgeordnete Jessi Lintl wertete es als positiv, dass islamische Religionsgesellschaften ihre Glaubensgrundlagen künftig offen legen müssen und die Finanzierung des Kultusbetriebs aus dem Ausland verboten wird. Ihr zufolge ist es aber äußerst fraglich, ob diese Bestimmungen tatsächlich durchgesetzt und damit die Ziele des Islamgesetzes erreicht werden können. Ebenso bezweifelt sie, dass es gelingen wird, radikale islamische Vereine einzudämmen.

NEOS: Zwei wesentliche Punkte sind ungeklärt
NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak begründete die Ablehnung des Gesetzes durch seine Fraktion damit, dass zwei wesentliche Punkte nicht geklärt seien: die Frage der Auslandsfinanzierung und die Frage der Vereinsauflösung. Es sei sinnvoll, dass man darauf achte, dass es keine dauerhafte Auslandsfinanzierung islamischer Religionsgesellschaften gebe, die entsprechenden Bestimmungen und die zugehörigen Erläuterungen seien aber zu hinterfragen, hielt er fest. So versteht Scherak etwa nicht, warum in den Erläuterungen ausdrücklich auf den Ausweg von Stiftungskonstruktionen zur Umgehung des Verbots der Auslandsfinanzierung verwiesen wird. Die Vereinsauflösung in der vorliegenden Form hält er für verfassungsrechtlich nicht gedeckt.

Kritisch äußerte sich Scherak auch darüber, dass alle MuslimInnen seiner Meinung nach unter Generalverdacht gestellt würden.

Koalition sieht Gesetz als Vorbild für andere Länder
Verteidigt wurde das neue Islamgesetz von Ausschussobmann Peter Wittmann (S) und den Abgeordneten Josef Cap (S), Wolfgang Gerstl (V) und Johann Rädler (V). So hob Wittmann hervor, dass man mit den Bestimmungen über die Auslandsfinanzierung und über die Vereinsauflösung einen klaren Zweck verfolgte. Es sei ein qualitativer Unterschied, ob von der Türkei finanzierte Imame quasi als türkische Beamte religiöse Lehren in Österreich verbreiten oder ob das Imame sind, die über eine Stiftung finanziert werden, meinte er. Durch die Vorgaben würde die derzeit bestehende Weisungskette unterbunden.

Nach Auffassung von Wittmann bietet das Gesetz außerdem sehr wohl eine Grundlage dafür, "Hinterhofmoscheen" zu unterbinden. Die anerkannten Religionsgesellschaften seien verpflichtet, radikalen islamischen Vereinen die Lehre zu verbieten, würde dort trotzdem gepredigt, biete das Gesetz die Handhabe, diese aufzulösen. Im Übrigen dürfe man Kultusvereine nicht mit Kulturvereinen vermischen, mahnte er.

Auch die ausdrückliche Verankerung des Vorrangs staatlichen Rechts im Islamgesetz wertete Wittmann als zweckmäßig. Damit schiebe man radikalen Interpretationen, sei es in die eine oder andere Richtung, einen klaren Riegel vor. Wie man aus einer Religionsgemeinschaft austritt, ist laut Wittmann in einem Gesetz aus dem Jahr 1869 geregelt und habe nichts mit der Frage eines Glaubensabfalls zu tun. Der Austritt sei gegenüber einer staatlichen Stelle, konkret der Bezirkshauptmannschaft bzw. der zuständigen Magistratsabteilung, zu erklären.

Auch Abgeordneter Cap wertete es angesichts radikaler islamischer Strömungen für gerechtfertigt, im Islamgesetz noch einmal zu verdeutlichen, dass der Islam eine Religion wie alle anderen sei und staatliches Recht Vorrang habe. Wenn sich das Gesetz bewähre, könnte es Modellcharakter über die österreichischen Grenzen hinaus haben, sagte er. Auch Abgeordneter Rädler sieht das Gesetz europaweit als Vorbild. Zu kritischen Stimmen meinte er, alle Wünsche werde man nie erfüllen können.

ÖVP-Verfassungssprecher Gerstl bedauerte, dass das Gesetz von der Opposition geschlossen abgelehnt wird, und appellierte an die Fraktionen, sich bis zum Plenum zu überlegen, ob sie manchen Punkten nicht doch zustimmen könnten. Das Gesetz sei sehr lange vorbereitet und in vorbildlicher Weise mit der Glaubensgemeinschaft diskutiert worden, machte er geltend. Bedenken der Betroffenen habe man nicht zuletzt mit dem vorgelegten Abänderungsantrag Rechnung getragen. Zur Diskussion um die Verankerung des Vorrangs staatlichen Rechts im Gesetz merkte Gerstl an, mit diesem Passus werde nur fortgeschrieben, was schon im geltenden Islamgesetz verankert sei.

Ostermayer: Missverständnisse konnten ausgeräumt werden
Kanzleramtsminister Josef Ostermayer erinnerte ebenfalls daran, dass fast drei Jahre lang am Gesetzentwurf gearbeitet und dieser intensiv mit der islamischen Glaubensgemeinschaft diskutiert wurde. Es habe einige Missverständnisse gegeben, diese hätten zuletzt aber in Gesprächen ausgeräumt werden können, versicherte er. So werde der ursprüngliche Vorwurf, das Gesetz stelle alle MuslimInnen unter Generalverdacht von der Glaubensgemeinschaft nicht mehr erhoben. Ostermayer sieht auch keinen Grund dafür, den Gesetzesbeschluss hinauszuzögern, ihm zufolge sind alle wesentlichen Punkte ausdiskutiert.

Bekräftigt wurde von Ostermayer, dass sich der Staat nicht in innere Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften einmische. Für ihn ist außerdem klar, dass es beim vorliegenden Gesetz um Religionsrecht und nicht um Schulrecht oder Polizeirecht gehe. Fragen des Religionsunterrichts sind seiner Auffassung nach im Religionsunterrichtsgesetz zu klären.

Was die Auflösung von islamischen Vereinen betrifft, ist laut Ostermayer das Procedere klar. Vereine, die religiöse Lehren verbreiten und behaupten, diese würden von der Linie der beiden anerkannten islamischen Religionsgesellschaften abweichen, könnten sich um die Anerkennung als Religionsgemeinschaft bemühen. Würden die Voraussetzungen für eine solche Anerkennung nicht erfüllt, seien sie aufzulösen. Was man mit dem Gesetz nicht erreichen könne und auch nicht erreichen wolle, sei Terrorprävention, betonte Ostermayer, dafür gebe es andere gesetzliche Grundlagen.

Gesetz schafft moderne gesetzliche Grundlagen für islamische Religionsgesellschaften
Ziel des neuen Islamgesetzes ist es, moderne gesetzliche Grundlagen für islamische Religionsgesellschaften zu schaffen. So werden etwa der Erwerb der Rechtspersönlichkeit, der Aufbau und die Aufgaben islamischer Religionsgesellschaften, die Einrichtung von Kultusgemeinden und das Zusammenwirken von Staat und Religionsgesellschaften geregelt sowie die Rechte und Pflichten der Islamischen Glaubensgemeinschaft und der Islamischen Alevitischen Glaubensgemeinschaft festgelegt.

Als Voraussetzung für die Bildung einer islamischen Religionsgesellschaft nennt der Gesetzentwurf unter anderem einen gesicherten dauerhaften Bestand, die wirtschaftliche Selbsterhaltungsfähigkeit und eine positive Grundeinstellung gegenüber Gesellschaft und Staat. Zudem sollen die Religionsgemeinschaften verpflichtet werden, ihre Lehre und ihre wesentlichen Glaubensquellen wie den Koran in deutscher Sprache – bzw. wie es wörtlich heißt "in der Amtssprache" – darzustellen und innerhalb der Religionsgesellschaft bestehende Traditionen angemessen zu berücksichtigen. Ebenso haben sie die Aufgabe, den Religionsunterricht zu organisieren und zu beaufsichtigen sowie Streitigkeiten innerhalb der Religionsgesellschaft zu schlichten. Eine Verbreitung der religiösen Lehre durch autonome islamische Vereine ist künftig nicht mehr möglich, wie Ostermayer beim im Jänner durchgeführten Hearing zum Gesetzentwurf erläutert hatte.

Die Aufbringung der Mittel, die für die gewöhnliche Tätigkeit der Religionsgesellschaft nötig sind, hat durch die Religionsgesellschaft selbst, ihre Kultusgemeinden bzw. ihre inländischen Mitglieder zu erfolgen. Gemäß der nun geänderten Übergangsbestimmung sollen vom Ausland finanzierte Imame allerdings weiter bis zu einem Jahr nach Infrafttreten des Gesetzes in Österreich tätig bleiben dürfen. Für die Anpassung ihrer Statuten an die neue Rechtslage haben die anerkannten Religionsgesellschaften bis zum 31. Dezember 2015 Zeit.

Muslimischen Gläubigen räumt das neue Gesetz unter anderem ein Recht auf religiöse Betreuung beim Bundesheer, in Haftanstalten, in Krankenhäusern sowie in Pflegeeinrichtungen ein. Zudem werden islamische Speisevorschriften ausdrücklich anerkannt sowie explizit angeführten Feiertagen und dem Freitagsgebet besonderer staatlicher Schutz gewährt.

Der Bund verpflichtet sich mit dem Gesetz, an der Universität Wien ein islamisch-theologisches Studium einzurichten und dafür bis zu sechs Stellen für Lehrpersonal bereitzustellen. Für jede anerkannte islamische Religionsgesellschaft ist dabei ein eigener Studienzweig vorzusehen, wobei der theologische Kernbereich von AnhängerInnen der jeweiligen Rechtsschule gelehrt werden soll.

Die Entscheidung, einer Religionsgesellschaft ihren Status wieder abzuerkennen, soll laut dem am 12.02. von SPÖ und ÖVP vorgelegten Abänderungsantrag nicht vom Bundeskanzler, sondern von der Bundesregierung getroffen werden. Damit wollen die Abgeordneten die Einbindung relevanter Ministerien sicherstellen. Das derzeit geltende Islamgesetz stammt aus dem Jahr 1912 und ist somit bereits mehr als 100 Jahre alt.

 

 

 

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