Erinnerungstag der Heimatvertriebenen

 

erstellt am
02. 06. 15
11.00 MEZ

Dank für alle Beiträge zur Erfolgsgeschichte Oberösterreichs seit 1945
Linz (lk) - In den letzten Wochen haben wir großer Zäsuren unserer jüngeren Geschichte gedacht: allen voran 70 Jahre Kriegsende und 60 Jahre Staatsvertrag. Der Erinnerungstag der Heimatvertriebenen reiht sich in dieses Gedenken ein. Es ist ebenfalls 70 Jahre her, dass rund 14 Millionen deutschsprachige Menschen in Mittel-, Ost- und Südosteuropa gewaltsam ihre Heimat verloren haben. Und es ist auch 70 Jahre her, dass viele hier in Oberösterreich eine neue Heimat gefunden haben.Sie hatten zwar alles verloren, was man ihnen aber nicht nehmen konnte, war ihr Lebenswille und vor allem ihr Fleiß, ihr Können, ihre Kultur und ihr Glaube. Das alles haben sie hier in ihrer neuen Heimat vom ersten Tag an eingebracht.

Die Zahlen über die Volksdeutschen in Oberösterreich sind schwer zu fassen. Viele wanderten bereits in den ersten Monaten nach Kriegsende weiter, während der Zuzug weiterer Vertriebener aus dem Sudetenland und aus dem Südosten Europas anhielt.Historiker schätzen für das Jahr 1945 153.000 Volksdeutsche in Oberösterreich (= 43 Prozent der vertriebenen Deutschsprachigen auf österreichischem Boden). Im Mai 1951 waren es 125.000, einschließlich jener Familien, die inzwischen eingebürgert wurden. Da die Heimatvertriebenen bereits in den 50er Jahren als gefragte Arbeitskräfte galten, erfolgten Angebote zur gruppenweisen Auswanderung nach Westdeutschland. Etwa in ein neu eröffnetes Braunkohlerevier in Nordrhein-Westfalen, wo Bergarbeiter/innen benötigt wurden. Rund 6.000 Siebenbürger Sachsen haben 1953 dieses Angebot angenommen. Viele Familien bilden heute noch in diesem Industriegebiet eine geschätzte Kulturgemeinschaft. In Summe muss daher davon ausgegangen werden, dass knapp 120.000 in Oberösterreich lebende Heimatvertriebene die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen haben und sich für eine dauerhafte Zukunft in unserem Land entschieden haben.

Die Heimatvertriebenen waren in den 40er Jahren wesentlicher Teil des Wiederaufbaues und in den 50er Jahren des Wirtschaftswunders. Wenn unser Bundesland heute auf die Entwicklung der letzten sieben Jahrzehnte zurückschaut und wir stolz darauf sein können, Wirtschafts- und Exportland Nummer eins der Republik zu sein, dann ist es auch ihr Verdienst.

Heimatvertriebene waren in den letzten sieben Jahrzehnten nicht nur Leistungsträger/innen der Gesellschaft, sondern sie haben auch das Kulturland Oberösterreich mit ihren Bräuchen und Traditionen, die sie aus der alten Heimat mitgebracht haben, bereichert.

Mit der Dankbarkeit für diese Leistungen ist aber auch die gesamtgesellschaftliche Aufgabe verbunden, sich für die Anliegen der Vertriebenen einzusetzen und die Erinnerung an ihr Schicksal wach zu halten.

Diese Aufgabe besteht fort. Die Vertriebenen und ihre Nachkommen, die Landsmannschaften leisten sehr viel, um diese Aufgabe zu erfüllen. Aber sie können und sie sollen diese Aufgabe nicht alleine erfüllen.

Chance gemeinsames Geschichtsbuch Österreich - Tschechien
Das diesjährige Gedenkjahr stellt einen guten Anlass dar, ein neues Kapitel in der historischen Betrachtungsweise aufzuschlagen und dabei aufeinander zuzugehen.

Eine gute Chance stellt dabei das gemeinsame österreichisch-tschechische Geschichtsbuch dar, das derzeit erarbeitet wird. Dieses Projekt ist eine auf neuesten Forschungsergebnissen beruhende Darstellung der Geschichte der beiden Staaten und Gesellschaften.

Beide Länder verbindet bis ins 20. Jahrhundert eine über weite Strecken gemeinsame Geschichte, die allerdings als Folge moderner National-Gesellschaften zum Teil sehr unterschiedlich gesehen und interpretiert wird. Hier soll dieses gemeinsame Geschichtsbuch zusammenführen.

Entscheidend ist dabei, im Dialog einseitige nationale Perspektiven in der Geschichtsschreibung zu überwinden. Dieses gemeinsame Geschichtsbuch darf daher keine bloße Gegenüberstellung der verschiedenen nationalen Perspektiven werden. Vielmehr wollen wir einen neuen, gemeinsamen Zugang zur Geschichte finden.

Denn eine Aneinanderreihung von zwei nationalen Geschichten bringt uns nicht weiter. Diese kann man in jeder Buchhandlung erwerben. Vielmehr muss mit diesem Projekt ein Schritt nach vorne gelingen.

Die tschechische Historiographie war durch lange Zeit sehr stark national- und ethnozentriert. Das soll jetzt der Vergangenheit angehören. Daher begrüße ich, dass sich alle, die an diesem Projekt mitarbeiten, in dieser Frage einig sind.

Dieser Dialog führt zusammen, dieser Dialog soll uns weiterbringen. Das gemeinsame österreichisch-tschechische Geschichtsbuch soll in den nächsten drei Jahren entstehen. Eine erste Vorveröffentlichung ist schon am Ende dieses Jahres geplant. Zu diesem Zeitpunkt soll das Manuskript der Öffentlichkeit vorgelegt werden, um Meinungen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen einzuholen und der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, sich hier einzubringen.

2018 soll es fertiggestellt sein und sich ausdrücklich nicht nur an Historiker/innen, sondern an eine breite interessierte Öffentlichkeit richten und auch im Schulunterricht eingesetzt werden können.

Wenn es gelingt, dieses Buchprojekt erfolgreich abzuschließen, kann es ein Modell für gemeinsame Geschichtsbücher mit anderen ost- und südosteuropäischen Staaten werden, mit denen uns ebenfalls eine lange mitteleuropäische Tradition verbindet, aus denen aber auch Deutschsprachige vertrieben wurden.

 

 

 

Allgemeine Informationen:
http://www.donauschwaben-ooe.at

 

 

 

 

 

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