Weltkriege: Kärnten exportiert Gedenkkultur

 

erstellt am
01. 04. 15
11.00 MEZ

LH Kaiser, LT-Präsident Rohr und Künstler Gantschacher stellten Projekte mit Kärntner Beteiligung in Prag, auf der Insel Rügen, in Schweden und Russland vor
Sassnitz/Kingisepp/Klagenfurt (lpd) - 1915 erreichte der Erste Weltkrieg Kärnten und 1945 endete der Zweite Weltkrieg. Das Jahr 2015 ist daher für unser Bundesland ein besonderes Gedenkjahr, wie Landeshauptmann Peter Kaiser am 31.03. in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Landtagspräsident Reinhart Rohr sowie dem Künstler und Theaterregisseur Herbert Gantschacher betonte. Vorgestellt wurden zwei internationale Projekte, an denen Kärnten über Gantschacher von „ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater“ intensiv beteiligt ist. In der tschechischen Hauptstadt Prag werden sich eine Ausstellung und ein Festival dem am 18. Oktober 1944 im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ermordeten Komponisten, Dirigenten und Pianisten Viktor Ullmann widmen. Auf der deutschen Insel Rügen, in Schweden und Russland werden in einem EU-geförderten Projekt die furchtbaren Auswirkungen des Krieges aufgezeigt. Aktiv dabei eingebunden sind auch taubblinde, gehörlose und fünfsinnige Jugendliche.

„Gedenkkultur soll nicht innerhalb von Landesgrenzen enden, wir wollen sie exportieren und auch nach Kärnten importieren“, betonte Kaiser. Er wird gemeinsam mit Rohr am 8. April an der Eröffnung der Ausstellung „Viktor Ullmann – Zeuge und Opfer der Apokalypse“ teilnehmen und will Kärnten in Prag positiv präsentieren. Der Landeshauptmann dankte Gantschacher, der auch als Fachbeiratsmitglied für Darstellende Kunst der Gedenkkultur immer das Wort rede. Kaiser kündigte für 8. Mai die Eröffnung einer Gedenkstätte im Klagenfurter Burghof an, wo sich in der NS-Zeit das Gestapo-Hauptquartier befand. Der Opfer des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges wolle man auch am 9. Mai bei einem Festakt im Wappensaal des Landhauses gedenken. Am 24. Juli werden aus Anlass „100 Jahre Karnische Front“ in Kötschach-Mauthen eine Gedenkfeier und eine Angelobung von Rekrutinnen und Rekruten des Österreichischen Bundesheeres abgehalten. Verteidigungsminister Gerald Klug hat laut Kaiser sein Kommen zugesagt, er wolle auch seine italienische Amtskollegin dazu einladen. Man müsse aus der Vergangenheit lernen, um die Weichen für die Zukunft stellen zu können, betonte Kaiser und verwies darauf, dass sich Kärnten vom Kriegsland zu einer Friedensregion entwickelt habe.

Rohr erwähnte die im Vorjahr erfolgte Enthüllung einer Gedenktafel am Landhaus, die an Kärntner Parlamentarier erinnert, die der nationalsozialistischen Diktatur zum Opfer fielen. Man müsse sich selbstkritisch mit der Geschichte auseinandersetzen, Vergangenheit dürfe nicht verdrängt werden, Gedenkkultur müsse wachhalten und wachrütteln, meinte der Landtagspräsident. 2004 hatte er, damals noch als Gemeindereferent des Landes, Gantschachers Kulturprojekt „Krieg=daDa“ in Arnoldstein unterstützt. Schon dieses begab sich auf die Spuren Ullmanns, der als Artilleriebeobachter an der zwölften Isonzoschlacht unweit von Kärntens Grenzen teilnahm, und kombinierte wissenschaftliche Forschung mit künstlerischer Arbeit.

Gantschachers Erstkontakt mit dem Wirken Viktor Ullmanns liegt 38 Jahre zurück, 15 Jahre lang hat er sich intensiv damit auseinandergesetzt. Er berichtete in der Pressekonferenz von seiner Arbeit mit Überlebenden des Ghettos in der ehemaligen k. u. k.-Festung Theresienstadt im heutigen Tschechien. Dort hatte Ullmann ab 1942 viele seiner Werke geschaffen. „Du wirst irgendwann unsere Geschichte weitererzählen“, sollen ihm diese Zeitzeugen gesagt haben. Auf die Spuren Ullmanns, dessen Kriegskorrespondenzen erhalten sind, begibt sich Gantschacher an den ehemaligen Kriegsschauplätzen in Slowenien, Kärnten und Italien mit dem Fahrrad und zu Fuß. Oft nimmt er auch Menschen von außerhalb Kärnten an diese Stätten des Ersten Weltkriegs mit. Mit seinen Projekten will Gantschacher über Kärnten hinausgehen und zeigen, was das Land in Kunst und Kultur leisten kann. Wichtig ist ihm die Arbeit mit jungen Menschen, bei denen er ein Bewusstsein dafür schaffen wolle, was Krieg bedeute.

Die Ausstellung „Viktor Ullmann – Zeuge und Opfer der Apokalypse“ läuft im Prager Stadtarchiv vom 8. April bis 31. Mai. Das Viktor Ullmann Festival fokussiert auf das Werk „Der Kaiser von Atlantis oder die Tod-Verweigerung“ und findet vom 14. bis 16. April statt. Ullmanns Eltern entstammten jüdischen Familien, Vater Maximilian konvertierte schon vor der Geburt Viktors zum katholischen Glauben. Im Ersten Weltkrieg dienten Vater und Sohn in der k.u.k. Armee, der Vater wurde zum Oberst befördert und in den Adelsstand erhoben.

„Hidden History – Kriegsinvalidität, Taubheit, Blindheit und Taubblindheit im großen Krieg 1914-1918“ soll auf ein zumeist wenig beachtetes Kriegsthema aufmerksam machen. Die deutsche Stadt Sassnitz auf der Insel Rügen führt das kulturelle und wissenschaftliche Projekt mit den Städten Trelleborg in Schweden und Kingisepp in Russland durch. Anlass ist der hundertste Jahrestag des beginnenden Kriegsinvalidenaustausches 1915 zwischen dem Russischen Reich der Romanows, dem Deutschen Reich der Hohenzollern und der Habsburger-Monarchie über die Eisenbahnfähre Sassnitz-Trelleborg.

Österreichischer Vertreter bei „Hidden History“ ist „ARBOS – Gesellschaft für Musik und Theater“, der Kärntner gehörlose Schauspieler Werner Mössler spielt und macht Workshops und auch die Neue Mittelschule Klagenfurt-Wölfnitz ist dabei. ARBOS ist an folgenden Projekten beteiligt:

  • 10. bis 16. Mai 2015, Sassnitz auf der Insel Rügen (Deutschland): drei ARBOS-Projekte: „Eine Trommel, ein Seil, ein Schwamm, Handshaker und viele andere Dinge mehr“ ein Theaterprojekt mit taubblinden und fünfsinnigen Jugendlichen; „Begreifen-Erriechen-Erschmecken“ - Theaterworkshop zur Sensibilisierung der Sinne und zum Begreifen der Kultur- und Kommunikationstechniken von taubblinden Jugendlichen; „Der Pianist Paul Wittgenstein und der Kriegsinvalidenaustausch ab 1915“ – Veranstaltungsorte sind der Glasbahnhof, das Grundtvig-Haus und das E-Werk in Sassnitz
  • 28. Juni bis 3. Juli 2015, Kingisepp (Russland): „Verweigert den Krieg!“, ein Theaterprojekt mit Originaltexten der taubblinden Helen Keller und des Wiener Pazifisten, Philosophen und Reformpädagogen Wilhelm Jerusalem. „Begreifen-Erriechen-Erschmecken“
  • 13. bis 15. August 2015, Sassnitz auf der Insel Rügen (Deutschland) und Trelleborg (Schweden): „Der Pianist Paul Wittgenstein, Otto Bauer und der Kriegsinvalidenaustausch ab 1915“ – Veranstaltungsorte sind der Glasbahnhof in Sassnitz und der historische Fährbahnhof in Trelleborg
  • 1. bis 9. Oktober, Sassnitz auf der Insel Rügen (Deutschland): „Talking Gloves - Sprechende Handschuhe“, Visuelles Theater zum Thema Taubheit, Blindheit und Taubblindheit nach den Bildern „Sämann und Teufel / Sturm. Den Namenlosen / Totenopfer / Der Auferstandene“ von Albin Egger-Lienz und Gedichten den „Wacht / Patrouille / Kriegsgrab“ von August Stramm; „Begreifen-Erriechen-Erschmecken“ – Veranstaltungsorte sind der Glasbahnhof, das Grundtvig-Haus und das E-Werk in Sassnitz

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.arbos.at

 

 

 

 

 

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