Österreich gegen EU-Vollharmonisierung
 des Telekommunikationssektors

 

erstellt am
26. 02. 15
11.00 MEZ

Bericht des bmvit über EU-Vorhaben 2015 beleuchtet die Fortschritte im digitalen Binnenmarkt
Wien (pk) - Die Arbeiten am digitalen Binnenmarkt der Europäischen Union gehen 2015 in die nächste Phase. Um die Digitalisierungsoffensive voranzutreiben, will die Europäische Kommission heuer die interinstitutionellen Verhandlungen zur Verordnung über eine stärkere Vernetzung des Unionsraums abschließen, geht aus dem EU-Vorhabensbericht des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit), Alois Stöger, hervor. Auf wenig Gegenliebe im bmvit stoßen die Bestrebungen der Kommission, alle nationalen Bestimmungen im Telekommunikationssektor weitgehend zu vereinheitlichen. Konkret wird befürchtet, die Vollharmonisierung der Telekomregulierungen könnte dem Konsumentenschutz abträglich sein und würde den bürokratischen Aufwand für Unternehmen und nationale Regulierungsbehörden aufgrund von europäischen Genehmigungsverfahren eher erhöhen als vermindern. Positiv aufgenommen werden indes die Punkte aus dem Verordnungsvorschlag, die auf ein offenes Internet mit klaren Netz-Neutralitätsregeln abzielen.

Der digitale Binnenmarkt, der gemeinsam mit Harmonisierungen im Verkehrs- und Luftfahrtwesen dem Wirtschaftsleben in der Europäischen Union neue Impulse für Arbeitsplätze, Wachstum und Investitionen geben soll, wurde 2013 von den Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat beschlossen. Im Rahmen der Digitalisierungsstrategie sollen der Zugang zu schnellen Internetdiensten in der Europäischen Union flächendeckend verbessert und die Forschungsinvestitionen im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien erhöht werden.

Vernetzung Europas: bmvit warnt vor Überregulierung am Telekommunikationsmarkt
Der Verordnungsvorschlag für "Maßnahmen zum europäischen Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation und zur Verwirklichung des vernetzten Kontinents" wird seitens des bmvit vorbehaltlich betrachtet. In vielen Bereichen beschreibt das Ministerium die Regelungen zur Umsetzung des digitalen Binnenmarkts als überschießend, vor allem da mit dem EU Telekom Paket einige der Bestimmungen bereits in nationales Recht überführt worden sind. Fraglich sei, ob die vielen Detailregelungen tatsächlich der Digitalisierung Europas den erhofften Schwung geben.

Zielsetzungen des Entwurfs für ein vernetztes Europa sind, BürgerInnen und Unternehmen in der EU grenzüberschreitend zu gleichen Preisen mit elektronischen Kommunikationsdiensten zu versorgen und das Anbieten dieser Dienste in einem Mitgliedsstaat auch Unternehmen aus anderen EU-Ländern unbürokratisch zu ermöglichen. Eine EU-weite Genehmigung von Telekommunikationsunternehmen trägt aus Sicht des Ministeriums aber nicht zum Bürokratieabbau bei, da Verwaltungshürden weniger bei den geltenden Notifizierungsverfahren lägen, sondern eher in Bereichen wie Wettbewerbs-, Steuer-, Unternehmens-, Arbeits-, und Sozialrecht. Ähnlich lautet die Kritik an vereinheitlichten Regelungen zur Zuteilung von harmonisierten Frequenzen für drahtlose Breitbandversorgung – auch hier würden nationale Verfahren durch die zusätzliche Koordinierung der Ausschreibungen auf EU-Ebene komplizierter. Im Zusammenhang mit dem Roaming dürfe eine grenzübergreifende Angleichung der Preise für Kommunikationsdienste nicht die EndkundInnen mit einer Tariferhöhung belasten bzw. der Netzqualität schaden, so das bmvit, das von einer vergleichsweise geringen Zahl an regelmäßigen RoamingnutzerInnen ausgeht.

Generell wird beanstandet, die Kommission habe den Vorschlag ohne öffentliche Konsultation erstellt und stärke darin ihre Eingriffsrechte auf Kosten nationaler Kompetenzen. Speziell im Sinne des hohen heimischen Konsumentenschutzniveaus warnt das bmvit vor einer Vollharmonisierung der Bestimmungen für Telekommunikationsdienste und sieht sich darin einer Meinung mit der Mehrheit der EU-Mitgliedsländer. Der EU-Ausschuss des Bundesrats übte schon 2013 scharfe Kritik an den Plänen zur Harmonisierung der elektronischen Kommunikation (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 745 /2013). Abgesehen von den Kritikpunkten begrüßt Österreich das Ansinnen, europaweite Regelungen zur gleichwertigen Übertragung von Daten im Internet zu schaffen. Diese Netzneutralität sei ein wesentlicher Faktor, innovative Dienst zu ermöglichen.

Die EU-Kommission will heuer die Verhandlungen über den Verordnungsvorschlag mit dem Rat und dem Europäischem Parlament zu Ende führen. Genauso sollen Gespräche zu einer europäischen Datenschutzreform abgeschlossen werden. Geplant sind außerdem eine Modernisierung der EU-Gesetzgebung zum Urheberrecht, Vereinfachungen im Online-Handel und eine Stärkung der Cyber-Sicherheit. Zur Kostenreduktion beim Breitbandausbau soll bis 2016 eine Angleichung der nationalen Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Hochgeschwindigkeitsnetze erfolgen; laut bmvit wird an der nationalen Umsetzung dieser Richtlinie gearbeitet.

Mehr Zusammenarbeit auf der Schiene und in der Luft
In Kraft treten heuer mehrere Bestimmung für den Eisenbahn- und den Luftverkehr der Europäischen Union. Der Ansatz ist hier, durch einheitliche Regelwerke für den Binnenmarkt verstärkte Zusammenarbeit nationaler Akteure zu erreichen. So werden beispielsweise mit Durchführungsverordnungen der Europäischen Kommission die Umsetzung gemeinsamer Sicherheitsvorgaben im Eisenbahnverkehr näher definiert und die Leistungen der Flugsicherungsdienste mit dem Leistungsrahmen des Europäischen Flugverkehrsmanagements in Einklang gebracht. Eine Verordnung zielt im Sinne der Unfallvermeidung überdies auf einen intensivierten Austausch von Informationen über potentielle Sicherheitsgefahren in der Zivilluftfahrt ab, um schneller auf sicherheitsbezogene Störungen und Mängel reagieren zu können. Im Rat der EU hat man die Verhandlungen über die Kommissionsvorschläge für einen einheitlichen europäischen Luftraum wieder aufgenommen. Beabsichtigt wird, die Reform der Flugsicherung zu beschleunigen, zumal man mit einer Zunahmen des Flugverkehrs in den kommenden Jahren rechnet. Vor diesem Hintergrund erwartet der Rat im zweiten Halbjahr 2015 auch einen Verordnungsvorschlag über unlautere Preisbildungspraktiken im Luftverkehr. Weiters hat die Kommission für heuer Gesetzgebungsvorschläge für zivile Drohnen angekündigt.

Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit in der EU-Luftfahrtbranche will die Europäische Kommission mit einem "Luftverkehrspaket" anstoßen. Als Grundlage dafür dient eine Mitteilung der Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA), die heuer ansteht. Im Bereich Straßenverkehr plant die Kommission im Zuge der Rechtsbereinigung, mehrere überholte Legislativakte aufzuheben bzw. zu vereinfachen, was grundsätzlich von österreichischer Seite begrüßt wird. Kritisch wertet das Ministerium in diesem Zusammenhang aber Überlegungen, die auf eine Liberalisierung der Kabotage im Binnengüterverkehr abzielen. Befürchtet wird ein Lohn- und Sozialdumping, das zu Wettbewerbsverzerrungen in der heimischen Güterbeförderungsbranche führen könnte. Dass die Kommission den Verordnungsentwurf für eine Liberalisierung der Bodenabfertigungsdienste im Luftfahrtgewerbe zurückziehen will, findet dagegen Zustimmung im bmvit, weil die angedachten Liberalisierungsschritte auf Kosten der Qualität und der ArbeitnehmerInnen gehen würden, heißt es im Bericht.

Von Österreich unterstützt werden außerdem die Bestrebungen der Kommission, öffentliche Stellen vermehrt zur Beschaffung sauberer und energieeffizienter Straßenfahrzeuge anzuhalten. Zentral in der EU-Verkehrspolitik des Rats ist ebenfalls die Förderungen einer effizienten, sicheren und umweltfreundlichen Mobilität. Der Aufbau einer europäischen Infrastruktur für alternative Kraftstoffe soll vorangetrieben werden. Hinsichtlich Schienenverkehr plant die Ratspräsidentschaft, die Verhandlungen über das vierte Eisenbahnpaket zur Liberalisierung des Schienenpersonenverkehrs näher dem Abschluss zu bringen und, sobald ein entsprechender Richtlinienentwurf der Kommission vorliegt, Bestimmungen zur Lärmreduktion bei Güterzügen zu debattieren.

Ruhezeiten von LKW-LenkerInnen werden strenger kontrolliert
Die Kontrolle von Lenk- und Ruhezeiten der BerufskraftfahrerInnen in der Europäischen Union erhält mehr Aufmerksamkeit. Im März tritt die EU-Verordnung für ein Fahrtenschreibersystem mit ausgeweiteter Kontrollfunktion in Kraft, geht aus dem EU-Vorhabensbericht hervor. Ziel der Maßnahme ist gesteigerte Sicherheit im Straßenverkehr. Außerdem sollen durch die Gewährleistung der Ruhephasen die Arbeitsbedingungen für KraftfahrerInnen verbessern werden. Betrug durch Manipulationen der Fahrtenschreiber und Reparaturen der Fahrzeuge in nicht zugelassenen Werkstätten will man damit vorbeugen. Zukünftig wird die Fernkommunikation der Fahrtenschreiber sichergestellt, sodass die Exekutive schon vor einer Fahrzeugkontrolle grundlegende Hinweise über die Befolgung der Vorschriften durch die Fahrerin oder den Fahrer erhält. Vorgesehen ist auch, die Sanktionen EU-weit auf ein möglichst einheitliches Niveau zu bringen.

 

 

 

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