2015 sollte auch für Zentral- und
 Osteuropa ein positives Jahr werden

 

erstellt am
29. 04. 15
11.00 MEZ

Stärkeres Wirtschaftswachstum in der Eurozone, „quantitative Lockerung“ der EZB und niedriger Ölpreis schaffen günstige Rahmenbedingungen
Wien (unicredit) - Das Wirtschaftswachstum in der Eurozone, das zuletzt an Schwung gewonnen hat und das sich 2015 bei plus 1,4 Prozent bzw. plus 1,8 Prozent 2016 stabilisieren wird, sollte das laufende Jahr auch für Zentral- und Osteuropa zu einem guten Jahr machen. Das ist eine der zentralen Aussagen des jüngsten „CEE Quarterly“, das von UniCredit Economics & FI/FX Research quartals­weise publiziert wird und das der wirtschaftlichen Entwicklung der Region gewidmet ist. Insbesondere die Exporte aus der Region werden von der wirtschaftlichen Erholung in der Eurzone profitieren, während gleichzeitig die „quantitative Lockerung“ der EZB die Kapital­zuflüsse ankurbeln und die Finanzierungskosten niedrig halten sollte. Das Überangebot und eine träge Nachfrage sorgen weiterhin für einen niedrigen Ölpreis, was günstig für die frei verfügbaren Einkommen und den Konsum ist.

Reformen und Fundamentaldaten entscheidend für Beschleunigung des Wachstums
Das positive Umfeld bietet zudem den lokalen Notenbanken die Möglichkeit, die Zinssätze für eine längere Zeit auf Rekordtiefstständen zu halten und ihre akkommodierende Geldpolitik fortzuführen. Die niedrigen Finanzierungskosten könnten in der Folge eine steuerliche Unterstützung ermöglichen, speziell in Ländern mit Schuldenständen und Defizitquoten auf moderaten Niveaus. „Aber nicht alle Länder in Zentral- und Osteuropa werden von den günstigen Rahmenbedingungen gleicher­maßen profitieren“, analysiert der CEE-Chefökonom der UniCredit Lubomir Mitov, „Länder mit soliden Fundamentaldaten und fortgeschrittenen Reformen werden den größeren Vorteil aus der aktuellen Situation ziehen.“ Zu diesen Staaten (EU-CEE) zählen das Baltikum, Polen, Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik und Ungarn, die 2004 der Europäischen Union beigetreten sind, sowie Bulgarien und Rumänien, die seit 2007 EU-Mitglieder sind.

Diese exportorientierten EU-CEE Länder sollten ihre Wettbewerbsvorteile und die enge wirtschaft­­liche Verflechtung mit Deutschland voll ausspielen können. Ihr BIP-Wachstum wird sich demnach dieses Jahr real auf 2 bis 3 Prozent beschleunigen. Polen ist dabei ausgenommen, dort sollte das Plus sogar über 3 Prozent liegen. Noch höhere Wachstumsraten erscheinen aber derzeit unrealistisch, da diese auch eine stärkere Erholung der Eurozone voraussetzen würden. Obwohl viele EU-CEE Volks­wirtschaften mittlerweile negative Inflationsraten ausweisen, ist eine nachhaltige Deflation nicht wahrscheinlich. Denn die Rückgänge bei der Inflation sind großteils auf das billige Erdöl und die Kürzung von regulierten Preisen, deren Wirkung sich bereits verbraucht hat, zurückzuführen. Die Talsohle bei den Konsumenten­preisen scheint also bereits hinter uns zu liegen, wenngleich die Inflation auch 2016 gedämpft sein wird.

Mit öffentlichen Schuldenständen sowie Budgetdefiziten auf moderaten Niveaus und einem stärkeren Wirtschaftswachstum erscheint heuer eine noch stärkere steuerliche Konsolidierung nicht notwendig. Die einzigen Ausnahmen unter den EU-CEE Ländern sind Ungarn, das unverändert stark von ausländischen Investoren abhängig ist und eine hohe öffentliche Verschuldung aufweist und Bulgarien, dessen Defizit letztes Jahr durch die Rettung einer großen Privatbank deutlich angestiegen ist.

Obwohl sich die Wachstumsaussichten festigen und die Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Schocks steigt, dürfte das erreichte Gleichgewicht mittelfristig weder politisch noch sozial nachhaltig sein. Denn ein jährliches Wachstum von 2 bis 3 Prozent in Kombination mit einer erwartet niedrigen Inflation würde die wirtschaftliche Annäherung der Region an die „alten“ EU-Mitglieder deutlich verlangsamen. Eine verlangsamte Annäherung wiederum würde zu stärkerer Emigration in das alte Europa führen und damit den EU-CEE Ländern Potenzialwachstum kosten. Das langsame Wachstum würde folglich in Kombination mit einer nachteiligen Bevölkerungs­entwicklung die demografischen Kosten unhaltbar erhöhen und die EU-CEE Länder im Hinblick auf ihre Pensions- und Gesundheitssysteme zu schwierigen politischen Entscheidungen zwingen. Doch kaum ein Land wird diese Themen angehen, solange seine kurzfristige Refinanzierung sicher scheint.

Ukraine und Russland mit schwächsten Daten in der Region
Für die beiden großen Rohstoffexporteure in der Region haben sich die Rahmenbedingungen deutlich verschlechtert. Ukraine und Russland leiden nicht nur unter einem scharfen Rückgang der Rohstoffpreise, sondern sie haben - wenngleich aus unterschiedlichen Gründen - den Zugang zu den internationalen Märkten verloren. „Die Schwächen der beiden Länder waren bereits vor dem Konflikt in der Ostukraine offenkundig und sind auf Strukturmängel sowie ausständige Reformen zurückzuführen“, hält Lubomir Mitov fest.

Die Ukraine hat durch Kriegsschäden beinahe ein Zehntel ihres wirtschaftlichen Potenzial eingebüßt. Das neue IWF-Programm mag zwar vorerst den Zusammenbruch verhindern, doch es ist nicht geeignet das Wirtschaftswachstum nachhaltig anzukurbeln, sofern keine friedliche Lösung für die Ostukraine gefunden wird. Russland ist mit anderen, aber nicht kleineren Herausforderungen konfrontiert: Der Preissturz bei Erdöl und der durch die Sanktionen unterbrochene Zugang zu den internationalen Märkten haben seine Abhängigkeit von Öl und Gas sowie externen Kapitalzuflüssen deutlich gemacht. Die daraus resultierende Finanzierungslücke hat die Behörden gezwungen, eine deutliche Abwertung des Rubel hinzunehmen, obwohl das Land ein Viertel seiner Fremdwährungsreserven verloren hat. Beide Länder werden dieses Jahr in Rezession sein, die wirtschaftliche Lage der Ukraine könnte sich 2016 bessern.

Zinserhöhungen der Fed und verschärfte Kämpfe in der Ukraine als Risiken
Ungeachtet des generell positiven Umfeldes bleiben deutliche Risken bestehen: So könnten sich die für später im Jahresverlauf erwarteten Zinserhöhungen der US-Notenbank ungünstig auf den globalen Risikoappetit auswirken und zu einem Stillstand bzw. Umkehr der Kapitalzuflüsse nach Zentral- und Osteuropa führen. Das hätte vor allem auf Länder wie die Türkei, Kroatien und Serbien, in denen es große volkswirtschaftliche Ungleichgewichte gibt und die stark von Auslandskapital abhängen, negative Auswirkungen. Ein weiteres Risiko ist die neuerliche Verschärfung der Kämpfe in der Ostukraine. Diese könnten sich insbesondere durch eine Unterbrechung von Energielieferungen und eine weitere Verschärfung der internationalen Sanktionen stärker als bisher auf die Region auswirken.

 

 

 

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