Familienleistungen und familienpolitische
 Instrumente im internationalen Vergleich

 

erstellt am
09. 04. 15
11.00 MEZ

Wien (wifo) - In den letzten Jahren setzte die österreichische Familienpolitik wichtige Schritte zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zur Erhöhung der Väterbeteiligung. Nach wie vor überwiegen allerdings in Österreich - gemessen an internationalen Vergleichszahlen - die Geldleistungen. Im internationalen Vergleich unterscheiden sich sowohl die Ausrichtung als auch das Instrumentarium der Familienpolitik beträchtlich. Vielfach genießt aber der Ausbau des Kinderbetreuungsangebotes Priorität, in einigen Ländern gewinnt auch das Anliegen einer Steigerung der Väterbeteiligung an Bedeutung.

In den letzten Jahren setzte die österreichische Familienpolitik mehrere Schritte zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zur Erhöhung der Väterbeteiligung: die Einführung von nicht übertragbaren Partnermonaten für den Bezug von Kinderbetreuungsgeld, die Ergänzung der ursprünglichen Pauschalvarianten des Kinderbetreuungsgeldes um eine einkommensabhängige Variante mit kurzer Bezugsdauer, die Einführung einer individuellen Zuverdienstgrenze von 60% der Letzteinkünfte in den Pauschalvarianten des Kinderbetreuungsgeldes, um eine Teilzeit-Erwerbstätigkeit in der Kleinstkindphase zu ermöglichen, den Ausbau der Betreuungseinrichtungen vor allem für die unter 3-Jährigen und der schulischen Nachmittagsbetreuung sowie die Einführung des "Papamonats" im öffentlichen Dienst. Diese Leistungen sollen die Anreize und Rahmenbedingungen für eine gleichmäßigere Aufteilung der bezahlten wie der unbezahlten Arbeit zwischen Müttern und Vätern verbessern.

Die Aufwendungen der öffentlichen Hand für Familien im engeren Sinne stiegen in Österreich seit Mitte der 2000er-Jahre von 7,9 Mrd. Euro (2006) auf knapp 9,3 Mrd. Euro (2013). Mit 2,9% des BIP entsprachen sie 2013 knapp dem Wert des Jahres 2006 (3%). Bezogen auf die langfristig rückläufige Zahl der Kinder und Jugendlichen bis 19 Jahre hält seit Mitte der 2000er-Jahre auch die langfristige Tendenz steigender Pro-Kopf-Familienleistungen an: Von 4.400 Euro pro Kind 2006 stiegen sie bis 2013 auf etwa 5.500 Euro. Dabei wiesen die Ausgaben für Kinderbetreuungseinrichtungen pro Kind (unter 6 Jahren) die größte Dynamik auf: Sie verdoppelten sich zwischen 2006 und 2013 fast auf 3.661 Euro. Dagegen stiegen die gesamten Familienleistungen pro Kind um 25%, die direkten Geldleistungen pro Kind um 11% und die Steuererleichterungen pro Kind um 17%.

Seit Mitte der 2000er-Jahre verändert sich die Struktur der Familienleistungen merklich. Der Anteil der Ausgaben für Betreuungseinrichtungen nahm zwischen 2006 und 2013 von 11,2% auf 18,8% der Gesamtausgaben zu. Im Rahmen der seit 2008 verstärkten Bemühungen zum Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen vor allem für die unter 3-Jährigen werden sich diese Ausgaben mittelfristig weiter erhöhen. Nach der nationalen Erhebungsmethode waren im letztverfügbaren Jahr 2013 in Österreich laut Statistik Austria 23% der unter 3-Jährigen in institutioneller Betreuung. Hinzu kommen die knapp 5.100 von Tageseltern zur Verfügung gestellten Betreuungsplätze. Die gesamte Betreuungsquote betrug daher 25,1%. Damit sind in den letzten Jahren deutliche Fortschritte auf dem Weg zur Erreichung des Barcelona-Ziels einer Betreuungsquote von 33% für unter 3-Jährige zu verzeichnen. 2007 hatte die Betreuungsquote einschließlich Betreuungsplätzen bei Tageseltern erst 13,9% betragen.

Allerdings überwiegen die monetären Transfers - und hier die direkten Geldleistungen - mit knapp zwei Dritteln der Gesamtausgaben (2013) immer noch deutlich. Diese Struktur der Familienleistungen unterstützt, im Zusammenspiel mit weiteren Regelungen wie etwa den Kinderbetreuungsgeldvarianten mit langer Dauer sowie der im Durchschnitt deutlich geringeren Entlohnung von Frauen auf dem Erwerbsarbeitsmarkt und nicht zuletzt einer ausgeprägten Skepsis in der Bevölkerung gegenüber einer Erwerbstätigkeit von Müttern mit kleinen Kindern, tendenziell ein Familienmodell, in dem Mütter den größeren Teil der Betreuungsarbeit übernehmen und Väter den größeren Teil der Erwerbsarbeit.

Als ein Element der Steuerreform 2016 wird der 2009 eingeführte Kinderfreibetrag, der zu versteuernde Einkommen über 11.000 Euro entlastet, von 220 Euro (bzw. 132 Euro pro Elternteil, wenn er von beiden in Anspruch genommen wird) auf 440 Euro (bzw. 164 Euro pro Elternteil) verdoppelt. Der resultierende Steuerausfall wird auf 100 Mio. Euro jährlich geschätzt. Die Geldleistungen werden damit - nach der 2014 beschlossenen Erhöhung der Familienbeihilfe in drei Schritten bis 2018 mit kumulierten budgetären Kosten von 830 Mio. Euro - weiter ausgeweitet. Gegenüber den zusätzlichen Mitteln von insgesamt 750 Mio. Euro, die zwischen 2014 und 2018 in den Ausbau der Betreuungseinrichtungen sowie die Nachmittagsbetreuung an Schulen fließen sollen, nimmt sich die Ausweitung der Geldleistungen durch Erhöhung von Familienbeihilfe und Kinderfreibetrag mit insgesamt kumuliert über 1,1 Mrd. Euro im Zeitraum 2014 bis 2018 relativ umfangreich aus. Eine deutliche Trendwende der Struktur der Gesamtausgaben für Familienförderung, die in Österreich auch im internationalen Vergleich insgesamt im oberen Mittelfeld liegen, dabei aber gemessen an wichtigen familienpolitischen Zielen eher mäßige Ergebnisse erzielen, wird daher mit den jüngsten familienpolitischen Maßnahmen nicht eingeleitet.

In ausgewählten EU-Ländern, die unterschiedlichen familienpolitischen bzw. wohlfahrtsstaatlichen Modellen zuzuordnen sind, unterscheiden sich sowohl die Ausrichtung als auch das Instrumentarium der Familienpolitik beträchtlich: Deutschland und die Niederlande als Vertreter eines eher konservativen kontinentaleuropäischen Modells, Schweden und Dänemark als Repräsentanten eines sozialdemokratisch- egalitären Modells und Frankreich mit einer familialistischen Familienpolitik.

Die traditionell geprägte deutsche Familienpolitik wurde in den letzten Jahren mit dem Ziel der Steigerung der Frauenerwerbstätigkeit und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf auch für Männer in einigen Bereichen grundlegend reformiert. Sie ist jedoch, da die Reformen wesentliche Bereiche aussparten (System der Haushaltsbesteuerung) bzw. ihre Umsetzung nur mittelfristig möglich ist (Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen versus Betreuungsgeld), derzeit in sich wohl am wenigsten konsistent. Allerdings werden weiterhin Schritte zur Stärkung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zur Erhöhung der Väterbeteiligung (ElterngeldPlus und Flexibilisierung ab Mitte 2015) gesetzt.

Die pronatalistische Familienpolitik Frankreichs zielt auf eine gleichzeitige Steigerung der Frauenerwerbstätigkeit und der Fertilität ab. In den Niederlanden setzt die Familienpolitik einerseits stark auf an die Erwerbstätigkeit gekoppelte monetäre Transfers, andererseits auf sowohl hinsichtlich der Arbeits- als auch der Betreuungszeit teilzeitorientierte Arbeitsfreistellungsregelungen zur Kinderbetreuung und fördert somit ein Zuverdienermodell.

In Schweden liegt der familienpolitische Fokus auf der Unterstützung der Frauenerwerbstätigkeit durch Kinderbetreuungseinrichtungen, aber auch auf der Sicherstellung einer gewissen Väterbeteiligung sowie auf Armutsverringerung durch großzügige monetäre Transfers. Die dänische Familienpolitik forciert durch kurze Bezugsdauer von Kinderbetreuungsgeld bei einer hohen Einkommensersatzrate und gesetzlichem Anspruch auf institutionelle Kinderbetreuung schon für sehr junge Kinder den schnellen Wiedereinstieg von Eltern in die Berufstätigkeit; dies ist ein zentrales Charakteristikum des nordischen familienpolitischen Modells. Die eher schwachen expliziten Anreize zur Erhöhung der Väterbeteiligung teilt Dänemark dagegen mit Frankreich und den Niederlanden.

In jüngeren Reformen insbesondere der Freistellungsregelungen schlägt sich in einigen Ländern zunehmend das Anliegen einer Steigerung der Väterbeteiligung nieder: etwa in Frankreich (Einführung nicht übertragbarer Partnermonate ab dem zweiten Kind), Schweden (Gleichstellungsbonus) oder Deutschland (Partnerschaftsbonus). In Deutschland und Österreich sind bereits seit einigen Jahren mehrere Monate der Freistellung für den zweiten Partner reserviert und verfallen, wenn sie nicht in Anspruch genommen werden. Auch die Einführung von einkommensabhängigen Ersatzleistungen während der Freistellung zur Kinderbetreuung in Deutschland und Österreich, wie es sie in Dänemark und Schweden schon länger gibt, setzt Anreize für eine intensivere Väterbeteiligung in der Kleinstkindphase. Nicht zuletzt stehen im Zuge der krisenbedingten Konsolidierungsprogramme, die in den meisten EU-Ländern seit Anfang der 2010er-Jahre umgesetzt werden, auch die Familienleistungen unter Druck. Sowohl in Dänemark (seit 2014) als auch in Frankreich (seit 2015) wurde das vormals universelle, einkommensunabhängige Kindergeld für Eltern mit hohem Einkommen eingeschränkt. Beide Länder gehören damit - wie aktuell auch Großbritannien - zur kleinen Gruppe von Ländern, die keine universelle einkommensunabhängige Kindergeldleistung (mehr) gewähren. In den Niederlanden wurden in den vergangenen Jahren Geldleistungen verstärkt einkommensabhängig gemacht und im Rahmen der jüngsten Reformen 2015 durch die Zusammenlegung von Geldleistungen vereinfacht und fokussiert. Lediglich in Deutschland werden wie in Österreich neben den Betreuungseinrichtungen auch die Geldleistungen tendenziell eher ausgebaut, während das mit hohen öffentlichen Kosten verbundene Ehegattensplitting auch in der jüngsten Budgetkonsolidierungsphase nie zur Diskussion stand. Gleichzeitig wird in allen hier betrachteten Ländern - die die damit repräsentativ für die große Mehrheit der EU- bzw. OECD-Länder sein dürften - der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen forciert.

 

 

 

zurück

 

 

 

 

Die Nachrichten-Rubrik "Österreich, Europa und die Welt"
widmet Ihnen der
Auslandsösterreicher-Weltbund

 

 

 

Kennen Sie schon unser kostenloses Monatsmagazin "Österreich Journal" in vier pdf-Formaten? Die Auswahl finden Sie unter http://www.oesterreichjournal.at