Schelling will weiter für
 Finanztransaktionssteuer werben

 

erstellt am
18. 03. 15
11.00 MEZ

EU-Unterausschuss drängt auf unionsweite Bekämpfung der Steuerflucht
Wien (pk) - Steuerfragen beschäftigen die Politik nicht nur im Zusammenhang mit der Steuerreform: der EU-Unterausschuss des Nationalrats widmete seine Sitzung vom 17.03. diesem Thema in Hinblick auf gesamteuropäische Vorhaben. Unisono forderten die Ausschussmitglieder die rasche Implementierung der Finanztransaktionssteuer ein, Finanzminister Hans Jörg Schelling trübte allerdings die Erwartungen. Derzeit sei es pure Spekulation, ob das Projekt gelingt. Unter jenen elf Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die gemeinsam eine Finanztransaktionssteuer einführen wollen, bestehe vor dem Hintergrund der Finanzkrise zwar grundsätzlicher Konsens über ihre Sinnhaftigkeit. Allerdings gebe es noch Abstimmungsbedarf bezüglich der Steuersätze auf Transaktionen von Finanzprodukten bzw. welche Finanzinstrumente konkret einer Steuer nach harmonisierten Sätzen unterliegen sollen.

Ob die Finanztransaktionssteuer zumindest teilweise wie geplant mit 1.1.2016 in Kraft tritt, macht Schelling davon abhängig, dass Österreichs Kompromissvorschlag zur Finanztransaktionssteuer beim EU-Finanzministerrat im Mai angenommen wird. Nach der letzten Ecofin-Tagung im Jänner hat Österreich die Koordinierung der weiteren Verhandlungen übernommen.

Der automatische Informationsaustausch über Kapitalerträge von SteuerausländerInnen zwischen den EU-Staaten ist dagegen seit vergangenem Dezember beschlossene Sache. Konkret sollen die Finanzinstitute jedes EU-Landes den Behörden steuerrelevante Informationen ihrer ausländischen KontoinhaberInnen zur Verfügung stellen. Österreich beteilige sich wie auch die Schweiz und der Großteil der G20-Staaten ab 2018 am Datenaustausch mit den Partnerländern, so der Finanzminister.

FTT: Österreich drängt mit Kompromissvorschlag auf Einigung
Die Finanztransaktionssteuer (FTT) lässt vermutlich noch einige Zeit auf sich warten. Weiterhin bestünden unter jenen Mitgliedsstaaten, die eine gemeinsame Steuer auf Finanztransaktionen einheben wollen, Auffassungsunterschiede über wichtige Aspekte der FTT, schilderte Finanzminister Schelling die Lage und nannte als Beispiel die Frage zur Besteuerung vom Handel mit Derivaten. Da aus heimischer Sicht eine möglichst breite Bemessungsgrundlage, die Derivattransaktionen umfasst, zur erfolgreichen Umsetzung der FTT notwendig ist, so Schelling, habe man Kompromissvorschläge mit niedrigeren Steuersätzen unterbreitet. Verhandlungsgrundlage war bisher ein nach Produktgruppen differenzierter Steuersatz von mindestens 0,1% des Kauf- oder Marktpreises für Finanzprodukte wie Aktien. Für Derivate sollte die Steuer nicht weniger als 0,01% ausmachen.

Auf die Höhe der für Österreich zu erwartenden Steuereinnahmen, die SPÖ-Abgeordnete Elisabeth Grossmann ansprach, wollte Finanzminister Schelling sich nicht festlegen. Unterschiedliche Berechnungen reichten von 500 Mio. € bis zu über einer Milliarde, wobei viele dieser Studien auf dem ursprünglichen Modell zur FTT beruhten, das von der Europäischen Kommission vorgelegt worden ist; weil aber unter den 28 EU-Ländern kein gemeinsames Bekenntnis zu einer Steuer auf Finanztransaktionen erzielt wurde, könne die Kommission nur noch in beratender Funktion beigezogen werden. Die Einnahmen aus der FTT sollten jedenfalls in die nationalen Budgets fließen, erwiderte Schelling der freiheitlichen EU-Abgeordneten Barbara Kappel. Wie NEOS-Klubobmann Matthias Strolz befand er, eine gemeinsame Steuer auf Finanztransaktionen als erste europäische Steuer müsse mit einer Senkung der Mitgliedsbeiträge an die EU einhergehen. Das sei aber aufgrund der begrenzten Zahl an FTT-Befürwortern unter den EU-Mitgliedern im Moment nicht möglich.

Schon 2011 habe die Europäische Kommission erstmals einen Richtlinienvorschlag zur EU-weiten Besteuerung von Finanztransaktionen nach einheitlichen Richtsätzen präsentiert, erinnerte Abgeordneter Franz Leonhard Eßl (V), der angesichts der langwierigen Debatten zur Finanztransaktionssteuer die schleppende Umsetzung beklagte. Weil sich nicht alle Mitgliedsstaaten mit dem Gedanken anfreunden konnten, die Rechtsvorschriften für eine indirekte Besteuerung von Finanztransaktionen zu harmonisieren, einigten sich elf EU-Länder – neben Österreich gehören auch Belgien, Deutschland, Estland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Portugal, Slowenien, Slowakei zu den "G-11" - schließlich darauf, die FTT im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit einzuführen. Das diene nicht nur dem Binnenmarkt, da Wettbewerbsverzerrungen und Steuerhinterziehung vorgebeugt werde, so die Kommission. Finanzinstitute würden mit einer solchen Steuer überdies einen angemessenen und substanziellen Beitrag zur Kostenabdeckung der jüngsten Krise leisten und außerdem in steuerlicher Hinsicht die gleichen Ausgangsbedingungen wie andere Wirtschaftssektoren vorfinden. Die Steuer bezöge sich somit vor allem auf Transaktionen, die von Finanzinstituten durchgeführt werden. Zur Prävention von Steuerumgehung sollen der Letztversion des Richtlinienentwurfs zufolge auch der außerbörsliche Austausch von Finanzinstrumenten, (umgekehrte) Pensionsgeschäfte sowie Wertpapier(ver)leihgeschäfte in den Anwendungsbereich der Steuer fallen.

Für BürgerInnen oder Unternehmen wichtige Bankgeschäfte wie Überweisungen vom Girokonto, Kreditaufnahmen sowie der Abschluss von Versicherungen und Hypothekendarlehn sollen dagegen nicht von der FTT belastet werden. Ausgenommen sind laut Kommissionsvorschlag weiters Transaktionen mit der Europäischen Zentralbank bzw. den Nationalbanken, mit den europäischen Schutzmechanismen EFSF und ESM sowie – im Sinne des freien Kapitalverkehrs - Devisenspottransaktionen.

Vor allem verhindert eine Finanztransaktionssteuer in den Augen der Kommission kurzfristige Spekulationen und sei daher als Ergänzung regulatorischer Maßnahmen zur Vermeidung künftiger Krisen zu werten. In der 2013 überarbeiteten Version des FTT-Richtlinienentwurfs wurden auch die Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerumgehung weiter gestärkt; dazu hat die Kommission das "Ansässigkeitsprinzip" zur Anrechnung der Steuer mit einem "Ausgabeprinzip" ergänzt. Folglich würde der Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers in einem teilnehmenden Mitgliedsstaat jedenfalls besteuert, unabhängig vom Niederlassungsort des emittierenden Unternehmens. Umgekehrt würde die Ansässigkeit von nur einer Partei der Transaktion in einem FTT-Land automatisch zur Einhebung der Steuer führen. Bei diesem Punkt des Vorschlags sei in den Verhandlungen der Teilnehmerländer ebenfalls noch keine Lösung gefunden worden, berichtete Schelling. Aus heimischer Sicht sollten sowohl Emissions- als auch Residenzprinzip zur Einhebung der Steuer herangezogen werden.

Die Zweifel von FPÖ-Mandatar Reinhard Eugen Bösch, wie sinnvoll im Kampf gegen das Spekulationsunwesen die Steuer bei einer Beteiligung von lediglich elf Mitgliedsstaaten ist, konnte Finanzminister Schelling nur teilweise nachvollziehen. Natürlich bildeten Maßnahmen auf gesamteuropäischer bzw. weltweiter Ebene die wirkungsvollste Handhabe dagegen; aber solange zumindest unter den für die verstärkte Zusammenarbeit notwendigen neun EU-Mitgliedsländern Einigkeit zur FTT bestehe, könne Österreich jedenfalls mehr Nutzen daraus ziehen, als es das als kleiner Finanzplatz eigenständig schaffe, richtete er auch Johannes Hübner (F) aus. Auf die Befürchtung von Grünen-Budgetsprecher Bruno Rossmann, EU-Staaten außerhalb der G-11 könnten die Realisierung der Finanztransaktionssteuer hintertreiben, merkte Schelling an, er wolle Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof in diesem Zusammenhang nicht ausschließen. Rechtliche Bedenken der übrigen 17 Mitgliedsländer hinsichtlich negativer Konsequenzen der FTT für ihre Finanzplätze ließen sich aber einfach ausräumen, unterstrich Schelling, nämlich indem diese Länder genauso die Steuer einführen.

SteuerausländerInnen: Automatischer Informationsaustausch auf Schiene
Die Bekämpfung von Steuerhinterziehung im Unionsraum war auch Thema im Ausschuss, als eine Mitteilung des Rats Wirtschaft und Finanzen zu Steuerfragen auf der Tagesordnung stand. Behandelt wird darin unter anderem die Ausweitung des automatischen Informationsaustauschs (AIA) zwischen den Steuerbehörden der EU-Länder, die letztlich auf eine Aufhebung des Bankgeheimnisses für ausländische Steuerpflichtige in Österreich hinausläuft. Lohnsteuerpflichtige Einkünfte aus unselbständiger Arbeit und Pensionen sollen ebenso erfasst werden wie Managementvergütungen, bestimmte Lebensversicherungen und Immobilien. Finanzminister Hans Jörg Schelling zufolge wird Österreich den Datenaustausch gemäß OECD-Standard gemeinsam mit der Schweiz 2018 in Angriff nehmen, wodurch die Ausnahmeregelung einer EU-Quellensteuer anstatt der Datenweitergabe wegfalle. Die restlichen EU-Mitgliedsstaaten haben als Starttermin für den ausgeweiteten Informationsaustausch 2017 ins Auge gefasst.

Verhandlungen über die AIA-Einführung gibt es auch mit den europäischen Drittstaaten Schweiz, Liechtenstein, Andorra, San Marino und Monaco, außerdem will der Rat erreichen, dass diese Länder Zinserträge gemäß EU-Standards besteuern. Eigene Gespräche über verstärkte Verwaltungszusammenarbeit gegen Steuerbetrug laufen mit Norwegen.

Neben legislativen Vorkehrungen gegen Steuervergehen behandelt der Ratsbericht aktuelle EU-Gesetzgebungsvorschläge, die insgesamt auf eine gerechtere und effizientere Gestaltung der nationalen Steuersysteme abzielen. Aggressive Steuerplanung, also die Verlagerung von Gewinnen in Länder mit niedrigen Steuern durch internationale Unternehmen, nehme man dabei besonders ins Visier, skizzierte Schelling den EU-Vorhabensplan, finde diese Praxis doch auch mitten in der Europäischen Union statt. Unter anderem will die Kommission mit einer Änderung der "Mutter-Tochter-Richtlinie" die Nichtbesteuerung von Gewinnen durch missbräuchliche Steuerpraktiken wie hybride Finanzgestaltung unterbinden, die mehrwertsteuerliche Behandlung von Gutscheinen klar regeln und in der Zinsen- und Lizenzgebühren-Richtlinie ebenfalls Vorkehrungen gegen Missbrauch treffen. Allein durch organisierten Mehrwertsteuerbetrug entgingen den Steuerbehörden jährlich geschätzte 17 Mrd. €, verdeutlichte Schelling die Dringlichkeit des Problems und griff die Forderungen von Bruno Rossmann (G) und Matthias Strolz (N) nach mehr Transparenz auf. Rossmann bezog sich speziell auf "Lux Leaks" - das Bekanntwerden von Steuerabsprachen zwischen Luxemburg und Großkonzernen –, woraufhin Schelling sagte, er sei hier ganz einer Meinung mit der Europäischen Kommission. Diese habe im konkreten Fall eine Veröffentlichung sämtlicher Sondervereinbarungen verlangt.

Insgesamt müsse die EU gegen Steuerbetrug geschlossen vorgehen, betonte Schelling, zumal die Entwicklung einer funktionierenden Wirtschaftsunion durch Steuersünder massiv behindert werde. Von österreichischer Seite habe man der Kommission bereits zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs ein Reverse Charge-Modell vorgeschlagen und ein unionsübergreifendes Stiftungsregister nach heimischem Vorbild angeregt. EU-weite Mindeststeuersätze, etwa bei der Körperschaftssteuer, seien dagegen kaum machbar, da derartige Steuerfragen nach wie vor national gehandhabt werden, reagierte der Minister auf Überlegungen des SPÖ-Finanzsprechers Kai Jan Krainer.

Nicht nur zur Vermeidung von Steuerumgehung, auch zwecks geringeren Verwaltungsaufwands für die Wirtschaft, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), rät die EU-Kommission zu einer Standard-Mehrwertsteuererklärung, geht aus der Ratsmitteilung außerdem hervor. Ersetzt werden sollten damit die verschiedenen nationalen Mehrwertsteuererklärungen als Handelshemmnisse im EU-Raum. Diskutiert wird im Zusammenhang mit Erleichterungen für grenzüberschreitend tätige Unternehmen zudem eine konsolidierte Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer, wodurch Betriebe nur noch bei einer einzigen Stelle in der EU ihre Steuererklärung über sämtliche Gewinne und Verluste im Binnenmarkt einreichen müssten.

Namens der Grünen wies Bruno Rossmann bedauernd darauf hin, dass von der Kommission eine Richtlinie zur Energiebesteuerung zurückgezogen worden ist. Dieser Kommissionsvorschlag hätte fossile Energieträger stärker besteuert als alternative Energieformen, umreißt der Rat in seinem Bericht und gibt als Grund für die Rücknahme an, wegen Meinungsdifferenzen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten über Mindeststeuerbeträge und Steuerbefreiungen stehe nun eine Überarbeitung des Legislativvorschlags im Raum. Schelling bestätigte, Gespräche darüber seien am Laufen.

 

 

 

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