Wachstum: Verhaltene Erwartungen

 

erstellt am
13. 03. 15
11.00 MEZ

Neue wiiw-Prognose für Mittel-, Ost- und Südosteuropa, 2015-2017
Wien (wiiw) - Das Wachstum in den Ländern Mittel-, Ost- und Südosteuropas (MOSOEL) wird dem wenig beeindruckenden Muster im Euroraum folgen. Die längerfristige Annäherung der Einkommensniveaus in den MOSOEL wird nicht so rasch erfolgen, wie noch vor rund einem Jahrzehnt erwartet wurde. Die wirtschaftliche Dynamik für den Zeitraum 2015-2017 wird sich nicht wesentlich von jener des Jahres 2014 unterscheiden. Für die neuen EU-Mitgliedstaaten wird das Wachstum in den nächsten Jahren voraussichtlich etwas unter 3% liegen. Dies bedeutet ein durchschnittliches Wachstumsdifferential von etwa 1,5 Prozentpunkten gegenüber dem Euroraum - rund die Hälfte des Werts vor dem Ausbruch der globalen Finanzkrise.

Andererseits werden die meisten Länder der Region voraussichtlich der Gefahr von galoppierender Inflation, exzessiven Haushaltsdefiziten oder übermäßiger Auslandsverschuldung, unter denen sie in der Vergangenheit litten, entgehen. Dies sind die wichtigsten Ergebnisse der neuen mittelfristigen MOSOEL-Prognose des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw).

Die geringe heimische Gesamtnachfrage war die Hauptursache für das schwache Wachstum. Dies zeigt sich an der Desinflation (oder sogar milden deflationären Tendenzen) in großen Teilen der Region sowie an dem Fortbestehen relativ hoher Arbeitslosigkeit. Es gibt Anzeichen einer Abwärtsspirale bei den Lohnabschlüssen. Während Lohnzurückhaltung die Profitabilität und externe Wettbewerbsfähigkeit stärkt, schwächt sie auch die verfügbaren Haushaltseinkommen und verlangsamt somit das Wachstum der Binnennachfrage. Offenbar gibt es ein Trade-off zwischen einer Verbesserung der Handelsbilanz und einem rascheren Wachstum der Binnennachfrage. Insgesamt wird das BIP-Wachstum "an der kurzen Leine" gehalten.

Der Anstieg der öffentlichen Investitionen könnte sich als Stütze des Wachstums erweisen, vor allem in jenen neuen EU-Mitgliedstaaten (NMS), die Zugang zu EU-Geldern haben. Eine deutliche Erholung der Investitionen im privaten Sektor steht jedoch noch aus. Geringe private Investitionen können aber nicht auf eine zu geringe Profitabilität im Unternehmenssektor zurückgeführt werden. Im Gegenteil, der Unternehmenssektor entwickelt sich sehr gut, zumindest in jenen NMS, für die relevante Daten verfügbar sind, und ist weiterhin durch eine höhere Kreditvergabe als Kreditaufnahme gekennzeichnet. Obwohl sie derzeit reichlich Mittel zur Verfügung hätten, ziehen es die Unternehmen vor, "ihre Wunden zu lecken", die durch frühere übermäßige Kreditaufnahme entstanden sind, oder Mittel zu verleihen (in erster Linie an den öffentlichen Sektor), anstatt produktiv zu investieren. Die Kreditvergabe an den privaten Sektor stagniert sogar dann, wenn die Zinssätze relativ niedrig sind. Mit einigen wenigen Ausnahmen (vor allem an der Peripherie der Region) stiegen die Bestände an Krediten an den nichtfinanziellen Unternehmenssektor 2014 nur marginal, wenn überhaupt. Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Firmen das Nachfragewachstum pessimistisch beurteilen, oder eine gestiegene Liquiditätspräferenz widerspiegeln, oder auch die relativ reichlich vorhandenen Mittel, die den Unternehmen zur Verfügung stehen. Notleidende Kredite hängen mit einem hohen Anteil von Kreditaufnahmen in Fremdwährungen zusammen. Die jüngste Aufwertung des Schweizer Franken wird einige negative Auswirkungen auf jene Firmen und Haushalte haben, die in der Vergangenheit in großem Umfang Kredite in dieser Währung aufgenommen haben.

Neue Hinweise stützen die Annahme, dass Länder mit einem flexiblen Wechselkurs mittel- bis langfristig besser abschneiden. Sie neigen tendenziell zur Vermeidung von irreversiblen Währungsüberbewertungen, während Länder mit einem fixen Wechselkurs dies nicht ganz verhindern können. Dennoch gibt es Beispiele, dass trotz der Rigidität der Wechselkurse eine Überbewertung vermieden werden kann - zumindest mittelfristig. Alle MOSOEL verzeichnen steigende Haushaltsdefizite. Die Leistungsbilanzdefizite sind weiterhin niedrig. Die gesamtwirtschaftlichen Nettoausleihungen in den NMS sind tendenziell positiv. Dies ist eine Folge davon, dass das aktuelle Sparvolumen im Privatsektor in den NMS im Allgemeinen höher ist als die Investitionen in diesem Sektor.

Im Durchschnitt wird das Wirtschaftswachstum in den NMS 2015 einheitlicher ausfallen,
wenn auch nicht stärker steigen. Das Durchschnittswachstum wird 2015 2,7% ausmachen. Eine gewisse Beschleunigung des Wachstums ist für die Periode 2016-2017 zu erwarten. Die Arbeitslosigkeit in den NMS wird nur allmählich zurückgehen. Die Inflation wird 2015 niedrig bleiben, aber 2016 langsam auf ein normaleres Niveau zurückkehren. Bei anhaltendem - wenn auch schwachem - Wachstum werden sich die Leistungsbilanzen verschlechtern (jedoch vergleichsweise niedrig bleiben).

Auch in den (derzeitigen und potenziellen) EU-Beitrittsländern gibt es kaum Wachstumsbeschleunigung. Die Produktion in diesen Ländern wird voraussichtlich nicht schneller als in den NMS wachsen. Die Türkei, Mazedonien und Kosovo könnten etwas besser als der Rest der Gruppe abschneiden, mit Wachstumsraten von über 3% im Jahr 2015. Allerdings scheinen diese Länder, mit Ausnahme der Türkei, die Periode hoher Inflation hinter sich gelassen zu haben. Ihre Arbeitslosenzahlen sind jedoch weiterhin erschreckend hoch (nur in der Türkei etwas geringer). Sie werden auch hohe (oder sogar sehr hohe) Leistungsbilanzdefizite einfahren.

Die Ergebnisse für die meisten Nachfolgestaaten der Sowjetunion werden 2015 ziemlich schlecht ausfallen. Die Produktion in der Ukraine wird ihren freien Fall fortsetzen, da viele der Industriezentren des Landes zu Schlachtfeldern geworden sind. Das Wirtschaftswachstum wird 2015 voraussichtlich um 5% sinken. Der Rückgang der Weltmarktpreise für Energieträger wird sowohl Kasachstan als auch Russland negativ beeinflussen. Das russische Wirtschaftswachstum wird 2015 um knapp 4% fallen. Ein ähnliches Schicksal droht Weißrussland, das stark von Exporten nach Russland und in die Ukraine abhängig ist. Bei Annahme einer halbwegs friedlichen Lösung des Ukraine-Konflikts kann allerdings davon ausgegangen werden, dass die Nachfolgestaaten 2016 oder 2017 wieder ein bescheidenes Wachstum verzeichnen werden.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.wiiw.ac.at

 

 

 

 

 

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